4Ob81/61 – OGH Entscheidung
Kopf
SZ 34/162
Spruch
Bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes sind auch regelmäßig und dauernd bezogene Sonderprovisionen oder Prämien zu berücksichtigen.
Entscheidung vom 7. November 1961, 4 Ob 81/61.
I. Instanz: Arbeitsgericht Linz; II. Instanz: Landesgericht Linz.
Text
Der Kläger ist bei der beklagten Autohändlerin seit 1. Oktober 1955 als Vertreter im Angestelltenverhältnis gegen ein monatliches Fixum von 1000 S und Provision beschäftigt. Er war vom 10. Juli 1957 bis 30. Juli 1957, vom 1. August 1958 bis 23. August 1958 und vom 11. August 1959 bis 29. August 1959 jeweils achtzehn Tage auf Urlaub. Während dieser Urlaube erhielt er lediglich das anteilmäßige Fixum, nicht aber auch Provision als Urlaubsentgelt.
Der Kläger begehrt einen Betrag von 11.658 S 06 g als restliches Urlaubsentgelt, weil bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes auch die Durchschnittsprovision während der letzten zwölf Monate vor Antritt des Urlaubs zu berücksichtigen sei.
Die beklagte Partei beantragt Abweisung der Klage, weil bei Berechnung des Urlaubsentgeltes nur der "Gehalt", somit das Fixum, nicht aber auch die Provision zu berücksichtigen sei. Außerdem habe der Kläger während seiner Urlaube keinen Verdienstentgang gehabt, weil der Urlaub in die arbeitsschwache Zeit gefallen sei. Da im Autohandel die Ein- und Verkaufspreise vorgeschrieben seien, könnten zusätzliche Provisionsansprüche während des Urlaubes nicht in der Kalkulation untergebracht werden.
Das Erstgericht hat dem Kläger einen Betrag von 11.644 S 02 g samt 4% Zinsen seit 2. Juli 1960 zugesprochen und das restliche Klagebegehren im Betrag von 14 S 04 g samt Zinsen abgewiesen. Für die Beurteilung des Urlaubsentgeltes des Klägers sei § 17a AngG. maßgebend, welche Bestimmung gemäß § 40 AngG. zwingendes Recht sei. Gemäß § 17a Abs. 1 AngG. behalte der Angestellte während des Urlaubes Anspruch auf das Entgelt, wobei der Begriff des Entgeltes der allgemeinste und umfassendste Ausdruck für alle Lohnansprüche des Dienstnehmers sei. Die Bestimmung des § 17a Abs. 2 AngG., wonach der Berechnung des Urlaubsentgeltes nach Abs. 1 der Gehalt zugrunde zu legen sei, der sich aus der normalen Arbeitszeit ergebe, bedeute keine Einschränkung der Bestimmung des Abs. 1, wonach der Dienstnehmer den Anspruch auf das Entgelt, somit auf das ganze Entgelt, und demnach auch auf die Provision behalte, sondern nur die Regelung der Berechnungsart bei einer besonderen Entgeltsform, nämlich bei jenem Entgelt, das in der Form eines Gehaltes gezahlt werde. Bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes bei den Provisionsangestellten sei nicht jene Provision zugrunde zu legen, welche der Vertreter während der Urlaubszeit voraussichtlich verdient hätte, sondern der Durchschnitt der letzten zwölf Monate vor Urlaubsantritt. Diese Ansicht werde dem Bestreben des geltenden Urlaubsrechtes nach möglichst einfachen Berechnungsgrundlagen mit möglichst objektiven Bemessungsmöglichkeiten des Urlaubsentgeltes gerecht. Allfällige Kalkulationsschwierigkeiten der beklagten Partei bei der Unterbringung der so berechneten Urlaubsentgeltsansprüche des Klägers wegen der im Autohandel vorgeschriebenen Einkaufs- und Verkaufspreise könnten die zwingenden und unverzichtbaren Rechte des Klägers nicht kürzen. Im übrigen könne dies bei der Höhe des gewährten Provisionssatzes berücksichtigt werden. Dafür, daß die Sonderprovisionen und die Zubehörprovisionen in die Berechnungsgrundlage nicht einbezogen werden sollten, bestehe kein Grund, weil diese Provisionen nur durch den Anlaß der Gewährung, nicht aber im Wesen von den übrigen Provisionen verschieden seien.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus:
Der Ansicht Wallentins (JBl. 1953 S. 93), wonach dem Provisionsvertreter nur das Fixum bzw. dessen Ergänzung auf den kollektivvertraglichen Mindestlohn als Entgelt gebühre, könne deswegen nicht beigetreten werden, weil die Provision wohl einen Teil des Entgeltes darstelle, aber niemals Gehalt sei. Wallentin habe sich in seinem Artikel insbesondere damit nicht auseinandergesetzt, warum der Gesetzgeber in § 17a Abs. 1 AngG. den Begriff Entgelt und in § 17a Abs. 2 AngG. den Begriff Gehalt gewählt habe, wenn mit beiden Begriffen dasselbe hätte ausgedrückt werden sollen. Die vom Beklagten zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes ArbSlg. 5677 setze sich mit der Frage nicht auseinander, ob der Begriff des Entgeltes nach § 17a Abs. 1 AngG. dem des Gehaltes nach § 17a Abs. 2 dieses Gesetzes gleichzusetzen oder ersterer zu letzterem der übergeordnete Begriff sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Rechtsrüge der Beklagten ist im wesentlichen eine Wiederholung der schon im Prozeß und in der Berufungsschrift vorgebrachten Argumente und gibt zunächst nahezu wörtlich den Aufsatz von Wallentin in JBl. 1953 S. 93 über das Urlaubsentgelt bei angestellten Provisionsreisenden wieder. Mit allen diesen rechtlichen Bedenken der Beklagten gegen die angefochtene Entscheidung haben sich bereits das Berufungsgericht und zum Teil auch das Erstgericht auseinandergesetzt. Der Oberste Gerichtshof billigt die von den Untergerichten vertretene Rechtsansicht. Zur Novellierung der einschlägigen Bestimmungen des Angestelltengesetzes und zu den erwähnten Ausführungen Wallentins ist folgendes zu ergänzen:
Nach den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu Art. V des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 174/1946 (Nr. 155 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, V. GP.) sollten die Bestimmungen über das Urlaubsentgelt der Dienstnehmer, die dem Angestelltengesetz oder dem Gutsangestelltengesetz unterliegen, grundsätzlich dem des Arbeiterurlaubsgesetzes angeglichen werden. Ähnlich sagt der Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung (Nr. 205 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, V. GP.), daß durch die Annahme dieser Gesetzesvorlage alle aus dem Arbeiterurlaubsgesetz zu übertragenden Bestimmungen auf die einzelnen Gesetze angewendet würden und hiemit eine einheitliche Rechtslage geschaffen werde. Das Arbeiterurlaubsgesetz bestimmt in § 6 Abs. 2: Der Berechnung des Urlaubsentgeltes nach Abs. 1 ist der Lohn zugrunde zu legen, der sich aus der für den Arbeiter geltenden wöchentlichen Normalarbeitszeit ergibt. Die korrespondierende Bestimmung des § 17a Abs. 2 AngG. lautet: Der Berechnung des Urlaubsentgeltes nach Abs. 1 ist der Gehalt zugrunde zu legen, der sich aus der für den Angestellten geltenden Normalarbeitszeit ergibt. Der Gesetzgeber hat also in dem Bestreben, die Bestimmungen über das Urlaubsentgelt aller Dienstnehmer möglichst anzugleichen, einfach den Wortlaut des § 6 Abs. 2. ArbUrlG. in den § 17a AngG. übernommen und (im wesentlichen) nur das Wort "Lohn" durch das Wort "Gehalt" ersetzt, weil üblicherweise das Entgelt des Arbeiters als Lohn, das des Angestellten aber als Gehalt bezeichnet wird. Mit dieser Anordnung sollte nur erreicht werden, daß in das Urlaubsentgelt der Lohn- und Gehaltsempfänger nicht mehr die Überstundenentschädigung einbezogen wird. Eine andere Bedeutung kommt dem § 17a Abs. 2 AngG. nicht zu. Es wäre auch nicht einzusehen, daß bei Vereinbarung eines Erfolgshonorars (Provision) der Angestellte während des Urlaubs schlechter abschneiden sollte als der Arbeiter, der bei Akkord-, Stück- oder Gedinglohn, also ebenfalls bei einer Art von Erfolgshonorar, Anspruch auf ein nach einem Durchschnitt berechnetes Urlaubsentgelt hat. An dem Grundsatz, daß auch der angestellte Provisionsreisende während des Urlaubes Anspruch auf das Durchschnittsmaß der sonst von ihm verdienten Provisionen hat (SZ. XII 80), welcher Grundsatz in der Fassung des § 17a Abs. 1 AngG. so wie in der alten Fassung des § 17 Abs. 4 AngG. zum Ausdruck gebracht ist, hat sich demnach nichts geändert. Wäre die Ansicht der Revisionswerberin richtig, so hätte der Angestellte, der im Sinne des § 14 AngG. am Gewinn beteiligt ist, ebenfalls keinen Anspruch auf ein Urlaubsentgelt, weil er keinen "Gehalt" bezieht. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß der Anspruch auf Urlaubsentgelt dem Anspruch auf Entgelt bei Dienstverhinderung nach § 8 AngG. grundsätzlich gleichkommt, wenn auch nunmehr nach der Regelung des § 17a Abs. 2 AngG. beim Urlaubsentgelt auf geleistete Überstunden nicht mehr Rücksicht zu nehmen ist. Auch bei Dienstverhinderung wird in der Rechtsprechung bei Berechnung des Entgeltes die Provision einbezogen (vgl. etwa ArbSlg. 6470, JB. 256, 4 Ob 110/52, VersR. 1953 S. 349). Mit dieser Ansicht setzt sich der Oberste Gerichtshof keineswegs in Widerspruch zu seiner Entscheidung ArbSlg. 5677, weil auch in dieser Entscheidung nur die Bestimmungen des Arbeiterurlaubsgesetzes und des Angestelltengesetzes hinsichtlich der Überstundenentlohnung gegenübergestellt wurden. Auch im Rechtsbereich des deutschen Bundesarbeitsgerichtes bestimmt sich das Urlaubsentgelt des auf Fixum und Provision angestellten Handlungsgehilfen nach dem Fixum und den Provisionen, die er mutmaßlich während der Urlaubszeit verdient hätte (Stanzl, Aus der Rechtsprechung des deutschen Bundesarbeitsgerichtes, ÖJZ. 1961 S. 505, und die dort zitierte deutsche Judikatur).
Der Revisionswerberin kann eingeräumt werden, daß der Hinweis "nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen" in § 6 Abs. 1 ArbUrlG. klarstellt, daß die folgenden Bestimmungen dieser Gesetzesstelle eine nähere Erläuterung des Urlaubsentgeltes der Arbeiter bringen. Unrichtig ist jedoch die Annahme der Revisionswerberin, daß ein solcher Hinweis in § 17a Abs. 1 AngG. nur aus Versehen unterblieben sei. Gerade das Fehlen dieses Hinweises im Angestelltengesetz zeigt, daß die nachfolgenden Bestimmungen der Absätze 2 und 3 nur Teilfragen behandeln wollen. Übrigens enthält sowohl § 6 ArbUrlG. als auch § 17a AngG. je in Abs. 4 eine Bestimmung, daß die Beträge nach Abs. 1 bis 3 bei Antritt des Urlaubes zu zahlen sind, ein eindeutiges Indiz dafür, daß in beiden Fällen die Bestimmung des Abs. 1 nicht nur eine Art Einleitung ist, sondern daß auch aus dieser allgemeinen Bestimmung Ansprüche abgeleitet werden können.
Jede Durchschnittsberechnung trägt gewisse Fehlerquellen in sich. Insofern ist der Revisionswerberin zuzugeben, daß die Berechnung des Jahresdurchschnittes zur Ermittlung des Urlaubsentgeltes dann, wenn der Urlaub in der betriebsschwachen Zeit verbraucht wird, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit kein gerechtes Ergebnis erzielt. Es kann aber auch nicht von vornherein gesagt werden, daß es dem Angestellten nicht gelungen wäre, während der Urlaubszeit doch den Jahresdurchschnitt an Abschlüssen zu erreichen. Eine Berechnung der Provisionen, welche der Angestellte aller Voraussicht nach während des Urlaubes verdienen würde, ist praktisch nicht möglich, so daß eine gewisse Ungenauigkeit bei Berechnung des Durchschnittes in Kauf genommen werden muß.
Auch regelmäßig und dauernd gewährte Erfolgsprämien tragen Entgeltcharakter und sind bei der Berechnung des Entgeltes zu berücksichtigen (JBl. 1960 S. 613 = ArbSlg. 7170). Daher ist es auch berechtigt, daß in das Urlaubsentgelt des Klägers die Sonderprovisionen oder Prämien einbezogen werden, da er auch diese, sooft Gelegenheit dazu war, regelmäßig und dauernd bezogen hat.