JudikaturOGH

8Os194/61 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. September 1961

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 1961 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Mironovici, in Gegenwart der Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Mayer, Dr. Bröll, Dr. Möller und Dr. Reiter als Richter und des Richteramtsanwärters Dr. Keber als Schriftführer, in der Strafsache gegen Nikolaus K***** wegen des Verbrechens der teils vollbrachten, teils versuchten Notzucht nach den §§ 125 und 8 StG über die vom Angeklagten Nikolaus K***** gegen das Urteil des Kreisgerichts Steyr als Schöffengericht vom 6. April 1961, GZ 6 Vr 52/61-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Rat des Obersten Gerichtshofs Dr. Reiter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Friedrich Weiß und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Aggermann, zu Recht erkannt:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Anschließend hat der Oberste Gerichtshof nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Berufung des Angeklagten Nikolaus K***** den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Auf die Berufung wird keine Rücksicht genommen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Nikolaus K***** der Verbrechen der teils (in einem Falle) vollendeten Notzucht, teils (in zwei Fällen) versuchten Notzucht nach den §§ 125 und 8 StG schuldig erkannt.

Den Urteilsfeststellungen zufolge beobachtete der 21-jährige Angeklagte, als er am Abend des 3. 1. 1961 in Steyr Plakate anschlug, wie sich eine etwa 40 Jahre alte, bisher unbekannt gebliebene Frau von der R*****-Straße aus auf den Weg in Richtung S*****wald machte. K***** folgte ihr auf dem einsamen Feldweg in der eingestandenen Absicht, sie zu überwältigen und mit ihr geschlechtlich zu verkehren. Er schlich sich von hinten an die Unbekannte heran, riss sie, wobei er ihr den Mund zuhielt, zu Boden, kniete sich über sie, fasste sie mit einem Würgegriff am Halse und forderte sie auf, sich die Hose auszuziehen. Da nach der Annahme des Erstgerichts die Überfallene fürchtete, bei einer Gegenwehr vom Angeklagten erwürgt zu werden, widersetzte sie sich nicht, als dieser an ihr den außerehelichen Geschlechtsverkehr ausübte.

Am 18. 1. 1961 beschloss der Angeklagte anlässlich eines Kinobesuchs, der ihm bis dahin unbekannten Elfriede M***** auf dem Heimweg zu folgen, sie dabei auf die bereits erprobte Weise zu überwältigen und mit ihr dann geschlechtlich zu verkehren. Nächst einem Verbindungsweg zwischen R*****- und I*****straße sprang er die Genannte in der Nähe eines Gebüsches plötzlich an und legte ihr einen Arm um ihren Hals, um sie solcherart zu Boden zu zwingen. Da die Überfallene aber aufschrie, flüchtete der Angeklagte, weil er fürchtete, entdeckt zu werden.

Nach Schluss einer Kinovorstellung am 25. 1. 1961 folgte er der ihm gleichfalls unbekannten Margarethe Kr*****, stellte diese nächst der M*****, brachte gegen sie eine Pistolenattrappe in Anschlag und forderte sie auf, einen vom Tatort in eine Gartenanlage führenden Weg einzuschlagen, widrigenfalls er schießen werde. Eingestandenermaßen hatte es der Angeklagte auch diesmal darauf abgesehen, die Genannte, wie seinerzeit sein Opfer im S*****wald, zu überwältigen und mit ihr geschlechtlich zu verkehren. Sie durchschaute aber seine Absicht und begann zu schreien, nachdem sie erkannt hatte, dass es sich bei dem vorgehaltenen Gegenstand nicht um eine Pistole, sondern nur um ein Feuerzeug handelte. Daraufhin ergriff der Angeklagte, den der Mut verlassen hatte, die Flucht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9a und 10 des § 281 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde führt unter dem erstangeführten Anfechtungsgrund zunächst aus, der Gerichtshof habe wesentliche Teile der Verantwortung des Angeklagten rücksichtlich des ersten von ihm verübten Überfalls unerörtert gelassen, namentlich aber den Umstand übergangen, dass dieser sein Opfer nur gewürgt habe, bevor sich dieses dann selbst die Hose ausgezogen und sich ihm ohne weitere Gegenwehr hingegeben habe. Der damit gegen das Urteil gerichtete Vorwurf der Unvollständigkeit ist unstichhältig, ja geradezu mutwillig erhoben, weil ein Vergleich seiner Feststellungen mit der Aktenlage zeigt, dass sich das Urteil mit allen Einzelheiten der im Übrigen voll geständigen Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt hat und diese mit der Darstellung in einem anonymen, offenbar von der im S*****wald überfallenen Frau veranlassten Schreiben (S 13) voll übereinstimmt. Erst unter Berücksichtigung dieser und aller übrigen Verfahrensergebnisse hat das Erstgericht dem Geständnis des Angeklagten volle Beweiskraft zuerkannt, es hat zudem aber auch die von der Beschwerde vermisste Feststellung ausdrücklich getroffen, sodass die Beschwerdebehauptungen, mit denen übrigens - wie noch auszuführen sein wird - für den Angeklagten auch rechtlich nichts gewonnen ist, völlig ins Leere gehen. Unzutreffend ist auch der Beschwerdeeinwand, der Gerichtshof habe sich auch über die Aussage der Zeugin Elfriede M***** hinweggesetzt. Soweit in diesem Zusammenhang die Urteilsfeststellung, dass der Angeklagte die Genannte plötzlich ansprang, als aktenwidrig gerügt wird, ist die Beschwerde nicht begründet. Denn der gerügte Ausspruch des Gerichtshofs steht mit den von dieser Zeugin vor der Polizei abgelegten, beim Untersuchungsrichter aufrecht erhaltenen und in der Hauptverhandlung einverständlich verlesenen Bekundungen (S 86, ONr 9) im Einklang. Da das Urteil, gestützt auf die Aussage der Margarethe Kr*****, auch feststellt, dass diese den ihr vom Angeklagten vorgehaltenen Gegenstand als Pistolenattrappe erkannt hat, geht die Rüge, die einen solchen Ausspruch vermisst und dies als Unvollständigkeit geltend macht, auch in dieser Richtung fehl. Soweit aber die Beschwerde zusammenfassend darzutun sucht, dass aus dem „Verhalten des Angeklagten und seinen - die Überfälle begleitenden - Äußerungen nicht unter allen Umständen geschlossen werden könne, welche Absichten er seinen Opfern gegenüber hatte“, macht sie keineswegs den Mangel einer unzureichenden Begründung geltend, sondern greift in Wahrheit nach Art einer im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung in die erstrichterliche Beweiswürdigung ein. Ihre bezüglichen Ausführungen können daher nicht berücksichtigt werden.

Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 9a des § 281 StPO führt die Beschwerde bezüglich des Vorfalls vom 3. 1. 1961 aus, dass von einer Überwältigung im Sinne des § 125 StG keine Rede sein könne, weil ein „Außerstandesetzen, Widerstand zu tun“ gefährliche Bedrohung und - dieser nachfolgend - wirklich ausgeübte Gewalttätigkeit voraussetze, an der es aber im gegebenen Fall deshalb mangle, weil sich die Überfallene dem Angeklagten gar nicht widersetzt hätte.

Die Rüge ist nicht begründet, weil, wie sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes ergibt, „gefährliche Bedrohung, wirklich ausgeübte Gewalttätigkeit oder arglistige Betäubung der Sinne“ als Mittel der Überwältigung einander - gleichwertig - gegenübergestellt sind. Daraus folgt allerdings auch, dass unter „gefährlicher Bedrohung“ im Sinne des § 125 StG - anders als in jenem des § 98 lit b StG - nur eine solche verstanden werden kann, die ihrer Qualität nach „vis absoluta“ gleichkommt. Sie muss daher die Zufügung eines das Leben, die körperliche Integrität oder die Gesundheit der Bedrohten gefährdenden Übels betreffen und sowohl imminent, als auch - mit Rücksicht auf die begleitenden Umstände, auf die Verhältnisse und auf die persönliche Beschaffenheit der Betroffenen - geeignet sein, die Freiheit des Willensentschlusses insoferne aufzuheben, als die Bedrohte den vom Täter beabsichtigten außerehelichen Beischlaf aus Furcht vor dem ihr angedrohten Übel als das geringere Übel ansieht und deswegen ihren Widerstand aufgibt oder einen solchen erst gar nicht leistet (vgl EvBl 1948 Nr 675).

Im gegebenen Fall hat - nach den Urteilsfeststellungen - der 21 Jahre alte Angeklagte eine etwa 40 Jahre alte und ihm offenbar an Körperkräften unterlegene Frau nachts und an einsamer Stelle von hinten angefallen, zu Boden gerissen, sich über sie hingekniet und mit einem Würgegriff am Hals erfasst, wobei er durch die Aufforderung, sich die Hose auszuziehen, keinen Zweifel über seine weiteren Absichten offen ließ und dann an ihr den außerehelichen Beischlaf vollzogen. Damit hat er aber ein Verhalten betätigt, das der Gerichtshof nach den im Übrigen gegebenen Umständen, namentlich aber im Hinblick darauf, dass sich die Unbekannte dem Angeklagten nicht weiter widersetzte, sondern ihm - wie gleichfalls festgestellt - unter flehentlichen Bitten um Schonung zu Willen war, mit Recht als Überwältigung durch gefährliche Bedrohung im Sinne des § 125 StG beurteilt.

Zu den dem Angeklagten in den Fällen Elfriede M***** und Margarethe Kr***** angelasteten strafbaren Handlungen bringt die Beschwerde unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 9a des § 281 StPO zunächst vor, dass bei richtiger rechtlicher Beurteilung nicht strafbarer Versuch, sondern bloß straflose Vorbereitungshandlungen vorlägen, weil nicht einmal die beiden Frauen erkannt hätten, worauf der Angeklagte in Wahrheit hinaus wollte.

Die Rüge ist nicht im Recht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu dieser Frage liegt der Versuch eines Verbrechens vor, wenn die auf den strafgesetzwidrigen Erfolg gerichtete Absicht des Täters eine in seinem äußeren Verhalten klar erkennbare Darstellung gefunden hat, wobei es nicht auf die größere oder geringere Entfernung der Handlung von dem strafgesetzwidrigen Ziel oder auf die Herstellung einer größeren oder geringeren Anzahl von Bedingungen zur Erreichung dieses Zieles ankommt (vgl EvBl 1948 Nr 672 und 821, SSt XX/58, SSt XXI/l03 uva). Entscheidend ist daher, dass das Verhalten zu einer wirklichen Ausübung der Tat hinführt und der Vorsatz sich bereits im äußeren Tun manifestiert.

Dies trifft aber in beiden Fällen (2 a) und b) des Urteilssatzes) zu. Denn das vom Gerichtshof festgestellte Verhalten des Angeklagten - plötzliches Anspringen der Zeugin Elfriede M***** und Umfassen ihres Halses, Anschlagen einer Pistolenattrappe auf Margarethe Kr***** mit der Aufforderung, den Weg in eine Gartenanlage einzuschlagen, verbunden mit der Drohung, dass er sonst schießen werde lässt namentlich durch die durch Zeit, Ort und Gegenstand des Angriffs bestimmten äußeren Gegebenheiten keine andere Deutung zu, als dass damit ein Tun des Angeklagten manifest wurde, das sich, und zwar wie dieser selbst eingestand, in bereits erprobter Weise bis zur Überwältigung der Frauen und deren geschlechtlichen Missbrauch durch Ausübung des außerehelichen Beischlafs fortsetzen sollte. Damit wurde aber die Grenze der straflosen Vorbereitungshandlung vom Angeklagten bei weitem überschritten und jeweils eine zur wirklichen Ausübung der Notzucht führende Handlung unternommen. Der rechtlichen Beurteilung eines solchen Verhaltens als strafbarer Versuch haftet demnach kein Rechtsirrtum an.

Auch soweit die Beschwerde in Verbindung mit dem eben besprochenen Einwand des weiteren geltend macht, es handle sich in beiden Fällen um einen untauglichen Versuch, weil der vom Angeklagten angestrebte Erfolg mit den von ihm angewandten Mitteln überhaupt nicht herbeigeführt werden könne, ist sie nicht im Recht. Denn die Strafbarkeit solcher fehlgeschlagener Versuche wäre nur dann ausgeschlossen, wenn sie mit Mitteln unternommen worden wären, die unter keinen Umständen die beabsichtigte Wirkung herbeizuführen vermöchten (EvBl 1954 Nr 253).

Davon kann aber hier keine Rede sein, weil die Erfahrung lehrt, dass körperliche Attacken der vom Angeklagten geübten Art, nicht minder aber auch die entsprechende Verwendung einer schusswaffenähnlichen Attrappe, namentlich zur Nachtzeit und unter Ausnützung des Überraschungsmoments, unter ähnlichen wie in den gegebenen Fällen vorliegenden Verhältnissen immer wieder zur Überwältigung von Frauen und anschließend auch zum geschlechtlichen Missbrauch durch Ausübung des außerehelichen Beischlafs führen. Der Umstand, dass der Angeklagte schließlich nicht zum Ziele gelangte, weil ihn die Frauen mit Erfolg abwehrten, besagt aber nichts anderes, als dass es sich in den vorliegenden Fällen eben nur um eine rechtlich bedeutungslose Untauglichkeit der Mittel in concreto handelt, deren erfolglose Anwendung den Versuch nicht straflos machen.

Zum Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 StPO bringt die Beschwerde vor, dass bei richtiger rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhalts die dem Angeklagten angelasteten strafbaren Handlungen vom 3. 1. 1961 [1) des Urteilsspruchs] und vom 18. 1. 1961 [2 a) des Urteilsspruchs] den Bestimmungen des § 93 StG hätten unterstellt werden müssen, während die von ihm am 25. 1. 1961 verübte Tat [2 b) des Urteilsspruchs] - richtig beurteilt - den Tatbestand des § 99 StG erfülle.

Diese Rechtsrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil die Beschwerde nicht, was Voraussetzung für die Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitegrundes wäre, von den Urteilsfeststellungen ausgeht, denen zufolge der Angeklagte in allen ihm angelasteten Fällen in der Absicht handelte, seine Opfer durch gefährliche Bedrohung zu überwältigen, um sie dann - was im Falle der unbekannten Frauensperson auch geschah - zum außerehelichen Beischlaf zu missbrauchen; sie stützt sich vielmehr auf die willkürliches dem Urteil fremde Annahme, der Angeklagte habe ja den beiden ersten Fällen lediglich die persönliche Freiheit der betroffenen Frauen einschränken wollen, im Falle Margarethe Kr***** aber in der Absicht, diese gefährlich zu bedrohen, gehandelt.

Es war daher, da keiner der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe gegeben ist, die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Nikolaus K***** zu verwerfen.

Der Angeklagte hat die Berufung fristgerecht angemeldet, sie jedoch weder ausgeführt, noch bei der Anmeldung die Umstände, die die Berufung begründen sollen, bestimmt angegeben, weshalb auf diese gemäß dem § 294 (2) StPO keine Rücksicht zu nehmen war.

Im Übrigen wäre eine gegen das Strafausmaß gerichtete Berufung des Angeklagten, auch wenn sie ausgeführt worden wäre, gemäß dem § 283 (1) StPO zurückzuweisen gewesen, da die vom Erstgericht gemäß dem § 126 StG unter Anwendung des § 265a StPO über den Angeklagten verhängte Strafe des schweren Kerkers in der Dauer von 2 1/2 Jahren die Hälfte des gesetzlichen Mindestmaßes nicht übersteigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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