8Os127/61 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 1961 unter dem Vorsitze des Rates des Obersten Gerichtshofs Dr. Prinz, in Gegenwart der Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Heidrich, Dr. Mayer, Dr. Bröll und Dr. Möller als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Oberhammer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johann D***** wegen des Vergehens nach dem § 1 Abs 2 des Unterhaltsschutzgesetzes 1960 über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Jugendschöffengericht vom 11. Jänner 1961, GZ 24 Vr 1276/60 18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Rates des Obersten Gerichtshofs Dr. Bröll, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Lotheissen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Linz verwiesen.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Johann D***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe seit dem 21. 3. 1958 in S***** und anderen Orten Österreichs, nachdem er innerhalb der letzten 3 Jahre vor der Tat schon einmal wegen Verletzung der Unterhaltspflicht bestraft worden war, durch gröbliche Verletzung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht bewirkt, dass der Unterhalt des unterhaltsberechtigten mj Johann D***** ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre, und er habe hiedurch das Vergehen nach § 1 Abs 2 Unterhaltsschutzgesetz 1960 begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Dieser Anklagevorwurf gründet sich auf den Umstand, dass der Angeklagte, dessen Ehe mit der Kindesmutter Margarete D***** seit 30. 11. 1950 geschieden ist, der ihm mit Beschluss des Bezirksgerichts Schladming vom 4. 8. 1951, P 50/50, auferlegten Verpflichtung zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 100 S für sein am 13. 8. 1946 geborenes eheliches Kind Johann D***** jun. nicht nachgekommen ist; weiters darauf, dass er wegen Verletzung dieser Unterhaltspflicht für den Tatzeitraum vom Herbst 1948 bis zum Jahre 1956 bereits mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 21. 3. 1958, 6 E Vr 399/58 43, der Übertretung nach § 1 USchG 1925 schuldig erkannt und hiefür sowie für andere Straftaten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war, deren Vollziehung das Gericht aber nach dem Gesetz über die bedingte Verurteilung 1949 für eine Probezeit von 3 Jahren vorläufig aufgeschoben hatte.
Konform den Annahmen der Anklage ging das Erstgericht davon aus, dass der Angeklagte auch in der nach seiner Verurteilung vom 21. 3. 1958 gelegenen Zeit bis Oktober 1960 Unterhaltsbeiträge für sein eheliches Kind nicht zahlte, welches Kind sich zunächst bei seiner mütterlichen Großmutter Ottilie G***** und später in einem Internat auf Kosten der Kindesmutter Margarete D***** in Pflege und Erziehung befand.
Das Erstgericht stellte hiezu, der von ihm als nicht widerlegt angesehenen Verantwortung des Angeklagten folgend, fest, dem Angeklagten sei seit der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft die Anschrift der Kindesmutter unbekannt gewesen; er habe im Jahre 1952 an Ottilie G***** geschrieben und darum ersucht, ihm „eine Bestätigung über seine Unterhaltsverpflichtung und gebotene Unterhaltsleistung“ zu übersenden, „da er diese bei der Bewerbung um die Arbeitslosenunterstützung benötige“; er habe auf dieses und ein gleichartiges, kurz darauf abgesendetes Schreiben aber keine Antwort erhalten und aus der Nichtbeantwortung geschlossen, dass „kein Interesse an einer Leistung von Unterhaltsbeiträgen seinerseits“ bestehe; aus diesem Grunde habe er eine Unterhaltsleistung unterlassen. Als er im Oktober 1960 aber schließlich die Anschrift der Kindesmutter erfahren habe, habe er als Teilzahlung für Rückstände 300 S und für laufende Unterhaltsbeiträge in der Folge weitere 200 S überwiesen. Aus der Erwägung heraus, dass in diesem Verhalten des Angeklagten eine „bewusst gröbliche Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht“ nicht erblickt werden könne, gelangte das Erstgericht sohin zum Freispruch.
Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft aus den Gründen der Z 5 und 9a des § 281 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde.
Als mangelhaft begründet im Sinne der Z 5 des § 281 StPO, bezeichnet die Beschwerde die Annahme des Erstgerichts, der Angeklagte sei der Meinung gewesen, keine Unterhaltsleistungen erbringen zu müssen, weil weder die Mutter noch die Großmutter des Kindes an seiner Unterhaltsleistung interessiert seien. Inhaltlich der zeugenschaftlichen Angaben der beiden Genannten (S 54, 56) habe der Angeklagte in seinen Schreiben nicht um eine Bestätigung seiner Unterhaltsverpflichtung und ihrer Höhe ersucht, wovon das Erstgericht ausgehe, sondern eine wahrheitswidrige Bestätigung darüber verlangt, dass er für das Kind monatlich 150 S tatsächlich bezahle; mit diesen Ergebnissen des Beweisverfahrens, welche die Nichtbeantwortung der Schreiben des Angeklagten in wesentlich anderem Lichte erscheinen ließen, habe sich das Erstgericht jedoch überhaupt nicht auseinandergesetzt. Die bekämpfte Annahme des Erstgerichts sei aber auch schon deshalb unschlüssig, weil der Angeklagte, der übrigens bei seiner Vernehmung vor der Polizei eine ganz andere Verantwortung vorgebracht habe, sich ohne weiteres an das Bezirksgericht Schladming um entsprechende Auskünfte hätte wenden können.
In Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 9a des § 281 StPO wirft die Beschwerde dem Erstgericht vor, rechtsirrig nicht berücksichtigt zu haben, dass der überdies durch gerichtliches Erkenntnis festgestellte Unterhaltsanspruch des Kindes unverzichtbar sei, weshalb den Angeklagten die Überzeugung, die Mutter und die Großmutter des Kindes sorgten ohnehin für dieses, nicht entschuldigen könnte; denn ohne diese „Hilfe von anderer Seite“ wäre durch das Verhalten des Angeklagten der Unterhalt des Kindes gefährdet gewesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist begründet.
Nach den erstrichterlichen Feststellungen kann nicht zweifelhaft sein, dass der Angeklagte objektiv seine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber seinem ehelichen Kinde jedenfalls gröblich verletzte,weil er in der Zeit von März 1958 bis September 1960 keinerlei Unterhaltsleistungen für dieses erbrachte, obwohl ihm nach dem Gesetze (§ 141 ABGB) die primäre Alimentationspflicht oblag, worüber überdies ein gerichtliches Erkenntnis ergangen war.
Das Erstgericht gründete dementsprechend den Freispruch auch nur auf den Mangel der inneren Tatseite zufolge eines dem Angeklagten unterlaufenen Irrtums über das Weiterbestehen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht. In diesem Zusammenhange verweist die Beschwerde der Staatsanwaltschaft jedoch zutreffend darauf, dass die Annahme eines solchen Irrtums des Angeklagten seitens des Erstgerichts mangelhaft begründet ist. Denn das Erstgericht stützte diese Feststellung nur auf die Verantwortung des Angeklagten und begnügte sich in Ansehung der Aussagen der Zeuginnen Ottilie G***** und Margarete D***** mit dem Hinweis, diese Zeuginnen hätten „zugegeben“, dass sie das Schreiben des Angeklagten vom Jahre 1952 - möglicherweise auch noch andere Schreiben - „unkluger Weise unbeantwortet ließen“; da diese beiden Zeuginnen darüber hinaus jedoch ausdrücklich (S 54/63, 56/64) angegeben haben, der Angeklagte habe eine tatsachenwidrige Bestätigung verlangt, hätte sich das Erstgericht auch mit diesem Ergebnis des Beweisverfahrens auseinandersetzen müssen, wollte es sich nicht dem Vorwurf der Mangelhaftigkeit im Sinne des § 281 Z 5 StPO aussetzen; denn aus der Tatsache der Nichtbeantwortung schriftlicher Ersuchen um eine Bestätigung von in Wahrheit gar nicht erbrachten Unterhaltsleistungen einen Verzicht auf diese Unterhaltsleistungen schlechthin abzuleiten, wie es der Angeklagte behauptete, widerspräche schon an sich den Denkgesetzen; das Erstgericht hätte daher darlegen müssen, warum es trotzdem die Behauptung des Angeklagten, einen solchen Schluss gezogen zu haben, für zutreffend angesehen hat» Davon abgesehen ist der Beschwerde auch insoferne beizupflichten, als sie sinngemäß im Zusammenhange ferner aufzeigt, das Erstgericht hätte sich auch mit der darin gelegenen Unschlüssigkeit einer solchen Behauptung des Angeklagten auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte sich ohne weiteres durch Anfrage beim Bezirksgericht Schladming, welches seinerzeit den Unterhaltsbeitrag festgesetzt hat, Gewissheit über das Fortbestehen oder Erlöschen seiner Unterhaltspflicht beschaffen und auch den Aufenthalt des Kindes und der Kindesmutter, um mit diesen unmittelbar in Kontakt zu treten, erfragen hätte können. Schließlich wäre das Erstgericht auch gehalten gewesen, darauf einzugehen, wieso der Angeklagte überhaupt dem von ihm behaupteten Irrtum hätte anheim fallen können, nachdem er doch mit Urteil vom 21. 3. 1958 wegen Verletzung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht für dieses Kind schuldig erkannt worden war, welcher Schuldspruch schon begrifflich das Weiterbestehen seiner Unterhaltspflicht über das Jahr 1952 hinaus voraussetzte, in welchem Jahr der Angeklagte die seinen angeblichen Irrtum auslösenden Schreiben abgesendet haben will. Nicht anders verhält es sich mit der Tatsache, dass der Angeklagte zu der in der vorliegenden Strafsache von Margarete D***** erstatteten Anzeige am 15. II. 1960 gehört wurde, ihm also damit zur Kenntnis gebracht wurde, dass sich Margarete D***** durch das Unterbleiben der Unterhaltsleistungen beschwert fühle, er aber auch in der Folge seine Haltung nicht änderte und bis zum Oktober 1960 nichts bezahlte.
Schon aus diesen Gründen (§ 281 Z 5 StPO) war, ohne dass es einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedurft hätte, das erstrichterliche Urteil aufzuheben und eine neue Hauptverhandlung anzuordnen.
Da die Annahme des Vergehens nach § 1 Abs 2 des USchG 1960 wegen Rückfalls die Verbüßung der über den rückfälligen Täter mit dem vorangegangenen Urteil verhängten Strafe voraussetzt (vgl EvB1 1961/Nr 35), die Vollziehung der über den Angeklagten mit Urteil vom 21. 3. 1958 verhängten Strafe jedoch für eine Probezeit aufgeschoben worden war, kommt vorliegend, wie auch die Beschwerde der Staatsanwaltschaft einräumt, nicht das Vergehen nach dem § 1 Abs 2 USchG 1960, sondern nur die Übertretung nach dem ersten Absatz dieses Paragraphen in Betracht. Die Strafsache war daher an das für das Verfahren wegen dieser Übertretung zuständige Bezirksgericht Linz zu verweisen (§§ 288 Abs 2 Z l und 3, 293 Abs l StPO).