8Os120/61 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Mai 1961 unter dem Vorsitz des Rates des Obersten Gerichtshofs Dr. Prinz, in Gegenwart der Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Heidrich, Dr. Mayer, Dr. Bröll, Dr. Möller als Richter, dann des Richteramtsanwärters Johann Kierner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Leopold B***** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach den §§ 171, 173, 176 Ib, 176 IIb, 179 StG über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Jänner 1961, GZ 1 a Vr 8024/60-38, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Rat des Obersten Gerichtshofs Dr. Möller, der Ausführungen des Verteidigers, Dr. Hugo Mifka, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Lotheissen, zu Recht erkannt:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß dem § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Anschließend hat der Oberste Gerichtshof nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Berufung des Angeklagten den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 2 1/2 Jahre schweren Kerker, verschärft durch ein hartes Lager vierteljährlich, herabgesetzt.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Leopold B***** des Verbrechens des Diebstahls nach den §§ 171, 173, 176 Ib, IIb, 179 StG schuldig erkannt.
Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte im Oktober 1960 in Wien bei der Firma „B*****“ als Kraftfahrer beschäftigt; er benützte diese Gelegenheit, seinem Arbeitgeber verschiedene Textilwaren, die er zum Versand bringen sollte, diebischerweise zu entziehen. Der Gesamtwert der gestohlenen Gegenstände betrug etwa 18.000 S.
Im Zusammenhang stellte das Erstgericht weiter fest, dass der Angeklagte vor Verübung dieser Diebstähle ua bereits zweimal des Diebstahls wegen bestraft worden ist. So war er mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 21. 3. 1956, GZ 1 d E Vr 1361/56-17, wegen des Verbrechens des Diebstahls zur Strafe des schweren und verschärften Kerkers in der Dauer von vier Monaten verurteilt worden; diese Strafe hatte er am 20. 6. 1956 verbüßt. Weiter war der Angeklagte mit Urteil desselben Gerichts vom 23. 9. 1960, GZ 1 a E Vr 5664/60-27, wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls und der Übertretung nach § 411 StG zur Strafe des schweren und verschärften Kerkers in der Dauer von abermals 4 Monaten verurteilt worden; auf diese Strafe war ihm die Vorhaft vom 30. 7. bis 23. 9. 1960 angerechnet worden. Dieses zuletztgenannte Urteil erwuchs zufolge Rechtsmittelverzichts sogleich in Rechtskraft.
Demgemäß sprach das Erstgericht den Angeklagten des Verbrechens des Diebstahls im Sinne der §§ 171, 173, 176 Ib, IIb, 179 StG schuldig.
Leopold B***** bekämpft dieses Urteil mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 StPO bringt die Beschwerde vor, die vom Erstgericht getroffenen und dem bekämpften Schuldspruch zugrundegelegten Feststellungen seien insofern mangelhaft begründet, als sich das Erstgericht insoweit nur „auf das mit den übrigen Beweisergebnissen übereinstimmende Geständnis des Angeklagten“ (S 189) berufe; diese „verschwommene Fassung“ der Urteilsgründe lasse nicht erkennen, aus welchen Gründen die festgestellten Tatsachen als erwiesen angenommen worden seien.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt Berechtigung nicht zu.
Die Beschwerdeausführungen lassen sowohl die Anführung bestimmter Tatsachenfeststellungen, welche dieses behaupteten Mangels halber mit den Verfahrensergebnissen nicht in Einklang zu bringen seien, als auch die Bezeichnung jener konkreten Umstände vermissen, die einen solchen Mangel nach Ansicht in der Beschwerde bewirkten. Ein sachliches Eingehen auf dieses Beschwerdevorbringen ist daher dem Obersten Gerichtshof verwehrt.
Dasselbe muss aber auch von der weiteren Beschwerdebehauptung gelten, es ließe die Beurkundung im Hauptverhandlungsprotokolle (S 183), „aus den Vorstrafakten werden die entsprechenden Feststellungen getroffen“, nicht deutlich erkennen, um welche Feststellungen es sich gehandelt habe. Auch hier unterlässt der Beschwerdeführer, aufzuzeigen, inwiefern dieser behauptete Mangel die vom Erstgericht festgestellten Tatsachen als mangelhaft begründet erscheinen ließe. Davon abgesehen, ist die aufgestellte Behauptung jedoch schon deshalb unverständlich, weil es sich - betrachtet man die von der Beschwerde herausgegriffene Stelle des Hauptverhandlungsprotokolls in ihrem Zusammenhang - ersichtlich nur um die Konstatierung der Vorstrafen des Angeklagten im Einzelnen handeln konnte.
Aus dem Grunde der Z 10 des § 281 StPO bezeichnet es die Beschwerde als rechtsirrig, die festgestellte Tathandlung des Angeklagten als Rückfallsdiebstah1 im Sinne des § 176 Ib StG zu beurteilen. Der Beschwerdeführer bringt hiezu vor, der gegenständliche Fall lasse Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Judikatur zu dieser Frage aufkommen, denn unter „verbüßt“ könne nur das „völlige Absitzen der Strafe“ verstanden werden. Eine Auslegung der Bestimmungen des § 176 Ib StG dahin, dass auch eine nur zum Teil - wie im gegebenen Fall nur zur Hälfte - verbüßte Vorstrafe wegen Diebstahls rückfallsbegründend wirken solle, stelle „einen gewissen Widerspruch“ dar.
Der Beschwerde kommt auch in diesem Punkt Berechtigung nicht zu.
Die Verbrechenseignung nach dem § 176 Ib StG ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und nach herrschender Lehre auch dann anzunehmen, wenn der Täter zweimal wegen Diebstahls Strafen verbüßt hat und eine der Strafen auch nur teilweise vollzogen wurde. Der Täter ist "gestraft" im Sinne der bezeichneten Gesetzesstelle auch, wenn er das Strafübel nur zum Teil empfunden hat (vgl SSt III/31, X/15, XIX/86; EvBl 1947, Nr 845, 1951, Nr 232 uam). Hiebei genügt es aber auch, wenn die bloß teilweise Verbüßung durch Anrechnung der Vorhaft erfolgte (vgl SSt III/31 uam; Nowakowski , S l72). In diesem Falle ist nur zu beachten, dass die Rückfallsfrist unabhängig vom tatsächlichen Haftzeitpunkt mit Rechtskraft des Urteils zu laufen beginnt. Eine andere, den gegenständlichen Fall jedoch nicht berührende Tatsache ist es, dass die bloße gesetzliche Fiktion des „Als-verbüßt-Geltens“ das Postulat der Strafverbüßung nicht erfüllt (vgl EvBl 1946, Nr 502; SSt XIX/76).
Durch die Bestimmung des § 176 Ib StG soll die besondere Beharrlichkeit des verbrecherischen Willens getroffen werden, die der Täter dadurch bekundet, dass er einen Diebstahl verübt, obwohl er diebstahlshalber bereits zweimal gestraft worden ist. Er gibt damit zu erkennen, dass die bereits von ihm erlittenen Strafübel bei ihm wirkungslos geblieben sind. Ob der Täter das Strafübel aber ganz oder nur zum Teil empfunden hat, kann bei dieser Betrachtung schon deshalb nicht entscheidend sein, weil das Gesetz in diesem Zusammenhang dem Ausmaß der Strafe schlechthin keine Bedeutung beimisst. Auch wäre eine Begünstigung des Täters, der vorzeitig aus der Haft entlassen wurde oder aus ihr geflüchtet ist, rechtspolitisch nicht am Platze.
Im gegebenen Falle war der Angeklagte vor der gegenständlichen Diebstahlstat bereits zweimal des Diebstahls schuldig erkannt und zu einer Strafe verurteilt worden. Er hatte die erste dieser Diebstahlsstrafen zur Gänze verbüßt und die zweite durch Anrechnung der Vorhaft nahezu zur Hälfte. Der Angeklagte hatte somit vor Verübung des neuerlichen Diebstahls bereits zweimal eines Diebstahls wegen das Strafübel verspürt. Nach dem Gesagten lagen daher in Ansehung des Angeklagten alle Voraussetzungen zur Unterstellung seiner Handlungsweise auch unter die Bestimmungen des § 176 Ib StG vor. Das Erstgericht konnte den Angeklagten demnach zutreffend in diesem Sinne des Verbrechens des Diebstahls schuldig erkennen.
Die in allen Punkten unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Der Angeklagte wurde vom Erstgericht nach dem § 179 StG unter Anwendung des § 265a StPO zur Strafe des schweren Kerkers in der Dauer von 3 Jahren, verschärft durch ein hartes Lager zweimonatlich, verurteilt. Bei der Strafbemessung war mildernd die Tatsache, dass die gestohlenen Waren wieder an die Bestohlenen zurückgelangt sind, somit kein Schaden entstanden ist und das Geständnis des Angeklagten; erschwerend die dreifache Qualifikation, die Wiederholung der Straftat und der rasche Rückfall, noch dazu innerhalb der Zeit eines gewährten Strafaufschubs und die Vorstrafe nach dem § 461 StG.
Der Angeklagte strebt eine seinem Verschulden entsprechende Herabsetzung der Strafe an, indem er vorbringt, dass ihm auch die Notlage infolge der vorangegangenen Ehescheidung als mildernd zuzurechnen wäre und die über ihn verhängte Strafe unter den gegebenen Gesamtumständen viel zu hoch sei.
Die Berufung ist begründet.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zwar vollständig angeführt; von einer Notlage kann entgegen der Auffassung des Angeklagten keine Rede sein, zumal er doch als Chauffeur bei der derzeitigen Konjunkturlage gute Berufs- und Einkommenschancen hatte. Die durch die Scheidung eventuell geschaffene finanzielle Notlage des Angeklagten kann ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Jedoch erschien dem Obersten Gerichtshof bei richtiger Würdigung der gegebenen Strafzumessungsgründe und bei Berücksichtigung der in der Hauptverhandlung gezeigten Schuldeinsicht (S 178) eine 2 1/2 jährige Freiheitsstrafe angemessen, weshalb der Berufung Folge gegeben werden konnte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.