8Os118/61 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. April 1961 unter dem Vorsitz des Rates des Obersten Gerichtshofs Dr. Prinz, in Gegenwart der Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Heidrich, Dr. Mayer, Dr. Bröll und Dr. Möller als Richter sowie des Richteramtsanwärters Johann Kierner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günther W***** wegen des Verbrechens des Raubes nach den §§ 190, 192, 194 StG und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 28. Jänner 1952, GZ 8 Vr 1949/51-22, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Rat des Obersten Gerichtshofs Dr. Bröll, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Ersten Staatsanwalts Dr. Voglauer, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 28. 1. 1952, GZ 8 Vr 1949/51-22, mit dem der am 26. 12. 1933 geborene Angeklagte Günther W***** des Verbrechens des Raubes nach den §§ 190, 192, 194 StG, des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit durch unbefugte Einschränkung der persönlichen Freiheit eines Menschen nach dem § 93 StG, des Verbrechens der Vorschubleistung nach dem § 217 StG, des Verbrechens des Diebstahls nach den §§ 171, 173 StG, der Übertretung des Betrugs nach § 461/197 StG und der Übertretung der boshaften Beschädigung fremden Eigentums nach dem § 468 StG schuldig erkannt, gemäß den § 194 StG, § 12 JGG unter Anwendung der §§ 34, 35 StG, § 11 JGG und § 265a StPO zur Strafe des strengen Arrestes in der Dauer von mindestens 2 Jahren und von höchstens 4 Jahren, gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und nach dem § 369 StPO zur Zahlung von 768 S an Edith S***** und von 107 DM an Martha H***** verurteilt wurde und mit dem der Privatbeteiligte P***** gemäß dem § 366 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen und nach dem § 55a StG die Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom 21. 9. 1951 bis zum 28. 1. 1952 auf die Strafe angerechnet wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 12 Abs 1 JGG.
Dieses Urteil, das in seinem Schuldspruch unberührt bleibt, wird im Ausspruch über die Strafe aufgehoben und es wird gemäß dem § 292 StPO die Strafe nach den § 194 StG, § 11 Abs 1 Z 1 und 2 JGG unter Anwendung der §§ 34, 35 StG, § 265a StPO mit drei (3) Jahren strengem Arrest neu bemessen.
Demzufolge wird der Beschluss der Strafvollzugsbehörde beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 5. 4. 1956, GZ 8 Vr 1949/51-33, mit dem die bedingte Entlassung des Verurteilten Günther W***** gemäß dem § 14 Abs 3 des Gesetzes über die bedingte Verurteilung 1949 widerrufen und die Vollziehung des noch nicht verbüßten Strafrestes angeordnet wurde, in seinem diese Vollziehung anordnenden Ausspruch insoweit aufgehoben, als das mit dem Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 28. 1. 1952 bestimmte Strafhöchstmaß die nunmehr neu bemessene Strafe übersteigt.
Die Aussprüche über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens nach dem § 389 StPO über die Ansprüche der Privatbeteiligten nach den §§ 366, 369 StPO sowie über die Anrechnung der Verwahrungs- und Untersuchungshaft nach dem § 55a StG werden aus dem erstgerichtlichen Urteil übernommen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 28. 1. 1952, GZ 8 Vr 1949/51-22, wurde der am 26. 12. 1933 geborene Angeklagte Günther W***** des Verbrechens des Raubes nach den §§ 190, 192, 194 StG, des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit durch unbefugte Einschränkung der persönlichen Freiheit eines Menschen nach § 93 StG, des Verbrechens der Vorschubleistung nach dem § 217 StG, des Verbrechens des Diebstahls nach den §§ 171, 173 StG, der Übertretung des Betrugs nach § 461/197 StG. und der Übertretung der boshaften Beschädigung fremden Eigentums nach dem § 468 StG schuldig erkannt.
Er wurde hiefür nach den § 194 StG und § 12 JGG unter Anwendung der §§ 34, 35 StG, § 11 JGG und 265a StPO zur Strafe des strengen Arrestes in der Dauer von mindestens zwei Jahren und von höchstens vier Jahren, gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und gemäß dem § 369 StPO zur Zahlung von 768 S an Edith S***** und von 107 DM an Martha H***** verurteilt. Der Privatbeteiligte P***** wurde gemäß dem § 366 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Gemäß dem § 55a StG wurde die Verwahrungs- und Untersuchungshaft vom 21. 9. 1951 bis 28. 1. 1952 auf die Strafe angerechnet.
Nachdem der Verurteilte von der über ihn verhängten Strafe unter Berücksichtigung der Vorhaft zwei Jahre und drei Tage verbüßt hatte, wurde er am 24. 9. 1953 gemäß dem § 41 Abs 3 JGG in Verbindung mit § 12 des Gesetzes über die bedingte Verurteilung 1949 zur Probe entlassen. Das Ende der Probezeit wurde mit 24. 9. 1956 festgesetzt.
Mit dem Beschluss der Strafvollzugsbehörde beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 5. 4. 1956 wurde die bedingte Entlassung widerrufen und die Vollziehung des Strafrestes in der Dauer von 1 Jahr, 11 Monaten und 28 Tagen angeordnet, da der bedingt Entlassene wegen während der Probezeit begangener strafbarer Handlungen mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 3. 1. 1956, AZ 14 Vr 2138/55, des Verbrechens des Diebstahls sowie der Übertretung des Betrugs schuldig erkannt und hiefür zu fünf Jahren schweren Kerkers rechtskräftig verurteilt worden war. Günther W***** verbüßt derzeit diesen Strafrest.
Der Strafausspruch des eingangs angeführten Urteils des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Gemäß dem § 12 Abs 1 JGG kann das Gericht, wenn gegen einen Jugendlichen auf eine längere Freiheitsstrafe zu erkennen wäre und sich die zur Wandlung seiner Gemütsart und zur Überwindung seiner schädlichen Neigungen erforderliche Strafdauer nicht einmal annäherungsweise vorher bestimmen lässt, anordnen, dass die Strafe innerhalb eines zu bestimmenden Mindest- und Höchstmaßes so lange zu dauern habe, bis der Strafzweck erreicht ist. Das Mindest- und das Höchstmaß dürfen den durch das außerordentliche Milderungsrecht erweiterten gesetzlichen Strafrahmen nicht überschreiten. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (SSt XX/8, 8 Os 28/59 ua) ergibt sich hieraus, dass diese Bestimmung nur anwendbar ist, wenn der Angeklagte auch zur Zeit der Urteilsfällung noch Jugendlicher ist, also das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Dies trifft aber im vorliegenden Falle nicht zu. Günther W***** ist am 26. 12. 1933 geboren. Er war zwar bei Begehung der ihm zur Last gelegten Straftaten, die er in der Zeit von Ende August 1951 bis Ende September 1951 verübte,und auch im Zeitpunkt der am 22. 9. 1951 erfolgten Einleitung des Strafverfahrens noch nicht 18 Jahre alt. Im Zeitpunkt der Urteilsfällung (28. 1. 1952) hatte er jedoch das 18. Lebensjahr bereits vollendet. Das erkennende Gericht durfte daher im Ausspruch über die Strafe die Bestimmung des § 12 Abs 1 JGG nicht anwenden und hat somit durch die Verhängung einer Rahmenstrafe das Gesetz in der Bestimmung des § 12 Abs 1 JGG verletzt.
Es war daher der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben und diese Gesetzesverletzung festzustellen. Da sich die Verletzung des Gesetzes zum Nachteil des Angeklagten auswirken konnte, weil das Gericht bei Festsetzung einer zeitlich bestimmten Strafe möglicherweise nicht auf ein Strafausmaß von vier Jahren strengen Arrestes erkannt hätte, der Angeklagte aber, bliebe es bei dem die Bestimmung des § 12 Abs 1 JGG verletzenden Strafausspruch, infolge des Widerrufs der bedingten Entlassung eine Strafe dieses Ausmaßes tatsächlich verbüßen müsste, war gemäß dem letzten Satz des § 292 StPO der Ausspruch über die Strafe aufzuheben und die Strafe neu zu bemessen.
Rechtliche Beurteilung
Bei der Bemessung der über den Angeklagten zu verhängenden Strafe war auf das in der StPO normierte Verbot der reformatio in peius Bedacht zu nehmen. Dabei kommt es aber, wie der Oberste Gerichtshof in der bereits erwähnten Entscheidung 8 Os 28/59 (insoweit veröffentlicht in ÖRZ 1959/S 88) ausgesprochen hat, nicht auf die Untergrenze der Rahmenstrafe an, sondern dieses Verbot wird, wenn an die Stelle einer unbestimmten Strafe eine bestimmte Strafe tritt, insolange nicht verletzt, als die bestimmte Strafe innerhalb des mit dem ersten Urteil festgesetzten Rahmens derart bemessen wird, dass auch danach die Möglichkeit der bedingten Entlassung des Verurteilten nach dem § 12 des Gesetzes über die bedingte Verurteilung 1949 zu demselben Zeitpunkt besteht wie bei der unbestimmten Verurteilung. Im vorliegenden Falle war eine bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Jahren, der Untergrenze der verhängten Rahmenstrafe, möglich; auf Grund der Bestimmung des § 12 des Gesetzes über die bedingte Verurteilung, die die bedingte Entlassung nach Verbüßung von 2/3 der Strafe gestattet, hätte die Möglichkeit der bedingten Entlassung nach einer Strafverbüßung von zwei Jahren bei Verhängung einer Strafe in der Dauer von drei Jahren bestanden. Bis zu dieser Höhe kann daher die Strafe ohne Verletzung des Verschlechterungsverbots bemessen werden.
Ausgehend von diesen Erwägungen hielt der Oberste Gerichtshof unter Übernahme der vom Erstgericht im Wesentlichen zutreffend angeführten Strafzumessungsgründe und in Würdigung des Unrechtsgehalts der strafbaren Handlungen des Angeklagten sowie seiner Persönlichkeit eine Strafe des strengen Arrestes in der Dauer von drei Jahren für schuldangemessen.
Demgemäß war der Beschluss der Strafvollzugsbehörde vom 5. 4. 1956 über den Widerruf der bedingten Entlassung hinsichtlich der Anordnung der Vollziehung des Strafrestes insoweit aufzuheben, als das vom Erstgericht bestimmte Höchstmaß der Strafe die nunmehr vom Obersten Gerichtshof neu bemessene Strafe übersteigt.
Die auf die §§ 389, 366, 369 StPO, § 55a StG gestützten Aussprüche waren aus dem erstgerichtlichen Urteil zu übernehmen.