JudikaturOGH

5Ob426/60 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. November 1960

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Kisser als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tuba, Dr. Lachout, Dr. Graus und Dr. Greissinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marlies O*****, vertreten durch Dr. Erwin Messer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl L*****, vertreten durch Dr. Walter Nowak, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 8 Cg 475/59 (Streitwert: 24.000,- S s. A.) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 16. September 1960, GZ R 307/60-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Juli 1960, GZ 8 Cg 314/60-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil und das Urteil der ersten Instanz werden aufgehoben, die Sache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom 2. Mai 1960, 8 Cg 475/59-10, hat das Erstgericht die Klage auf Bezahlung des Betrages von S 24.000,-- der als Kaufpreis für die Lieferung von 6 Rotamintapperaten gefordert wurde, abgewiesen. Das Erstgericht stellte fest, dass zwischen den Streitteilen kein Kaufvertrag geschlossen worden sei, sondern ein Tauschvertrag, wonach die Rotamint-Apparate gegen 2 vom Beklagten zu liefernde Kegelbahnen geliefert werden sollten. Diesen Vertrag habe der Beklagte auch erfüllt und die Kegelbahnen geliefert. Der diesen Feststellungen entgegengesetzten Aussage des Vertreters H*****, wonach die Kegelbahnen von diesem Zeugen anlässlich einer zwischen ihm und dem Beklagten später stattgefundenen Unterredung zum kommissionsweisen Verkaufe übernommen worden sein sollen, schenkte das Gericht keinen Glauben. Überdies sah das Gericht auch die Aktivlegitimation der Klägerin als nicht gegeben an, weil es - auch hier im Gegensatz zu der Aussage des Zeugen H***** - nicht als erwiesen annahm, dass H***** das Geschäft für den Beklagten erkennbar als Vertreter der Klägerin abgeschlossen habe.

Dieses Urteil wurde von der Klägerin mit Berufung angefochten; diese Berufung ist noch nicht erledigt, weil das Berufungsverfahren gemäß § 545 Abs 1 ZPO unterbrochen wurde.

In der Wiederaufnahmsklage wird der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemacht und ausgeführt, dass bei der erwähnten zweiten Unterredung zwischen H***** und dem Beklagten im Herbst 1958 ein Zeuge Ludwig S***** zugegen gewesen sei. Von der Anwesenheit dieses zweiten Zeugen habe die Klägerin erst am 13. Mai 1960 von Rudolf H***** erfahren. Der Zeuge S***** könne bestätigten, dass anlässlich der Unterredung zwischen H***** und dem Beklagten im Herbst 1958 erstmalig von Kegelbahnen die Rede gewesen sei und dass H***** damals nicht für die Klägerin, sondern in eigener Person den kommissionsweisen Verkauf von Kegelbahnen für den Beklagten unternehmen wollte und sollte. Dies sei bei diesem Gespräch auch zum Ausdruck gekommen.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage mit der Begründung ab, es wäre der Klägerin schon bei der Beweistagsatzung vom 1. Dezember 1959, bei welcher der Zeuge Rudolf H***** eingehend vernommen wurde und bei der die Klägerin intervenierte, möglich gewesen, durch geeignete Fragestellung vom Zeugen H***** zu erfahren, welche Personen bei der Besprechung des Zeugen H***** mit dem Beklagten anwesend waren, und insbesondere zu erfahren, ob dabei auch Ludwig S***** anwesend war. Dadurch, dass die Klägerin es unterließ, durch Fragen an den Zeugen H***** zu ermitteln, ob und welche andere Personen bei der Besprechung zwischen H***** und dem Beklagten anwesend waren, habe sie selbst verschuldet, dass sie erst nach Fällung des Urteils im Vorprozess davon Kenntnis erlangte, es sei bei der Besprechung zwischen dem Beklagten mit H***** auch S***** anwesend gewesen. Abgesehen davon, sei der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO auch deshalb nicht gegeben, weil die Vernehmung des Zeugen S***** im Vorprozess nicht geeignet gewesen wäre, eine für die Klägerin günstigere Entscheidung herbeizuführen. Angesichts des Inhaltes der Beilage 2 und 3 im Vorprozess könne nicht angenommen werden, dass Rudolf H***** nicht für die Klägerin, sondern im eigenen Namen den kommissionsweisen Verkauf der ihm vom Beklagten übergebenen Kegelbahnen durchführen wollte und dass dies auch in dem Gespräch zwischen dem Beklagten und Rudolf H***** zum Ausdruck gekommen sei. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es vertrat gleich dem Erstgericht den Standpunkt, dass die Klage aus dem Grunde des § 530 Abs 2 ZPO abzuweisen sei und ließ die Frage, ob die Vernehmung des Zeugen S***** eine für die Klägerin günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeigeführt hätte, dahingestellt.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird von der Klägerin aus dem Revisionsgrunde des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrage auf Abänderung des Urteiles in dem Sinne, dass dem Wiederaufnahmsbegehren stattgegeben werde, angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet. Es liegt ein Feststellungsmangel vor, der die Aufhebung der Urteile der Untergerichte erforderlich macht. Der Wiederaufnahmskläger ist dafür beweispflichtig, dass er ohne sein Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen vor Schluss der Verhandlung, auf welche das Urteil erging, geltend zu machen (7 Ob 263/57, 4 Ob 14/60 u. a.). Diesen Beweis hat die Klägerin angetreten, indem sie sich in der Wiederaufnahmsklage auf die Zeugen Rudolf H***** und Dkfm. Anton O***** dafür berief, dass ihr am 13. Mai 1960 Rudolf H***** erstmals davon Mitteilung gemacht habe, es sei bei der Unterredung im Herbst 1958 auch der Zeuge Ludwig S***** anwesend gewesen. Diese beiden Zeugen wären darüber zu vernehmen gewesen, ob Rudolf H*****, von dem die Klägerin ja ihre Information zur Klagserhebung bezogen haben muss, von der Klägerin eingehend und erschöpfend über alle für die Entscheidung über das Klagebegehren maßgebenden Umstände vor Schluss der Verhandlung in dem Prozess 8 Cg 475/59 befragt wurde. Wäre dies geschehen und hätte trotzdem Rudolf H***** der Klägerin nichts davon erzählt, dass bei der Unterredung im Herbst 1958 auch Ludwig S***** zugegen war, so könnte nicht davon gesprochen werden, dass die Klägerin ein Verschulden daran trifft, dass sie nicht schon vor Schluss der Verhandlung die Vernehmung des Zeugen S***** beantragt hat. Aus dem Umstande allein, dass der für die Klägerin bei der Beweistagsatzung vom 1. Dezember 1959 intervenierende Rechtsanwalt den Zeugen H***** nicht befragt hat, ob nicht vielleicht bei der Unterredung im Herbst 1958 ein weiterer Zeuge zugegen war, könnte ein Verschulden der Klägerin nicht erschlossen werden, weil nach dem Inhalt des Verhandlungspotokolles vom 1. 12. 1959, nach welchem der Zeuge H***** angegeben hat, er sei zum Beklagten gegangen, nicht anzunehmen war, dass er in Begleitung eines weiteren Zeugen zum Beklagten gegangen ist oder dass außer dem Beklagten, dessen Gattin und Angestellten noch ein weiterer Zeuge bei dem Gespräch anwesend war.

Würde demnach die Vernehmung der Zeugen H***** und Dkfm. Anton O***** das Ergebnis bringen, dass aus dem Grunde des § 530 Abs 2 ZPO die Wiederaufnahmsklage nicht abgewiesen werden kann, dann müsste vor Entscheidung der Frage, ob der Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gegeben ist, der Zeuge Ludwig S***** vernommen werden, weil zur Bewilligung der Wiederaufnahmeklage schon genügen würde, dass die Vernehmung dieses Zeugen ein für die Klägerin günstigeres Ergebnis bringen könnte; der Inhalt der Beilagen 2 und 3 ist nicht so eindeutig, dass die Möglichkeit von vornherein auszuschließen wäre, wenn die Aussage des Zeugen S***** so lauten würde, wie dies in der Wiederaufnahmsklage behauptet werde. In diesem Fall könnte nämlich das Erstgericht auch zu einer anderen Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen H***** überhaupt und damit auch zu einer anderen Entscheidung in der Frage der Aktivlegitimation kommen, da sich auch die Entscheidung über die Aktivlegitimation auf Feststellungen gründet, die mit der Aussage des Zeugen H***** im Widerspruch stehen, welchem das Erstgericht die Glaubwürdigkeit versagt hatte. Das wurde aber bereits für die Bewilligung der Wiederaufnahme ausreichen. Erst in dem wiederaufgenommenen Prozess wäre darüber zu entscheiden, ob das Gericht in Anbetracht der Urkunden Beilagen 2 und 3 und der anderen Beweisergebnisse auch der vom Zeugen S***** bestätigten Aussage des Zeugen H***** keinen Glauben schenkt oder ob es nun im Hinblick auf die Aussage des Zeugen S***** zu einer anderen Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen H***** und damit zu anderen Feststellungen gelangt.

Da demnach eine Ergänzung des Verfahrens zum Zwecke der Schaffung der Grundlagen für die Entscheidung nicht zu vermeiden ist, waren die Urteile beider Untergerichte aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rückverweise