JudikaturOGH

4Ob542/60 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. November 1960

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Stanzl, Dr. Machek, Dr. Bachofner und Dr. Nedjela als Richter in der Rechtssache der klagenden Partie Rosa Z*****, Liegenschaftseigentümerin, *****, vertreten durch Dr. Otto Schuster, Rechtsanwalt in Gloggnitz, wider die beklagte Partei Johanna Z*****, Gastwirtin, *****, vertreten durch Dr. Hans Posch, Rechtsanwalt in Gloggnitz, wegen Räumung eines Bauwerkes (Streitwert 5.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 28. September 1960, GZ R 407/60-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gloggnitz vom 29. Juli 1960, GZ C 655/59-7, abgeändert wurde in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Untergerichte werden aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich Prozesskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Grundstücke 1085/6 Wiese und 357 Baufläche Haus C. Nr. 335 der Katastralgemeinde P***** zu räumen und geräumt von ihrer Habe der Klägerin zu übergeben. Sie behauptet, dass der von ihrem Vater Franz Z***** vor dem zweiten Weltkrieg mit einem gewissen Franz Z*****, dem damaligen Lebensgefährten der Beklagten, geschlossene Pachtvertrag durch den Wegzug des Franz Z***** im Jahre 1942 erloschen sei. Der Beklagten stehe daher kein Rechtstitel zur Benützung der genannten Grundstücke zu. Pachtrechte der Beklagten seien niemals anerkannt, von ihr ein Pachtzins niemals angenommen worden.

Die Beklagte wendete ein, dass bei Wegzug des Franz Z***** im Jahre 1942 die damalige Grundeigentümerin Franziska Z***** der Übertragung der Pachtrechte des Franz Z***** an sie ausdrücklich zugestimmt habe. Zumindest liege eine stillschweigende Zustimmung zur Übertragung der Pachtrechte vor.

Das Erstgericht ist von folgenden Sachverhalt - ohne dass dieser außer Streit gestellt oder festgestellt worden wäre - ausgegangen:

Die Ehegatten Franz und Franziska Z***** waren Eigentümer des Grundstückes 1085/6 Wiese. Auf diesem Grundstück befand sich seinerzeit ein Teich. In der Folge wurde der Gutsbestand auf die Grundstücke 1085/6 Wiese und 357 Baufläche C. Nr. 335 abgeändert. Im Pachtvertrag vom 9. 9. 1931 verpachtete Franz Z***** dem Franz Z***** diese Wiese mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1932 bis zum Jahre 1952. Franz Z***** errichtete im Jahre 1938 zunächst eine Wärmestube, und zwar mit Zustimmung des Eigentümers Franz Z*****, im Jahre 1938 ebenfalls mit Zustimmung des Franz Z***** weitere Gebäude, in welchen nunmehr ein Gasthaus betrieben wurde. Franz Z***** lebte seit 1920 mit der Beklagten in Lebensgemeinschaft; sie führten auch das Gasthaus gemeinsam. Im Jahre 1942 ging Franz Z***** nach Neunkirchen und übertrug seine sämtlichen Rechte aus dem Pachtvertrag an die Beklagte. Diese betreibt das Gasthaus bis zum heutigen Tag. Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben und unter Vermengung von Feststellungen und rechtlicher Beurteilung ausgeführt:

Die Übertragung der Pachtrechte des Franz Z***** an seine Lebensgefährtin Johanna Z***** ist rechtlich durchaus möglich gewesen und die Beklagte in den Pachtvertrag eingetreten. Wenn auch die Zeugen Anton Z***** und Anna Z***** angeben, dass sie dem Eintritt der Johanna Z***** nicht zustimmten, so ist doch eine solche stillschweigende Zustimmung anzunehmen, da nach dem Jahr 1942 zunächst Jahre hindurch nichts gegen die Benützung des Pachtobjektes unternommen worden ist. Die Annahme des Pachtzinses ist erst im Jahre 1944 verweigert worden, seit welcher Zeit der Pachtzins hinterlegt wird. Der Pachtvertrag hat bis 1952 zu Recht bestanden, durch Unterlassung gerichtlicher Schritte hat er sich dann von Jahr zu Jahr stillschweigend verlängert. Durch die Einbringung der vorliegenden Räumungsklage am 14. Dezember 1959 hat jedoch die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie mit einer weiteren stillschweigenden Verlängerung des Pachtvertrages nicht mehr einverstanden ist, und hat dadurch den Ablauf des Pachtverhältnisses gemäß § 560 Abs 1 Punkt 2 c ZPO mit 30. Juni 1960 herbeigeführt. Da dieser Zeitpunkt bei Urteilsfällung bereits eingetreten war, war dem Klagebegehren stattzugeben.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten Folge gegeben und das Ersturteil auf Abweisung der Klage abgeändert. Richtig ist nach Ansicht des Berufungsgerichtes, dass eine stillschweigende Zustimmung zum Eintritt der Beklagten in das Pachtverhältnis deshalb anzunehmen sei, weil trotz verweigerter Zinsannahme bis zur Einbringung der Klage gegen die Benützung der Grundstücke durch die Beklagte nie etwas unternommen worden sei. Diese Feststellung sei schon wegen der Länge der seit dem Wegzug des Franz Z***** im Jahre 1942 verstrichenen Zeit unbedenklich und auch von der Klägerin nicht bekämpft worden. Auch der Rechtsansicht des Erstrichters, dass sich der Bestandvertrag durch Unterlassung gerichtlicher Schritte ab 1952 von Jahr zu Jahr stillschweigend verlängert habe, sei beizustimmen. Dennoch aber sei das Klagebegehren abzuweisen, da die Klage nur darauf gestützt wurde, dass der Beklagten ein Rechtstitel zur Benützung der Liegenschaft fehle. Wenn sich die Unrichtigkeit dieser Klagebehauptung ergebe, könne dem Klagebegehren nicht aus einem ganz anderen Grund, der von der Klägerin nicht geltend gemacht worden sei, stattgegeben werden. Im Übrigen sei es offensichtlich reiner Zufall, dass das Verfahren in erster Instanz über den 30. Juni 1960 hinaus gedauert habe. Wenn der Bestandvertrag auf die fest bestimmte Zeit bis 1952 abgeschlossen worden war und dann jeweils wieder auf die fest bestimmte Zeit eines Jahres verlängert wurde, habe die Klägerin einer nochmaligen Verlängerung auf ein weiteres Jahr ab 1. 7. 1960 durch einen Übergabsauftrag nach § 567 ZPO vorbeugen können. Das Gesetz biete aber keine Handhabe dafür, dass die feste einjährige Vertragszeit durch eine zwischenzeitige Kündigung auf die Hälfte verkürzt werde. Für den vorliegenden Fall könnte daher nicht, wie der Erstrichter wollen § 560 Abs 1 Z 2, sondern nur § 560 Abs 1 Z 1 ZPO für eine der stillschweigenden Erneuerung des Vertrages vorbeugende Kündigung zum 31. 12. 1961 in Betracht kommen. Bei Richtigkeit der Rechtsansicht des Erstgerichtes hätte übrigens dessen Urteil aufgehoben werden müssen, weil in erster Instanz nicht erörtert worden sei, ob nicht § 23 MietG anzuwenden sei und weil das Klagebegehren undeutlich sei. Das Begehren lasse nämlich nicht erkennen, ob die Beklagte die Grundstücke freizumachen oder die derzeit auf ihnen stehenden Gebäude stehenzulassen habe. Gegen das Urteil der zweiten Instanz richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Gründen der Z 3 und 4 des § 503 ZPO mit dem Antrag, das Ersturteil wieder herzustellen. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet.

Die Beklagte hat behauptet, dass nach Wegzug des Franz Z***** im Jahre 1942 das Pachtverhältnis einvernehmlich mit ihr fortgesetzt wurde. Sie hat für diese Behauptung Beweise Angebote, die auch aufgenommen wurden, doch hat das Erstgericht zu dieser Behauptung keine Feststellung getroffen.

Den Urteilen der Untergerichte ist aber zu entnehmen, dass sie eine stillschweigende Zustimmung der damaligen Liegenschaftseigentümerin Franziska Z***** zum Übergang der Bestandrechte des Franz Z***** auf die Beklagte annehmen. Die stillschweigende Zustimmung zum Übergang der Pachtrechte wird daraus abgeleitet, dass erst im Jahre 1944, also zwei Jahre nach dem Wegzug des Z*****, die Annahme des Pachtzinses verweigert und durch 18 Jahre die Räumung der Liegenschaft gerichtlich nicht verlangt wurde. Die Feststellung des Erstgerichtes, dass erst im Jahre 1944 die Annahme des Pachtzinses verweigert wurde, ist aktenwidrig. Die Beklagte hat zwar das erste Mal am 7. 2. 1944 zu 1 Nc 210/58 (früher HL 1/44) des Bezirksgerichtes Gloggnitz den Pachtzins auf § 1425 ABGB erlegt, im Erlagsantrag aber ausdrücklich erklärt, dass Franziska Z*****, die damalige Eigentümerin, schon seit 1942 die Annahme des Pachtzinses verweigere, obwohl sie sich mit dem der Übertragung der Patentrechte an die Beklagte einverstanden erklärt hatte. Warum trotz angeblicher Zustimmung der (3 Wörter ??) Übertragung der Patentrechte an die Beklagte die Annahme des angeblichen vereinbarten Pachtzinses verweigert wurde, ergibt sich weder aus dem Hinterlegungsakt, noch lässt diesbezüglich eine Feststellung zu. Der konsequenten Verweigerung der Annahme eines Pachtzinses steht allerdings die unbestritten gebliebene Tatsache entgegen, dass gegen die Beklagte bis zum 14. Dezember 1959 keine gerichtlichen Schritte auf Räumung unternommen wurden. Ob eine stillschweigende Zustimmung der jeweiligen Grundeigentümer zum Übergang der Bestandrechte des Franz Z***** auf die Beklagte vorliegt oder nicht, kann aber erst nach sorgfältiger Feststellung des G e s a m t v e r h a l t e n s der jeweiligen Grundeigentümer und der Beklagten seit 1942 beurteilt werden, weil eine stillschweigende Zustimmung nach § 863 ABGB nur anzunehmen ist, wenn mit Überlegung a l l e r Umstände kein vernünftiger Grund vorliegt, an der stillschweigenden Zustimmung zu zweifeln. Das Erstgericht wird daher zunächst zu prüfen haben, ob der Behauptung der Beklagten gemäß festgestellt werden kann, dass Franziska Z***** eingewilligt hat, dass sie in die Pachtrechte des Franz Z***** eintritt. Erst wenn diese Behauptung nicht erweislich sein sollte, wird das Erstgericht nach Feststellung des Gesamtverhaltens der jeweiligen Grundeigentümer und der Beklagten seit 1942 dieses Gesamtverhalten dahin rechtlich zu würdigen haben, ob darin eine stillschweigende Zustimmung zum Übergang der Pachtrechte im Sinne des § 863 ABGB gelegen ist. Hiebei wird weder die Tatsache übergangen werden können, dass seit 1942 keine gerichtlichen Schritte gegen die Beklagte eingeleitet wurden, noch aber auch die Tatsache, dass seit 1942 stets die Annahme eines Bestandszinses verweigert wurde, noch auch der Grund der Annahme??? Auch der gesamte Inhalt der zur Verlesung gebrachten Beiakten, der in diesen Akten abgegebenen Erklärungen und der Aussagen der vernommenen Zeugen und Parteien wird zu beachten und zu würdigen sein. Sollte ein Übergang der Bestandrechte des Franz Z***** auf die Beklagte im Sinne dieser Ausführungen nicht vorliegen, die Beklagte daher über keinen Benützungstitel verfügen, wird dem Klagebegehren stattzugeben sein, weil das Begehren, so wie es gestellt ist, immerhin berechtigt wäre. Dass die Klägerin mehr anstrebt, als aus ihrem Klagebegehren hervorgeht, nämlich auch die Abtragung von Superädifikaten, kann dem jetzt vorliegenden Klagebegehren des im Sinne des § 7 EO nur Grundlage einer Exekutionsführung nach § 349 EO sein kann, nicht die Berechtigung nehmen.

Sollte ein Übergang der Pachtrechte des Franz Z***** auf die Beklagte anzunehmen sein, so kann eine Prüfung der Frage, ob nicht ein auf § 1 Abs 1 MietG geschützter Bestandvertrag vorliegt (vgl zB die Entscheidung vom 6. 2. 1957, 2 Ob 565/56, MietSlg. 5632) nicht unterbleiben, weil in einem solchen Fall auch die Bestimmung des § 23 MietG anzuwenden wäre, der Bestandvertrag daher nach Ablauf der Bestandzeit im Jahre 1952 als auf unbestimmte Zeit verlängert gelten würde und somit nur aus einem wichtigen Grund im Sinne des § 19 MietG durch gerichtliche Aufkündigung und nicht durch die vorliegende Räumungsklage aufgelöst werden könnte.

Sollte es sich aber nicht um die Miete von Geschäftsräumen im Sinne des § 1 Abs 1 MietG handeln und sollten daher die Schutzbestimmungen des Mietengesetzes nicht zur Anwendung kommen, so könnte in der vorliegenden Räumungsklage, die darauf gestützt wird, dass die Beklagte keinen Rechtstitel zur Benützung der Grundstücke hat, keine Erklärung der Klägerin nach § 1114 ABGB, sie wolle den Bestandvertrag nicht mehr stillschweigend erneuern, erblickt werden, weil letztere Erklärung das Vorliegen eines Bestandsvertrages voraussetzt, dessen Bestand aber von der Klägerin bestritten wird. Für den Fall, dass also eine ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung der Klägerin oder ihrer Rechtsvorgänger zum Übergang der Pachtrechte des Franz Z***** auf die Beklagte erwiesen würde, wäre die vorliegende Räumungsklage jedenfalls abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Rückverweise