3Ob424/60 – OGH Entscheidung
Kopf
SZ 33/124
Spruch
Eine Liegenschaft kann nur auf Antrag sämtlicher Miteigentümer freiwillig geschätzt werden.
Entscheidung vom 9. November 1960, 3 Ob 424/60.
I. Instanz: Bezirksgericht Feldkirch; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.
Text
Die Miteigentümer der Liegenschaft EZ. 59 KG. F., und zwar Karl B., Rudolf M. und Guido M. zu je 1/4 sowie Hans H. und Helga H. zu je 1/8, beantragten beim Erstgericht die freiwillige Schätzung dieser Liegenschaft. Mit Beschluß vom 12. Jänner 1960 wurde ein Baumeister zum Sachverständigen bestellt und der Akt dem Notar Dr. L. als Gerichtskommissär zur Durchführung der Schätzung übersendet.
Der Miteigentümer Rudolf M. teilte mit Schriftsatz vom 22. Juli 1960 dem Erstgericht mit, daß von den Miteigentümern Guido M., Hans H. und Helga H. als betreibenden Gläubigern gegen die Miteigentümer Rudolf M. und Karl B. als verpflichtete Parteien auf Grund des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch vom 28. März 1959 die Versteigerung der Liegenschaft EZ. 59 KG. F. beantragt und mit Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 5. Juli 1960 auch bereits bewilligt worden sei. Durch diesen Exekutionsantrag sei dem Verfahren wegen freiwilliger Schätzung der Liegenschaft der Boden entzogen, da über den Schätzwert nunmehr nicht im Außerstreitverfahren, sondern im Exekutionsverfahren zu entscheiden sein werde.
Hierauf bestimmte das Erstgericht mit Beschluß vom 5. August 1960 den Verkehrswert der Liegenschaft mit 1.150.000 S und begrundete dies mit dem als schlüssig bezeichneten Gutachten des Sachverständigen.
Dieser Beschluß wurde nur vom Miteigentümer Karl B. mit dem Rekursantrag bekämpft, den Verkehrswert der Liegenschaft mit 805.000 S zu bestimmen.
Das Rekursgericht hob aus Anlaß dieses Rekurses den erstgerichtlichen Beschluß auf und wies den Antrag der Miteigentümer Karl B., Guido M., Hans H. und Helga H. auf Schätzung der ganzen Liegenschaft ab. Die oben wiedergegebene Äußerung des Miteigentümers Rudolf M. vom 22. Juli 1960 könne nur als Zurückziehung seines ursprünglichen Antrages auf Schätzung der ganzen Liegenschaft aufgefaßt werden. Gemäß § 267 AußStrG. könne jeder Miteigentümer nur sein Eigentum, also ein Miteigentümer nur seinen Anteil, nicht aber die ganze Liegenschaft schätzen lassen.
Dieser Beschluß wurde nur vom Miteigentümer Rudolf M. mit Revisionsrekurs unter Stellung des Antrages angefochten, dem Rekurs des Antragstellers Karl B. nicht Folge zu geben oder den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung aufzutragen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Beschwerde des Rudolf M. geht zunächst dahin, daß die Erklärungen in seinem Schriftsatz vom 22. Juli 1960 nicht nach der materiellrechtlichen Vorschrift des § 863 ABGB. ausgelegt werden dürften. Das Rekursgericht hätte nur eine ausdrückliche Rückziehungserklärung beachten dürfen. Die abgegebenen Erklärungen enthielten aber auch keine stillschweigende Rückziehungserklärung.
Hiezu ist darauf zu verweisen, daß im Schriftsatz vom 22. Juli 1960 ausdrücklich die Erklärung enthalten ist, daß durch Exekutionsführung dreier Miteigentümer dem Verfahren wegen freiwilliger Schätzung der Liegenschaft der Boden entzogen sei, da nunmehr über den Schätzwert nicht im Außerstreitverfahren, sondern im Exekutionsverfahren zu entscheiden sein werde, daß der erlegte Sachverständigengebührenvorschuß von 440 S daher überflüssig geworden sei und der Antrag gestellt werde, den Vorschuß rückzuüberweisen. Weder der Wortlaut dieser Erklärung noch ihr objektiver Sinn, der auch bei Prozeßerklärungen zu prüfen und zu beachten ist (Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechts, 2. Aufl. S. 372), lassen einen Zweifel zu, daß Rudolf M. damit den von ihm gestellten Schätzungsantrag zurückgezogen hat. Zutreffend hat das Rekursgericht darauf verwiesen, daß gemäß § 267 AußStrG. jedermann nur sein Eigentum, also ein Liegenschaftsmiteigentümer nur seinen Miteigentumsanteil und nur alle Liegenschaftsmiteigentümer die ganze Liegenschaft schätzen lassen können (GlU. 2023). Da Rudolf M. seinen Schätzungsantrag noch vor der erstgerichtlichen Bestimmung des Schätzwertes der ganzen Liegenschaft zurückgezogen hat, wurde vom Rekursgericht der erstgerichtliche Beschluß auf Bestimmung des Schätzwertes der ganzen Liegenschaft mit Recht als gesetzwidrig aufgehoben, denn die gesetzliche Voraussetzung, nämlich ein Antrag aller Miteigentümer, lag nicht mehr vor.