4Ob114/60 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hohenecker als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster und Dr. Gitschthaler sowie die Beisitzer Dr. Goutard und Hala als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jakob W*****, Sägearbeiter, *****, vertreten durch Dr. Wolfram Erlacher, Linz, Volksgartenstraße 48, wider die beklagte Partei "H*****", Sägewerk und Holzindustrie Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Theodor Rauscher, Rechtsanwalt in Neuhofen an der Krems, dieser vertreten durch Dr. Rudolf Just, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wegen Feststellung (Streitwert: 1.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Berufungsgericht vom 25. Mai 1960, GZ 6 Cg 4/59-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Kirchdorf/Krems vom 27. Juli 1959, GZ Cr 11/59-16, soweit angefochten abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 227 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht hat die Beklagte zur Zahlung des Betrages von 2.908 S samt 4 % Zinsen verurteilt, das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 390 S sA und auf Feststellung, dass das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen nach wie vor zu Recht bestehe, abgewiesen. Infolge Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil in dieser Beziehung dahin ab, dass es im Sinne des Feststellungsbegehrens erkannte. Das Berufungsgericht kam auf Grund der von ihm selbst abgeführten Beweise zu einer anderen Würdigung des Sachverhalts als das Erstgericht und verneinte das Vorliegen eines Entlassungsgrundes.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Berufungsurteil von der Beklagten erhobene Revision wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache, deren Abweisung der Kläger beantragt, ist nicht begründet.
1.) Mangelhaft soll das Verfahren deshalb sein, weil das Berufungsgericht nicht das Ergebnis der gesamten Beweisführung verwertet habe. Entgegen der Feststellung des Erstgerichtes, dass der Kläger eine Tätigkeit zugunsten einer anderen Firma eingestanden habe, sei das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangt, dass dieser Entlassungsgrund nicht eindeutig und zweifelsfrei gegeben sei. Das Erstgericht stütze sich bei seiner Feststellung außer auf Zeugenaussagen hauptsächlich auf die Aktennotiz, Beilage ./3, während das Berufungsgericht in die Richtigkeit dieser von ihm selbst nicht verlesenen Urkunde Zweifel gesetzt und sich mit ihr nicht befasst habe. Nach Auffassung des Erstgerichtes sei nicht anzunehmen, dass Heinrich S***** absichtlich die in der Urkunde festgehaltene Äußerung verdreht und die Gesprächsteilnehmer zur Fertigung einer solchen falschen Aktennotiz genötigt habe. Dem Berufungsgerichte müsse vorgehalten werden, dass die Aktennotiz, Beilage ./3, eine private Urkunde im Sinne des § 294 ZPO darstelle, die den vollen Beweis dafür begründe, dass die in ihr enthaltene Erklärung von den Ausstellern, gegebenenfalls von den auf der Urkunde unterfertigten Zeugen herrühre. Der Kläger habe die Echtheit der Urkunde nicht bestritten. Durch das Zugeständnis der Echtheit der Urkunde sei zwar nur außer Streit gestellt, dass die Erklärung von den Ausstellern herrühre, doch werde "mit Berufung auf den äußeren Tatbestand" auch von der Geltung der in der Erklärung bezeugten Tatsache auszugehen sein. Einen Gegenbeweis in der Richtung, dass die unterfertigten Zeugen etwas Falsches bestätigt hätten, habe der Kläger nicht erbracht. Dadurch, dass es das Berufungsgericht unterlassen habe, sich mit der Aktennotiz, Beilage ./3, entsprechend zu befassen, sei eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache verhindert worden.
Dazu ist folgendes zu bemerken: Es ist zwar richtig, dass der Beweisbeschluss des Berufungsgerichtes die Aktennotiz, Beilage ./3, nicht umfasst, allein dazu bestand mit Rücksicht darauf, dass die Anfertigung der Aktennotiz als solcher und ihre Unterfertigung durch die vom Beklagten genannten Personen in der Berufung des Klägers gar nicht bestritten wurde, keine Veranlassung. Davon abgesehen, hat sich das Berufungsgericht entgegen der Behauptung der Revisionswerberin sowohl bei der Beweisaufnahme als auch im Urteil mit der Aktennotiz beschäftigt, wie der Inhalt des Protokolls über die mündliche Berufungsverhandlung und die Begründung des angefochtenen Urteils zeigen. Die Aktennotiz ist noch kein Beweis für die inhaltliche Richtigkeit dessen, was in ihr steht, sondern begründet vollen Beweis nur dafür, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern herrühren. Soweit die Revisionswerberin es unternimmt, den Beweiswert der Urkunde zu erörtern und die Wertung der Urkunde durch das Berufungsgericht zu kritisieren, greift sie in ganz unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes an. Dabei lässt sie unbeachtet, dass das Berufungsgericht zu seiner vom Erstgerichte abweichenden Beweiswürdigung nicht nur auf Grund der bereits vom Erstgericht erhobenen, sondern auch auf Grund erst im Berufungsverfahren durchgeführter Beweise gelangte. Durch die Aktenlage nicht gedeckt ist jedenfalls die Behauptung der Revisionswerberin, das Berufungsgericht hätte nicht das Ergebnis der gesamten Beweisführung verwertet, richtig ist vielmehr das gerade Gegenteil. Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens, der eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache verhindert haben würde, liegt nicht vor.
2.) Bei Darstellung der Rechtsrüge meint die Revisionswerberin, eine unrichtige rechtliche Beurteilung im Sinne der Z 4 des § 503 ZPO liege auch vor, wenn aus dem festgestellten Sachverhalt Schlussfolgerungen gezogen werden, wozu auch Erwägungen und psychologische Erklärungen für ein bestimmtes Verhalten von Personen gehörten. Wenn das Berufungsurteil sich dahin auslasse, es sei nicht von der Hand zu weisen, dass die Zeugin Maria K***** der stärkeren Persönlichkeit des Heinrich S***** nicht entgegenzutreten wagte, oder es sei nicht ausgeschlossen, dass Heinrich S***** das mit dem Kläger geführte Gespräch dazu ausnützte, daraus einen Entlassungsgrund zu bilden, oder es sei kaum als wahrscheinlich anzunehmen, dass der Kläger eine Tätigkeit zugunsten anderer Firmen eingestand, so seien dies Erwägungen und Schlussfolgerungen aus Tatsachen, also nicht reine Tatsachenfeststellungen. Diese Schlussfolgerungen seien aber unrichtig, da sie nichts daran ändern können, dass mit der Aktennotiz, Beilage ./3, ein Beweismittel vorliege, dessen Inhalt der Kläger entkräftet müsste. Nicht die Beklagte, sondern der Kläger sei dafür beweispflichtig, dass der von ihm eingestandene und in der Aktennotiz festgestellte Entlassungsgrund in Wirklichkeit gar nicht vorgelegen habe.
Auch mit diesen Ausführungen versucht die Revisionswerberin, diesmal auf dem Umweg über den Revisionsgrund der irrigen rechtlichen Sachbeurteilung, nur die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes zu bekämpfen. Wenn aus festgestellten Tatsachen auf andere Tatsachen geschlossen wird, so gehört dies immer noch zu den irreversiblen Akten der Beweiswürdigung, somit zur Lösung der reinen Beweisfrage, es wäre denn, dass solche Schlussfolgerungen mit den Denkgesetzen oder allgemein anerkannten Erfahrungssätzen in Widerspruch stehen. Ein Verstoß gegen die Regeln der Logik wird in der Revision gar nicht aufgezeigt, er liegt auch nicht vor.
Der Versuch, unter dem Mantel anderer Revisionsgründe die Beweisfrage im Revisionsstadium nochmals aufzurollen, konnte mithin keinen Erfolg haben, sodass das angefochtene Urteil vollinhaltlich zu bestätigen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.