JudikaturOGH

4Ob519/60 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juni 1960

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hohenecker als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler, Dr. Stanzl und Dr. Bachofner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois C*****, Angestelltenpensionist, *****, vertreten durch Dr. Walter Muhry, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Florian F*****, Spirituosenerzeuger, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Lang, Rechtsanwalt in Graz, wegen 10.150 S sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28. März 1960, GZ 2 R 45/60-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 21. Jänner 1960, GZ 1 Cg 370/58-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteil der Untergerichte werden dahin abgeändert, dass sie als Zwischenurteil zu lauten haben:

"Der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Rückzahlung der dem Karl F***** gewährten Darlehen in der Höhe von insgesamt 10.150 S sA zur ungeteilten Hand mit Karl und Maria F***** auf Grund des Urteils des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 3. 2. 1958, 7 Cg 761/57-13, besteht dem Grunde nach zu Recht.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten."

Auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens hat das Erstgericht bei der Endentscheidung gleich Prozesskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen.

Text

Entscheidungsgründe:

Unbestritten (S 2 und 8) ist: Der Beklagte ist der Bruder des am 30. 9. 1956 verstorbenen Likörerzeugers Rudolf F***** sowie des Karl F*****, Schlosser in *****. Nach dem Tod des Rudolf F***** hat der Kläger dem Karl F*****, der die Likörerzeugung des Verstorbenen als Alleinerbe weiterführte, mehrere Darlehen gewährt, welche mit 21. 6. 1957 noch mit 10.150 S aushafteten. Für diese Darlehen war dem Kläger ein LKW, Marke Skoda, verpfändet worden; außerdem stellten ihm Karl F***** und dessen Mutter Maria F***** über den erwähnten Betrag einen Wechsel aus, den der Kläger in der Folge mangels Zahlung zu 7 Cg 761/57 des Landes- als Handelsgerichtes Graz einklagte. In diesem Prozess wurden Karl und Maria F***** zur ungeteilten Hand zur Bezahlung von 10.150 S samt 5 % Zinsen seit 1. 4. 1957 sowie zum Prozesskostenersatz an den Kläger rechtskräftig verurteilt. Der Kläger begehrt nun vom Beklagten die Bezahlung der vorerwähnten Darlehensschuld samt Zinsen aus mehreren Rechtsgründen, von denen er im Berufungsverfahren nur mehr folgende aufrecht erhielt:

1.) Der Beklagte hafte auf Grund des Notariatsaktes vom 3. 5. 1957, mit welchem er gegenüber Karl F***** die gegenständliche Darlehensforderung zur Alleinzahlung übernommen und sich verpflichtet habe, Karl F***** diesbezüglich klag- und schadlos zu halten; der Kläger habe sein Einverständnis zu dieser Schuldübernahme erteilt.

2.) Der Beklagte hafte auch auf Grund der Bestimmung des § 1409 ABGB, weil er von Karl F***** dessen Likörerzeugungsgewerbe übernommen habe.

3.) Der Beklagte hafte schließlich auch deshalb, weil dem Kläger zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Forderung aus 7 Cg 761/57 des Landes- als Handelsgerichtes Graz mit Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz 12 E 11061/58 die Exekution durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung der Forderung bewilligt wurde, welche Karl F***** gegen den Beklagten auf Grund der unter Punkt 1) erwähnten Vereinbarung auf Schuldübernahme und Schad- und Klagloshaltung habe.

Zum ersten Klagegrund hat der Beklagte im Wesentlichen eingewendet, dass ihm der Kläger nach Abschluss des Notariatsvertrages vom 3. 5. 1957 den LKW Skoda nicht herausgegeben, sondern behauptet habe, dass er diesen Wagen gekauft habe. Deswegen habe er Karl F***** erklärt, dass der Kaufvertrag und die Schuldübernahme gegenstandslos sei, was dieser zur Kenntnis genommen habe. Auch sei dem Kläger aus dieser Schuldübernahme kein unmittelbares Recht erwachsen, selbst wenn sie noch aufrecht wäre. Zum zweiten Klagegrund hat der Beklagte eingewendet, dass eine Übernahme im Sinn des § 1409 ABGB nie erfolgt sei. Zum dritten Klagegrund wurden die tatsächlichen Angaben des Klägers als richtig zugegeben, aber darauf hingewiesen, dass der Beklagte beim Exekutionsgericht die Äußerung abgegeben habe, die gepfändete Forderung bestehe nicht zu Recht.

Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen.

Es hat unter anderem festgestellt, dass der Beklagte mit Notariatsakt vom 3. 5. 1957 von seinem Bruder Karl F***** ein Wohnhaus (Bauwerk auf fremden Grund) um 23.200 S, den erwähnten LKW, Type Skoda, um 17.000 S und Inventar für die Likörzeugung um 21.800 S, sohin insgesamt um 62.000 S kaufte und nach dem Text des Vertrages bei Unterfertigung des Notariatsaktes übernommen habe. Der Kaufpreis wurde durch Übernahme verschiedener Nachlasspassiven aus dem Nachlass des Rudolf F***** in der Höhe von 50.000 S und durch die Übernahme der Forderung des Klägers für ein dem Karl F***** gewährtes Darlehen von 12.000 S berichtigt. Zur Zeit der Errichtung des Notariatsaktes vom 3. 5. 1957 hatte der Beklagte keine Kenntnis, dass der LKW für eine Schuld des Karl F***** dem Kläger verpfändet worden war und sich in dessen Verwahrung befand. Der Beklagte hat die Forderung des Klägers nie anerkannt. Der Kläger hat nie seine Einwilligung zur Schuldübernahme durch den Beklagten gegeben. Der Kläger hat wegen seiner vollstreckbaren Forderung von 10.150 S aus dem Urteil 7 Cg 761/57 des Landes- als Handelsgerichtes Graz am 6. 10. 1958 einen Antrag auf Fahrnisexekution gegen Karl F***** eingereicht. In diesem Exekutionsverfahren wurde der genannte LKW mit einem Erlös von 600 S am 26. 11. 1958 versteigert.

Nach Ansicht des Erstgerichtes könne sich der Kläger auf die Schuldübernahme im Notariatsakt vom 3. 5. 1957 nicht stützen, weil ihm aus diesem Vertrag gemäß § 1404 ABGB kein unmittelbares Recht gegen den Beklagten zustünde. Erst wenn der Kläger in die Schuldübernahme eingewilligt hätte, hätte er einen unmittelbaren Anspruch gegenüber dem Beklagten. Auch habe die im Notariatsakt vom 3. 5. 1957 enthaltene Schuldübernahme nicht wirksam werden können, weil Voraussetzung derselben die Übergabe des LKW durch Karl F***** gewesen sei. Diese Übergabe sei nie erfolgt und konnte auch nicht erfolgen, weil der LKW auf Betreiben des Klägers am 26. 11. 1958 versteigert wurde. Auch die Haftung nach § 1409 ABGB könne der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, weil der Beklagte nicht das gesamte Vermögen des Karl F***** übernommen habe bzw nicht übernehmen konnte. Der LKW stellte mehr als ein Viertel des zu übernehmenden Vermögens dar.

Die vom Kläger erhobene Berufung blieb erfolglos. Das Berufungsgericht hat das Verfahren vor dem Erstgericht als mangelfrei und die Beweiswürdigung als unbedenklich gefunden. Aus der Aussage des Zeugen K*****, zu dessen Glaubwürdigkeit das Erstgericht nicht Stellung genommen habe, könne, die Richtigkeit dieser Zeugenaussage vorausgesetzt, nicht abgeleitet werden, dass der Kläger der Schuldübernahme durch den Beklagten zugestimmt habe. Schon deshalb könne der Kläger den ersten Klagegrund nicht geltend machen. Die Haftung nach § 1409 ABGB stütze der Kläger auf die Übernahme des im Notariatsakt vom 3. 5. 1957 angeführten Vermögens. Diese Haftung trete aber erst ein, wenn der Übernehmer das Vermögen übernommen habe. Der Beklagte habe aber von dem im Notariatsakt erwähnten Vermögen wertmäßig über ein Viertel zufolge der Weigerung des Klägers zur Herausgabe des LKW gar nicht übernommen. Zum dritten Klagegrund hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass bei der Drittschuldnerexekution der betreibende Gläubiger an die Stelle seines Schuldners trete. Der Kläger könne somit alle Rechte gegenüber dem Beklagten als Drittschuldner geltend machen, die dem Karl F***** gegenüber dem Beklagten zustehen.

Der Kläger könne aber gegen den Beklagten nur durchdringen, wenn Karl F***** auf Grund des Notariatsvertrages vom 3. Mai 1957 vom Beklagten nach § 1404 ABGB die Bezahlung der Darlehensforderung des Klägers gegen Karl F***** verlangen könnte. Ein derartiger Anspruch stehe Karl F***** aber nicht zu, weil der Beklagte die Bezahlung der Schuld an den Kläger nur unter der Voraussetzung der Übergabe des LKW übernommen habe. Den LKW habe aber der Beklagte nie erhalten. Gegen diese Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich die Revision des Klägers, in der er die Revisionsgründe der Z 2 und 4 des § 503 ZPO geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil auf Stattgebung der Klage abzuändern. Er stellt hilfsweise auch einen Aufhebungsantrag. Der Beklagte hat die Bestätigung des angefochtenen Urteils beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet.

Der Kläger hat sein Begehren (S 15) darauf gestützt, dass der Beklagte das Likörzeugungsgewerbe des Karl F***** übernommen habe. Der Beklagte hat dies nie bestritten, er hat im Gegenteil in seiner Parteienvernehmung (S 73) angegeben, dass er seit 3. 5. 1957 die Spirituosenerzeugung bis heute weiterführe; vom Tod des Bruders Rudolf bis zum 3. 5. 1957 habe die Erzeugung sein Bruder Karl geführt. Es handelt sich vorliegendenfalls also nicht um die Übernahme eines Vermögens oder einzelner Vermögensstücke, wie die Untergerichte rechtsirrig annehmen, sondern um die Übernahme eines Unternehmens, welche Übernahme tatsächlich durchgeführt wurde, weil ja der Beklagte dieses Unternehmen nach dem 3. 5. 1957 weiterführte und führt. Es ist daher rechtlich unerheblich, ob sämtliche zum Unternehmen gehörige Vermögensstücke mitübergeben wurden oder nicht, weil ja jedenfalls das gesamte Unternehmen von Karl F***** an den Beklagten übergeben wurde. Aus der Tatsache, dass der erwähnte LKW dem Beklagten von Karl F***** nicht übergeben wurde, kann daher nichts für die Abweisung der Klage abgeleitet werden. Selbst aber wenn es sich nicht um die Übernahme eines Unternehmens, sondern um die Übernahme eines Vermögens gehandelt hätte, wie die Untergerichte annehmen, wäre aus der Tatsache, dass der LKW dem Beklagten von seinem Bruder Karl F***** nicht körperlich übergeben wurde, nichts für den Beklagten gewonnen. Der LKW war, wie unbestritten ist (S 2 und 8), dem Kläger als Faustpfand zur Sicherung der Darlehensforderung des Klägers gegen Karl F***** übergeben worden. Der Kläger war daher berechtigt, die Herausgabe des LKW solange zu verweigern, als diese Darlehensforderung nicht bezahlt war. Es hätte Sache des Karl F***** als Darlehensschuldner und Sache des Beklagten als Übernehmer des Unternehmens des Karl F***** und als Schuldner aus dem Notariatsakt vom 3. 5. 1957 sein müssen, die Forderung des Klägers zu tilgen, zu deren Sicherung der LKW als Pfand gegeben worden war. Überdies hätte die Verpfändung des LKW nicht die Übertragung des LKW ins Eigentum des Beklagten verhindert. Ein Faustpfand hindert zwar die körperliche Übergabe der verpfändeten Sache, eine Eigentumsübertragung durch Besitzanweisung gemäß § 428 ABGB (vergl Klang, 2. Aufl., 2. Band, S 325) wäre aber durchaus möglich gewesen. Dass der Beklagte bei Abschluss des Notariatsaktes vom 3. 5. 1957 von der Verpfändung nichts wusste, ist belanglos, weil er sich wegen einer allfälligen Irreführung nur an seinen Vertragspartner Karl F***** hätte wenden können. Der Beklagte hat nach Kenntnisnahme der Verpfändung des LKW die Übernahme des Unternehmens des Karl F***** aufrecht erhalten und haftet daher aus dem Grunde des § 1409 ABGB für alle zum Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übernahme kannte oder kennen musste. Der Beklagte kannte die gegenständliche Forderung, hat er sie doch im Notariatsakt vom 3. 5. 1957 zur Alleinzahlung übernommen. Die Darlehen wurden zur Aufrechterhaltung des Likörzeugungsbetriebes gegeben, wie im Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 3. 2. 1958, 7 Cg 761/57-13 (S 86 dieses Aktes), festgestellt wurde. Eine Wiederholung einer gleichen Feststellung im vorliegenden Verfahren erübrige sich, weil der Beklagte in diesem Verfahren den Inhalt jenes Urteils ausdrücklich als richtig zugab (S 8). Es handelt sich daher bei der gegenständlichen Forderung um Schulden, die zum übernommenen Unternehmen gehören. Da der Beklagte schließlich ein naher Angehöriger im Sinne des § 32 KO, nämlich der Bruder des Übergebers ist, haftet er gemäß § 187 der dritten Teilnovelle zum ABGB ohne Beschränkung auf den Wert des übernommenen Unternehmens oder Vermögens.

Auch die Tatsache, dass der Kläger den LKW auf Grund seiner vollstreckbaren Forderung gegen Karl F***** pfänden und versteigern ließ, schadet ihm nicht. Nach § 1409 ABGB bleibt nämlich die Haftung des Übergebers des Unternehmens neben der Haftung des Übernehmers aufrecht. Der Kläger durfte daher zur Hereinbringung seiner Forderung auch weiterhin Exekution gegen Karl F***** führen und dabei auch den in seiner Hand befindlichen LKW versteigern lassen, nur muss er sich den Reinerlös der Versteigerung des LKW auf die klagsgegenständliche Forderung anrechnen lassen. Das Erstgericht hat zwar festgestellt, dass der Erlös aus der Versteigerung des LKW zu 12 E 10424/58 des Bezirksgerichts für ZRS Graz 600 S betrug, es hat aber nicht festgestellt, dass dies der Reinerlös ist und hat auch nicht festgestellt, wie der Versteigerungserlös bei der Zuweisung an den Kläger als betreibenden Gläubiger auf das Kapital und auf die Nebengebühren der betriebenen Forderung angerechnet wurde. Beide Teile haben im Verfahren auch wiederholt von "Teilzahlungen des Beklagten" gesprochen, ohne ziffernmäßige Angaben zu machen. Der Beklagte behauptet aber, dass diese Zahlungen als Anzahlung für den beabsichtigten "Rückkauf" des LKW gegeben wurden. Das Erstgericht wird die Höhe dieser "Teilzahlungen" und den Grund ihrer Hingabe zu untersuchen haben, weil auch geleistete Zahlungen, wenn sie Teilzahlungen für die gegenständliche Forderung waren, diese Forderung vermindern. Sind die erst noch der Höhe nach festzustellenden Beträge zwar nicht zur teilweisen Tilgung der Klagsforderung gegeben worden, sondern als Anzahlung für den beabsichtigten "Rückkauf" des LKW, so könnte der Beklagte seine allfälligen Rückforderungsansprüche nach § 1431 ABGB compensando gegen die vorliegende Forderung einwenden.

Da sohin feststeht, dass der Beklagte grundsätzlich für die gegenständliche Darlehensforderung neben Karl F***** gemäß § 1409 ABGB mithaftet, die derzeitige Höhe dieser Forderung aber nicht feststeht, war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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