1Ob142/60 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Zweiten Präsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler, Dr. Zierer und Dr. Bachofner als Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Franz H*****, vertreten durch Dr. Günther Frizberg, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte und widerklagende Partei M***** Dipl. Ing. H*****, vertreten durch DDr. Ferdinand Gross, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wegen 40.285,93 S (5 Cg 103/58) bzw 20.000 S (5 Cg 124/58), Gesamtstreitwert 60.285,92 S sA, infolge Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 11. Februar 1960, GZ 3 R 112/59-40, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 17. März 1959, GZ 5 Cg 103/58-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit 1.299,33 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Zwangsfolge zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zwischen den Parteien kam es am 9. 9. 1957 unbestrittenermaßen zu dem schriftlichen „Kaufschluss Nr. 1007/57", nach welchem die Beklagte vom Kläger Schleif- und Blochholz bestimmter Menge und zu bestimmten Preisen kaufte.
In der vorliegenden Klage bringt der Kläger vor, am 21. 9. 1957 sei am Schlägerungsorte in Pönegg der Schluss auf 23.458 fm Schleifholz und 102.318 fm Blochholz zum gleichen Preise vereinbarungsgemäß erweitert worden. Die Beklagte weigere sich, trotz einer Anzahlung von 20.000 S den erweiterten Schluss einzuhalten; in Zuhaltung der Vereinbarung vom 21. 9. 1957 begehre der Kläger von der Beklagten die Bezahlung des Restkaufpreises von 40.285,93 S samt Zinsen Zug um Zug gegen Leistung der vereinbarten Holzmenge und Holzart. Demgegenüber wendet die Beklagte ein, dass eine Änderung des Schlusses vom 9. 9. 1957 nicht vereinbart worden sei. In ihrer Widerklage brachte die Beklagte und Widerklägerin (in der Folge kurz Beklagte genannt) vor, dass der Kläger und Widerbeklagte (weiterhin kurz Kläger genannt) sich weigere, den Schluss vom 9. 9. 1957 zu erfüllen, auch eine schließlich bis 1. 2. 1958 erteilte Nachfrist unbeachtet gelassen habe und deshalb sowie wegen Nichteinhaltung einer Vertragsbestimmung über die Lagerung des Holzes der Rücktritt vom Vertrag erklärt und die Rückzahlung der bereits geleisteten 20.000 S begehrt worden sei.
Der Kläger bestritt das Vorbringen der Beklagten in der Widerklage. Das Erstgericht wies die Klage ab und erkannte im Sinne der Widerklage.
Der Berufung der klagenden Partei hat das Berufungsgericht, nachdem es die Beweise über die behauptete Änderung (Erweiterung) des Schlusses vom 9. 9. 1957 und jene über die Berechtigung zum Rücktritt der Beklagten vom Schluss des 9. 9. 1957 und über die behaupteten Nebenumstände wiederholt hatte, keine Folge gegeben. Das Berufungsgericht gelangte zu dem Ergebnis, es sei nicht erwiesen, dass das Anbot des Klägers auf Verkauf oder jenes des Gesellschafters S***** auf Ankauf der geschlägerten Holzmenge von rund 135 fm von der Gegenseite bindend angenommen wurde. Es sei angesichts der aufgezeigten Widersprüche bei den Gesprächen und Vorgängen vom 21. 9. 1957 auf dem Schlägerungsplatz vielmehr anzunehmen, dass diese über das Stadium der Unterhandlungen nicht hinausgingen, daher auch keine Kaufvertragserweiterung vorliege, zumal da der Kläger selbst nicht in der Lage war, eine widerspruchslose Darstellung von Anbot und Annahme zu geben. Es ergebe sich gleichzeitig, dass nur der Schluss vom 9. 9. 1957 als rechtswirksam zu betrachten wäre, soferne er nicht durch den Rücktritt der Beklagten ebenfalls hinfällig sei. Diese habe ihren Rücktritt auf die Nichteinhaltung der Lieferfrist und die vereinbarungswidrige Lagerung gestützt. Der Kläger habe dem widersprochen und überdies behauptet, dass der Rücktritt durch nachträgliche Verhandlungen gegenstandslos geworden sei. Selbst wenn dies anzunehmen wäre, müsste berücksichtigt werden, dass der Rücktritt auch durch Klage erklärt werden könne und Verhandlungen nach der Klagseinbringung nicht behauptet werden. Die Klage komme daher einer neuerlichen Rücktrittserklärung gleich. Nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens sei der Kläger in keinem Falle gewillt, den Schluss vom 9. 9. 1957 allein zu erfüllen. Wenn aber von einem Vertragsteil die Erfüllung geradezu verweigert werde, bedürfe es für die Wirksamkeit des Rücktritts auch keiner Nachfristsetzung. Zumindest durch die Einbringung der Widerklage und die bisher erfolgte Weigerung des Klägers seien daher die Rechtswirkungen der Auflösung des Schlusses vom 9. 9. 1957 eingetreten. Dem Kläger obliege demnach gemäß § 921 ABGB die Pflicht, das bereits empfangene Entgelt von 20.000 S der Beklagten zurückzustellen. Die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision der klagenden Partei gegen das Berufungsurteil mit dem Antrage auf Abänderung in dem Sinne, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben und das Begehren der Widerklage abgewiesen werde, in eventu auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht ist nicht begründet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionswerber führt aus, das Ergebnis der Bemühungen des Berufungsgerichtes, den Sachverhalt in allen seinen Einzelphasen zu rekonstruieren, habe seinen Niederschlag in dem 27 Seiten langen Berufungsurteil gefunden, das nach Ansicht des Revisionswerbers aber dennoch insoferne mangelhaft geblieben sei, als es sich über wesentliche Fragen zwar sehr verbreitet habe, ohne aber eindeutige Feststellungen zu treffen. Insbesondere habe es zur Hauptfrage, ob es nun tatsächlich zu einer Erweiterung des ursprünglichen Kaufabschlusses über 50 fm Holz gekommen ist, keine Feststellung getroffen. Der Revisionswerber erblicke darin eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die eine gründliche Erörterung des Sachverhalts verhindert habe. Durch das Fehlen klarer und eindeutiger Feststellungen sei es dem Revisionswerber weitgehend unmöglich gemacht, die Ausführungen des Berufungsgerichtes in rechtlicher Hinsicht zu bekämpfen, ohne damit gleichzeitig eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung vorzunehmen.
Es unterliege keinem Zweifel, dass bei Zutreffen der berufungsgerichtlichen Annahme das Nichtzustandekommen einer Vertragserweiterung die Abweisung des klägerischen und Stattgebung des Begehrens der Widerklage gerechtfertigt sei. Das Berufungsurteil lasse aber in dieser Hinsicht präzise Feststellungen vermissen. Es enthalte im Ergebnis die Aufzählung von zumindest ebenso viel Anhaltspunkten, die für das Zustandekommen einer Vertragserweiterung sprechen, als von solchen, die damit nicht im Einklang stehen. Es hätte über alle die vom Berufungsgericht angeführten einzelnen Umstände abgesonderter Feststellungen bedurft, um eine wirkliche Basis für die rechtliche Beurteilung der Sache herzustellen. Ausgehend von jenen Überlegungen des Erstgerichts, die für das Zustandekommen einer Vertragserweiterung sprechen, hätte das Berufungsgericht zu der primär entscheidungswesentlichen Feststellung gelangen müssen, dass eine Vertragserweiterung tatsächlich stattgefunden habe, ebenso aber auch, dass vom Kläger die übrigen Vertragsbedingungen erfüllt worden seien und die Beklagte in Annahmeverzug geraten sei.
Den Bemängelungen und Rügen der Revision hält der Revisionsgegner in der von ihm erstatteten Revisionsbeantwortung mit Recht ihre gänzliche Haltlosigkeit entgegen. Schon auf S 10 des Berufungsurteils heißt es, dass sich das Berufungsgericht außer Stande sehe, angesichts der Widersprüche in den wesentlichsten Punkten in der Parteiaussage des Klägers selbst, insbesondere aber in Gegenüberhalt mit der Aussage des Zeugen Alexander H*****, die vom Kläger behauptete Einigung über die Erweiterung des Schlusses vom 9. 9. 1957 von rund 50 fm auf ca 135 fm als erwiesen anzunehmen. Auf S 11 führt das Berufungsurteil aus, dass der Kläger für die Einigung, wie er sie zustandegekommen wissen will, beweispflichtig sei, dieser Beweis aber als misslungen angesehen werden müsse. Auf S 18 des Berufungsurteils wird gesagt, dass auch in einer Zusage einer Restzahlung unter den angeführten Bedingungen nicht eine völlige Einigung über die Abnahme der 135 fm Holz erblickt werden könne. Auf S 13 wiederholt das Berufungsgericht diesen Gedanken, wenn es ausführt, dass dem allein für diese Einigung beweispflichtigen Kläger der erforderliche volle Nachweis nicht gelungen sei. Besonders zu verweisen ist aber auf die Zusammenfassung der Ergebnisse auf S 24 des angefochtenen Urteils, in welcher es wörtlich heißt: „Es ist angesichts der aufgezeigten Widersprüche bei den Gesprächen und Vorgängen am 21. 9. 1957 auf dem Schlägerungsplatz vielmehr anzunehmen, dass diese über das Stadium der Unterhandlungen nicht hinausgegangen sind, daher auch keine Kaufvertragserweiterung vorliegt, zumal der Kläger, wie schon dargelegt, selbst nicht in der Lage war, eine widerspruchslose Darstellung von Anbot und Annahme zu geben."
Das angefochtene Urteil hat mithin entgegen der Behauptung des Revisionswerbers an mehreren Stellen deutlich und klar zum Ausdruck gebracht, dass es auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse außer Stande ist, die vom Kläger behauptete Änderung des Vertragsschlusses vom 9. 9. 1957 am 21. 9. 1957 als erwiesen anzunehmen. Der Revisionswerber übersieht offenbar, dass eine tatsächliche Feststellungen auch die ist, dass eine Partei eine bestimmte Tatsache nicht bewiesen hat oder beweisen konnte (30. 11. 1909, Slg 4.807). Die Ausführungen der Revision stellen sich ihrem Wesen nach als eine ungerechtfertigte Kritik der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts dar, die überdies unzulässig und unbeachtlich ist. Da die Beweisfrage zu Ungunsten des Klägers gelöst wurde, ergibt sich die Entscheidung über Klage und Widerklage von selbst, was auch der Revisionswerber zugibt, wenn er sagt, dass bei Zutreffen der berufungsgerichtlichen Annahme eines Nichtzustandekommens der Vertragserweiterung die Abweisung des Klagebegehrens und Stattgebung des Begehrens der Widerklage gerechtfertigt ist.
Mangels Vorliegens der behaupteten Revisionsgründe war daher der Revision jedweder Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.