4Ob7/60 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hohenecker als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler sowie die Beisitzer Dr. Witek und Hala als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Amalia G*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Franz Lasser, Rechtsanwalt, Linz, Karl-Friedlergasse 2, wider die beklagte Partei Karl W*****, Inhaber einer Färberei und chemischen Putzerei, *****, vertreten durch Dr. Walter Haslinger, Rechtsanwalt, Linz, Taubenmarkt 1, wegen Feststellung und Zahlung von 26.153,28 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 23. September 1959, GZ 5 Cg 15/59-22, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 10. Juni 1959, GZ 2 Cr 46/58-15, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 939,69 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, die seit 20. 2. 1939 als Angestellte des Beklagten in der Übernahmsstelle Schubertstraße und zuletzt in der Übernahmsstelle Bindermichl tätig war, verlangt die Feststellung, dass ihre vom Beklagten am 15. 10. 1957 ausgesprochene Entlassung rechtsunwirksam sei. Außerdem habe ihr der Beklagte eine Kündigungsentschädigung von 6.933,28 S, eine sechsmonatige Abfertigung von 10.400 S und eine Gehaltsdifferenz zwischen den Bezügen der Verwendungsgruppe B II, in die sie zu Unrecht eingestuft worden sei, und der Verwendungsgruppe B III für drei Jahre in der Höhe von 8.820 S, zusammen 26.153,28 S zu bezahlen.
Das Erstgericht sprach aus, dass eine der Klägerin gebührende Gehaltsdifferenz von 8.190 S und die aus dem Rechtstitel des Schadenersatzes vom Beklagten geltend gemachte Gegenforderung von 4.383,47 S zu Recht bestünden und der Beklagte daher schuldig sei, der Klägerin einen Betrag von 3.806,53 S zu bezahlen. Hingegen wies das Erstgericht das Feststellungsbegehren und das Zahlungsmehrbegehren von 17.963,28 S ab. Aufgabe der Klägerin sei gewesen, die von den Kunden zum Reinigen, Waschen oder Färben gebrachten Waren in ein Hauptbuch einzutragen und sie mit Lieferschein an den Betrieb des Beklagten in Steg zu schicken. Dieser habe die Waren nach Durchführung der Arbeit mit einem anderen Lieferschein, in dem der Preis angegeben worden sei, der Klägerin zurückgesendet. Die Klägerin habe sie nun wieder in das Hauptbuch einzutragen und den Kunden mit einer Rechnung auszufolgen gehabt. Eine Durchschrift der Rechnungen sei zusammen mit der Wochenabrechnung an den Betrieb des Beklagten geschickt worden. Es sei vorgekommen, dass die Klägerin dieselben Rechnungsbeträge verschiedentlich unter der bereits abgerechneten Nummer in einer späteren Abrechnungswoche noch einmal mit einem nun fingierten Durchschriftzettel gegenüber der Firma abgerechnet habe, wobei die Doppelablieferungen der Klägerin betragsmäßig gutgeschrieben worden seien. Auf diese Weise sei es im Jahre 1956 zu einem Manko von 3.581,40 S und im Jahre 1957 zu einem solchen von 4.383,47 S gekommen. Den Abgang von 3.581,40 S habe die Klägerin dem Beklagten ersetzt. Ursache der Abgänge sei gewesen, dass die Klägerin krank gewesen sei und auch ihre Schwester erkrankt sei. Es liege zumindest ein fahrlässiges Verhalten der Klägerin vor, das ausreichender Anlass zur Entlassung nach § 27 Z 1 AngG gewesen sei. Jedenfalls läge mit Rücksicht auf die Erkrankung der Klägerin der Entlassungsgrund des § 27 Z 2 AngG vor. Der Umstand, dass der Beklagte im Jahre 1956 von der Entlassung abgestanden sei, spiele keine Rolle, weil die Klägerin den Entlassungsgrund im Jahre 1957 neuerlich gesetzt habe. Um das Gesamtverhalten der Klägerin festzustellen, habe ohneweiters zur Illustration auf die früheren Entlassungsgründe zurückgegriffen werden können. Sie könne wegen ihres Verschuldens nach § 23 Abs 7 AngG keine Abfertigung, aber auch keine Kündigungsentschädigung nach § 29 AngG verlangen. Was hingegen die Einstufung der Klägerin betreffe, hätte sie nach der Meinung des Erstgerichtes nicht in die Verwendungsgruppe B II, sondern in die Verwendungsgruppe B III des Kollektivvertrages für Angestellte des Gewerbes eingestuft werden müssen. Sie sei eine selbständige kaufmännische Fachkraft gewesen, da sie nur nach allgemeinen Weisungen, unter eigener Verantwortung ohne weitere Aufsicht gearbeitet habe, ein Handgeld von 200 S verwaltet habe und für Fehlbeträge verantwortlich gewesen sei. Sie habe eine wenn auch nicht weitgehende Dispositionsbefugnis gehabt, die Übernahmsstelle Bindermichl sei als Filiale des Beklagten anzusehen und die Klägerin müsse zumindest einer ersten Verkäuferin gleichgestellt werden. Die Gehaltsdifferenz, wenn auch ohne Urlaubszuschuss, in der Höhe von 8.190 S stehe der Klägerin abzüglich des von ihr gutzumachenden Schadens des Jahres 1957 in der Höhe von 4.383,47 S, somit ein Betrag von 3.806,53 S zu.
Infolge Berufung beider Teile bestätigte das Berufungsgericht den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils und änderte den stattgebenden Teil dahin ab, dass auch dieser abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und auch dessen Rechtsmeinung, dass der Klägerin weder Abfertigung, noch Kündigungsentschädigung gebühre. Hingegen teilte das Berufungsgericht nicht die Meinung des Erstgerichtes, dass die Klägerin in die Verwendungsgruppe B III einzustufen sie. Das Unterschiedsmerkmal zwischen den Verwendungsgruppen B II und B III bestehe - so führt das Berufungsgericht aus - in der Selbständigkeit der Arbeiten der Angestellten der letztangeführten Verwendungsgruppe. Wenn auch nicht gezweifelt werden könne, dass die Tätigkeit der Klägerin bestimmte Fachkenntnisse erfordert habe und sie als Fachkraft angesehen werden müsse, und dass der Klägerin eine gewisse beschränkte Dispositionsbefugnis und Initiative zugestanden sei, so fehle bei ihr doch die Selbständigkeit, wie sie für die Einstufung in die Verwendungsgruppe B III verlangt werden müsse. Die Klägerin habe im Wesentlichen und in den überwiegenden Belangen, insbesondere im Verkehr mit den Kunden, nicht frei entscheiden und in organisatorischer Hinsicht im Bezug auf die von ihr geführte Übernahmsstelle keine größere Selbständigkeit entfalten können. Sie habe weder Preise zu vereinbaren, noch Preisnachlässe zu gewähren oder Kundenreklamationen im eigenen Wirkungsbereich zu erledigen gehabt, sie habe vielmehr den Kunden gegenüber praktisch nur als verlängerter Arm der Zentrale gehandelt. Im Rahmen der Betriebsorganisation des Beklagten sei der Klägerin die Art und Weise der Führung der Übernahmsstelle zumindest in den wesentlichen Punkten, nämlich in der Abrechnung und Buchführung und im Verkehr mit der Zentrale, genau vorgeschrieben gewesen. Zu einer Freizügigkeit, wie sie im Sinne der Bestimmung über die Verwendungsgruppe B III zu verstehen sei, habe die Klägerin im Rahmen der Führung der Übernahmsstelle nur geringe Möglichkeit gehabt. Ihre Tätigkeit könne daher weder mit der einer ersten Verkaufskraft, die ohne Aufsicht zu arbeiten habe, noch mit der einer Filialleiterin verglichen werden. Die Klägerin könne daher auch nicht verlangen, dass ihr der Beklagte eine Gehaltsdifferenz nachzahle.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin, worin die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht werden und der Revisionsantrag gestellt wird, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde. Allenfalls möge das Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
Die Klägerin sieht eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darin, dass die von ihr beantragten Zeugen und ein ärztlicher Sachverständiger über den schlechten Gesundheitszustand der Klägerin nicht befragt worden seien. Die Zeugen hätten - wie die Klägerin behauptet - auch bestätigen können, dass der Beklagte den schlechten Gesundheitszustand der Klägerin gekannt und ihr mit der Entlassung gedroht habe, wenn sie mit der Arbeit aussetze. Die Klägerin lässt indessen unberücksichtigt, dass die Untergerichte ohnedies davon ausgegangen sind, die Klägerin sei sehr kränklich gewesen, als die Geldabgänge entstanden sind. Weiterer Beweisaufnahmen bedurfte es daher in dieser Richtung nicht. Selbst wenn die Klägerin wirklich - wie sie behauptet - ständig kopflos gewesen sein sollte, könnte dieser Zustand nicht als Ursache für die Fingierung von Rechnungsdurchschriften angesehen werden, weil für diese Tätigkeit immerhin logisches Denken erforderlich gewesen sein muss. Es war auch nicht notwendig, weitere Beweise darüber durchzuführen, ob dem Beklagten durch das Verhalten der Klägerin ein Schaden entstanden ist. Nach den Feststellungen der Untergerichte hatte die Doppelte Ausstellung von Rechnungsdurchschriften den Zweck, dass der Klägerin derselbe Rechnungsbetrag doppelt gutgeschrieben wurde, was sich schon aus dem dann entstandenen Manko, das bei Inventuren festgestellt wurde, ergibt. In diesem Zusammenhang liegt weder eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, noch eine Aktenwidrigkeit vor. Insbesondere ist das Gutachten des Sachverständigen Klapf (S 55, 57) über die Manipulationen der Klägerin so klar, das Zweifel nicht entstehen können. Soweit das Berufungsgericht aus den Beweisunterlagen Tatsachenschlüsse gezogen hat, könnte höchstens eine unrichtige Beweiswürdigung unterlaufen sein. Eine solche kann aber im Revisionsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden.
Ebensowenig wie die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt auch der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht vor. Wenn die Klägerin wirklich, wie sie sagt, so krank war, dass sie sich mit der Verrechnung nicht mehr ausgekannt hat, wäre es ihre Sache gewesen, die Konsequenzen zu ziehen und sich krank zu melden. Ihre Angst, den Posten zu verlieren, durfte dabei keine Rolle spielen, weil sie damit rechnen konnte, ihre gesetzlichen Ansprüche gegen den Beklagten jedenfalls durchzusetzen. Im Übrigen ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass das Fingieren von Rechnungsbelegen und das Unterlassen der Abfuhr von Geldbeträgen wenn schon nicht als doloses, so doch als grob fahrlässiges Verhalten angesehen werden muss, das mit krankhaften Zuständen, wie sie die Klägerin hatte, keinesfalls entschuldigt werden könnte. Dieses Verhalten machte sie auch mit Rücksicht auf die früheren größeren Abgänge des Vertrauens des Beklagten unwürdig. Der Entlassungsgrund des § 25 Z 1 AngG lag vor, sodass die Klägerin am 15. 10. 1957 mit Recht entlassen wurde und nach §§ 23 Abs 7 und 29 AngG weder Abfertigung (10.400 S), noch Kündigungsentschädigung (6.933,28 S) begehren kann. Die Entlassung ist nicht verspätet ausgesprochen worden, da sie auf Grund einer Inventur erfolgt ist, die einige Tage vorher vorgenommen worden war. In der Frage der Einstufung der Klägerin in die Verwendungsgruppe B II kann auf die eingehenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Sie werden durch die kurzen Darlegungen der Klägerin in der Revisionsschrift nicht widerlegt. Die Dispositionsbefugnis der Klägerin war nicht weitgehend, wie sie annimmt, sondern sowohl, was die Tätigkeit als auch was die Verrechnung betrifft, durch bindende Weisungen des Beklagten eingeengt. Dass die Klägerin das Recht gehabt haben mag, einzelne Waren von der Annahme auszuschließen, macht ihr einfaches Geschäft der Warenübernahme und -ausfolgung nicht zu einem verantwortungsvollen und auf schwierigen organisatorischen Erwägungen beruhend. Ihre Verantwortung betraf nur die Verwahrung der Waren und Gelder. Die Preise waren vorgeschrieben und die Verrechnung einfach. Es ist unrichtig, dass die Klägerin über das geringe Handgeld für einzelne wiederkehrende Ausgaben hinaus die Auslagen betreffend die Übernahmsstelle im eigenen Wirkungskreis zu regeln gehabt hätte. Sie kann daher nicht als selbständige kaufmännische Fachkraft, wie sie in den Vorschriften für die Verwendungsgruppe B III vorausgesetzt wird, angesehen werden.
Da die geltend gemachten Revisionsgründe nicht vorliegen und das Berufungsgericht die Klage mit Recht abgewiesen hat, musste der Revision der Erfolg versagt werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.