JudikaturOGH

3Ob140/60 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. April 1960

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Ersten Präsidenten Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier, Dr. Liedermann, Dr. Machek und Dr. Berger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Viktor S*****, Phtograph, ***** vertreten durch Dr. Leo Lang, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Elisabeth B*****, Haushalt, ***** vertreten durch Dr. Hans Alder, Rechtsanwalt in Zistersdorf, wegen Unwirksamerklärung eines gerichtlichen Vergleiches, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2. Februar 1960, GZ 7 R 22/60-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 20. November 1959, GZ 2 aCg 162/59-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wie hergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 2.604,94 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 972,51 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Unbestritten ist nachstehender Sachverhalt:

Die Streitteile unterhielten im Jahre 1941 intime Beziehungen, worauf die Beklagte am 4. 10. 1941 den mj. Erich, durch Legitimation S*****, zur Welt brachte. Der Kläger vekaufte noch im gleichen Jahr, bevor er zur Wehrmacht einrückte, der Beklagten die Liegenschaft EZ 735 KG Z*****. Im Jahre 1942 heirateten die Streitteile, worauf die Beklagte am 1. 5. 1944 noch den mj Karl S***** gebar, doch wurde die Ehe im Jahre 1947 geschieden. Der Kläger brachte dann zu K 33 Cg 3/49 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien gegen die Beklagte eine Klage mit dem Begehren ein, sie zu verurteilen, ihm die Hälfte der Liegenschaft rückzuübertragen. Er behauptete, dass er anlässlich des Verkaufes mit ihr vereinbart habe, dass sie, wenn er aus dem Kriege zurückkäme, hiezu verpflichtet sei. Am 30. 6. 1949 kam es in diesem Rechtsstreit zu einem Vergleich, dessen wesentlicher Inhalt darin besteht, dass die Beklagte die Liegenschaft den mj Kindern Erich und Karl S***** ins Eigentum zu übertragen hatte, wogegen dem Kläger an gewissen Räumen ein lebenslänglicher Fruchtgenuss, der Beklagten aber an den sonstigen Teilen des Besitzes ein gleiches Recht zustehen sollte. Der Vergleich wurde bücherlich durchgeführt und mit Beschluss des Bezirksgerichtes Zistersdorf vom 26. 7. 1949 He 289/49 pflegschaftsbehördlich genehmigt.

Zu 2 Cg 396/52 des Kreisgerichtes Korneuburg wurde rechtskräftig festgestellt, dass der mj Karl S***** nicht aus der Ehe der Beklagten mit dem Kläger stammt.

Der Kläger bringt vor, auch der mj Erich S***** sei in einem Ehebruch der Beklagten gezeugt worden. Die Bestreitungsklage sei zwar abgewiesen worden, doch habe er eine Wiederaufnahmsklage eingebracht. Die Beklagte habe ihn zum Abschluss des Vergleiches durch List bewogen, indem sie ihm vortäuschte, die Kinder stammten von ihm. Er beantragt, den Vergleich vom 30. 6. 1949 für unwirksam zu erklären. Die Beklagte wendet ein, sie habe den Kläger keineswegs bewusst irregeführt, vielmehr habe sie geglaubt, der Kläger sei der Erzeuger des mj Karl S*****, weil sie innerhalb der kritischen Zeit auch mit dem Kläger Geschlechtsverkehr gehabt habe.

Im Zuge des Rechtsstreites schränkte der Kläger das Begehren dahin ein, dass der Vergleich nur hinsichtlich des mj Karl S***** für unwirksam erklärt werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, da der Kläger nicht den Beweis erbracht habe, die Beklagte habe ihn durch List irregeführt, vielmehr habe sie geglaubt, der mj Karl S***** stamme vom Kläger. Die Klage auf Anfechtung des Vergleiches wegen Irrtums allein sei verjährt. Das Berufungsgericht gab nach Wiederholung der Beweisaufnahme dem Klagebegehren statt; es stellte fest, die Beklagte habe dem Kläger trotz wiederholten Vorhaltens jeden Mehrverkehr abgestritten und sie sei sich bei Abschluss des Vergleiches bewusst gewesen, dass der Kläger nie darauf eingegangen wäre, wenn er gewusst hätte, dass auch andere Männer als Vater des mj Karl S***** in Frage kämen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, es dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, oder es aufzuheben und die Sache an eines der Untergerichte zurückzuverweisen. Sie macht Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet.

Das Berufungsgericht vertritt die Ansicht, es handle sich um eine Rechtsgestaltungsklage, so dass der Nachweis eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung nicht erforderlich sei. Ob man dem Berufungsgericht nun folgt oder ob man hier eine sogenannte materiellrechtliche Feststellungsklage annimmt (siehe Petschek, ZBl 1930, S 781 ff, der letztere für das österreichische Recht nicht anerkannt), ist unerheblich, da auch bei einer solchen der Nachweis des Feststellungsinteresses nicht erforderlich wäre (Entscheidung ZBl 1930 Nr 303, 304, Rspr 1933 Nr 303, EvBl 1939 Nr 310 ua). Hingegen bekämpft die Beklagte mit Recht die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass die Teilanfechtung des Vergleiches zulässig sei. Das vorläufig unklar gebliebene Schicksal des weiteren Vertragsinhaltes, der sich auf den mj Erich bezieht, bildet nach Ansicht der zweiten Instanz kein Hindernis für den Kläger, die teilweise Ungültigkeit des Geschäftes geltend zu machen. Es wird in diesem Rechtsstreit nicht über das Eigentum des mj Karl S***** entschieden. Er ist nicht Prozesspartei, weshalb hier gar nicht auf die Frage einzugehen ist, ob § 882 Abs 2 ABGB dem Kläger die Möglichkeit gibt, vom mj Karl S***** dessen Anteil zu verlangen. Er macht hier nur seinen Anspruch gegen die Beklagte geltend, der zunächst auf Außerkraftsetzung der Wirkung des Vergleiches, welche die Prozessparteien selbst betrifft, nämlich die Aufgabe des Anspruches auf Übereignung der Liegenschaft, gerichtet ist. Wenn das Gericht den Vergleich zur Gänze für unwirksam erklärte, könnte der Kläger seine angebliche Forderung gegen die Beklagte auf Übereignung der Hälfte der Liegenschaft wieder verfolgen, nur dass sie sich in einen Verschaffungsanspruch verwandeln würde, da die Beklagte nicht mehr Eigentümerin der Grundstücke ist. Durch den Vergleich verzichtete der Kläger auf diesen Anspruch, andererseits aber auch die Beklagte auf das Eigentum an der ganzen Liegenschaft, jedoch zu Gunsten ihrer beiden Kinder. Würde nun der Vergleich nur hinsichtlich des mj Karl S*****, richtig hinsichtlich dessen Liegenschaftshälfte für unwirksam erklärt werden, so könnte es geschehen, dass der Kläger, wenn er mit seinem teilweise verglichenen Anspruch durchdränge, Miteigentümer der Liegenschaft würde. Damit wäre eine wesentliche Voraussetzung des Geschäftes weggefallen, dass nämlich die Beklagte ihren Besitz in das ausschließliche Eigentum ihrer Kinder übertrage.

Das österreichische Gesetz spricht nicht aus, unter welchen Voraussetzungen ein Willensmangel, der sich nur auf einen Teil des Inhaltes der Erklärung bezieht, das ganze Geschäft anfechtbar macht oder zur bloß teilweisen Unwirksamkeit führt. Es ist daher gemäß § 7 ABGB auf Regelungen rechtsähnlicher Fälle Bedacht zu nehmen. Das Berufungsgericht hält es für wesentlich, ob der Vertragsinhalt teilbar ist. Dies wäre richtig, wenn § 918 Abs 2 ABGB, nach welcher Bestimmung es darauf ankommt, ob die Erfüllung teilbar ist, sinngemäß anzuwenden wäre, obgleich auch hier die Parteiabsicht eine Rolle spielt. Nun handelt es sich bei der List um einen Fall der rückwirkenden Anfechtung, so dass hier die Bestimmung des § 878 ABGB, die voraussetzt, dass Mögliches mit Unmöglichem zugleich bedungen wurde, rechtsähnlich ist. Sie stellt es darauf ab, ob nach dem Vertrag, also nach dem Willen beider Teile, ein Punkt von dem anderen abgesondert werden kann. Dies ist der Fall, wenn die Parteien den Vertrag auch über den von der Anfechtung nicht betroffenen Punkt allein geschlossen hätten; nur unter dieser Voraussetzung entspricht eine Teilanfechtung dem Zweck des Geschäftes (ebenso Unger5, II, S 153 ff, Hasenöhrl2, I, S 697, Pisko bei Klang1, II, 2, S 135, Gschnitzer bei Klang2, IV, S 136).

Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen einheitlichen Vergleich. Dies geht schon daraus hervor, dass beiden Parteien Fruchtgenussrechte an körperlichen Teilen der Liegenschaft eingeräumt wurden, die wohl hauptsächlich einer Benützung und nicht bloß einer Verwertung durch Vermieten dienen sollten. Wäre der Vergleich nur teilweise unwirksam, so könnte auch das Fruchtgenussrecht nur mehr an ideellen Teilen der Liegenschaft bestehen, was eine vollkommen veränderte Lage schaffen würde. Dass die Parteien auch mit einer solchen einverstanden gewesen wären, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, weshalb dies vom Kläger hätte behauptet werden müssen.

Es war überhaupt nicht notwendig, eine eigene Klage auf Ungültigkeitserklärung des Vergleiches einzubringen. Vielmehr hätte der Kläger ein Begehren auf Verschaffung der Liegenschaftshälfte stellen können. Für den Fall, als die Beklagte dann verglichene Sache eingewendet hätte, wäre ihm die Einwendung der Unwirksamkeit des Vergleiches wegen List zugestanden.

Da nun die Voraussetzungen einer Teilanfechtung des Vergleiches nicht gegeben sind, war der Revision Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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