JudikaturOGH

3Ob106/60 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. März 1960

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier, Dr. Liedermann, Dr. Machek und Dr. Berger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Gesellschaft mbH, W*****, vertreten durch den öffentlichen Verwalter Richard K*****, dieser vertreten durch Dr. Ernst Lazar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Fa. Vinzenz W*****, vertreten durch Dr. Rudolf M. Schüssler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 20.945,27 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5. Jänner 1960, GZ 1 R 567/59-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 5. Oktober 1959, GZ 13 Cg 494/59-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 735,05 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt Zuspruch von 20.945,27 S sA und führt aus, sie sei ebenso wie die Beklagte, während der Besatzungszeit unter sowjetischer Verwaltung gestanden. Sie habe der Beklagten während dieser Zeit Kohle, Benzin und andere Waren geliefert, wofür am 13. 8. 1955, dem Tage der Übergabe der beiden Betriebe an österreichische Stellen, noch 82.058,33 S aushafteten. Hierauf habe die Beklagte in der Folge 61.113,06 S bezahlt. Die Beklagte wendet ein, die Klägerin habe den Angestellten und Arbeitern der Beklagten Brennmaterial geliefert, doch gingen diese Geschäfte nicht zu ihren Lasten. Nach ihrer Verrechnung schulde die Klägerin ihr noch 40.000 S. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte folgenden Sachverhalt fest: Die beiden Betriebe standen während der Zeit in der sie von der USIA verwaltet wurden, in Geschäftsbeziehung. Die Abdeckung der jeweiligen Guthaben erfolgte durch die sowjetische Militärbank, doch nicht in der Weise, dass der Schuldner die Bank angewiesen hätte, den jeweils aushaftenden Betrag zu bezahlen, vielmehr verlangte der Gläubiger von der Bank, den jeweils aushaftenden Betrag vom Konto des Schuldners auf sein eigenes Konto zu übertragen. Der Schuldner hatte die Möglichkeit, dem zu widersprechen, worauf die Streitfragen von verschiedenen, hiezu bestimmten sowjetischen Stellen gelöst wurden.

Das Konto der Beklagten bei der Klägerin wurde durch eine Militärbank-Abrechnung am 21. 6. 1955 ausgeglichen. In der Folge fanden noch weitere Lieferungen und Bankabrechnungen statt, denen zufolge der Saldi zugunsten der Klägerin am 13. 8. 1955 82.058,33 S betrug. Der Betriebsrat der Beklagten hatte ebenfalls bei der Klägerin ein Konto für Lieferungen, die seinen Fonds belasteten. Hierauf wurden aus dem Konto der Beklagten von der Militärbank 62.112,85 S übertragen. In der Folge bezahlte die Beklagte der Klägerin verschiedene Beträge aber nicht die ganze Schuld, so dass die Klagesumme noch aushaftet.

Die Beklagte erhob gegen die Abrechnungen der Militärbank durch die sie insgesamt um den erwähnten Betrag von 62.112,85 S belastet wurde, keinerlei Widerspruch. Der Buchhalter L***** (auch L*****), der in dieser Angelegenheit informiert war, erachtete die Richtigkeit dieser Abrechnung nicht als zweifelhaft.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Gegen das Urteil zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, es dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, oder es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte macht Mangelhaftigkeit des Verfahrens (diesen Revisionsgrund unrichtig unter dem Gesichtspunkt des § 503 Z 4 ZPO), Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Mangelhaft soll das Verfahren nach Ansicht der Beklagten sein, weil das Erstgericht den von ihm beschlossenen Sachverständigenbeweis nicht durchgeführt hat. Der Umstand, dass sie den Kostenvorschuss nicht erlegt habe, sei nicht entscheidend, weil der Auftrag nicht bei sonstiger Präklusion ergangen sei. Abgesehen davon, dass es sich hier um einen Mangel des Verfahrens erster Instanz handelt, kann der Auffassung der Beklagten nicht beigetreten werden. Gemäß §§ 365, 332 Abs 2 ZPO kann der Sachverständigenbeweis nicht durchgeführt werden, wenn der Beweisführer den ihm aufgetragenen Kostenvorschuss nicht erlegt hat. Diese Frist ist allerdings keine Ausschlussfrist, weshalb der Erlag noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz möglich ist, soferne der Gegner keinen Antrag nach § 279 ZPO gestellt hat. Keinesfalls darf jedoch das Gericht den SV-Beweis auf Kosten des Amtsverlages durchführen, wenn der Beweisführer nicht das Armenrecht genießt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit ist daher nicht gegeben. Die Beklagte führt aus, das Urteil zweiter Instanz sei aktenwidrig, weil es dort heißt, der Zeuge L***** habe erklärt, die Zahlungen der Militärbank seien in Ordnung gewesen. Damit habe er nur gemeint, dass die Militärbank berechtigt gewesen sei, Überweisungen und Zahlungen durchzuführen, dass er aber dagegen Widerspruch erhoben habe. Der Zeuge hat jedoch Folgendes angegeben (S 58): "Die Zahlungen der Militärbank waren in Ordnung. Es hat auch daher kein Grund bestanden, gegen die Zahlungen zu remonstrieren." Der Zeuge sagt später noch, es sei der Klägerin ein Rechnungsfehler von ungefähr 20.000 S unterlaufen. Es ergibt sich daraus, dass die Aussage des Zeugen richtig zitiert wurde. Dass die Untergerichte hieraus nicht die von der Beklagten gewünschten Schlüsse gezogen haben, kann im Revisionsverfahren nicht geltend gemacht werden, da es sich hier um Fragen der Beweiswürdigung handelt.

Unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt die Beklagte aus, dass die Untergerichte irrigerweise angenommen hätten, die Verrechnung auf das Konto "Betriebsrat Vinzenz W*****" belasteten die Beklagte. Es sei hier, da es sich um Rechtsverhältnisse zwischen ehemaligen USIA-Betrieben handle, russisches Recht anzuwenden.

Beide Parteien haben ihren Sitz in Österreich. Der Umstand, dass sie von der USIA verwaltet wurden, bringt es nicht mit sich, dass die Beurteilung des § 36 ABGB, dass das Recht des Vertragsortes anzuwenden ist, nicht gelten sollte.

Die Einwendungen der Beklagten können dahin zusammengefasst werden, dass die Überweisungen der Militärbank zur Abdeckung des Kontos "Betriebsrat Vinzenz W*****" irrig seien, so dass die Beträge gemäß § 1431 ABGB zurückgefordert und zur Aufrechnung eingewendet werden könnten. Die Entscheidung ist daher davon abhängig, ob tatsächlich ein solcher Irrtum vorgelegen ist oder ob die Beklagte nach Vereinbarung mit dem Betriebsrat oder der Klägerin das Konto des Betriebsrates abzudecken hatte.

Die Beklagte, welche dafür beweispflichtig ist, dass sie eine Nichtschuld bezahlt habe, hat nichts Näheres über ihr Verhältnis zu diesen Lieferungen vorgebracht, insbesondere nicht wer den Erlös der von ihren Bediensteten bezogenen Brennmaterialien erhalten hat. Das Erstgericht hat unter Billigung des Berufungsgerichtes daraus, dass die Beklagte gegen die Überweisung durch die Militärbank keinen Einspruch erhoben und auch noch nach dem 13. 8. 1955 Zahlungen an die Klägerin geleistet hat, geschlossen, dass sie für diese Schulden aufzukommen hat. Dies kann nur dahin verstanden werden, dass die Vereinbarungen in dieser Richtung gegangen sind. Ob Dies zutreffend ist oder nicht, gehört in das Gebiet der Beweiswürdigung, die im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden kann. Es erweist sich daher auch die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht als einwandfrei, so dass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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