JudikaturOGH

2Ob423/59 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. September 1959

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch, Dr. Köhler, Dr. Pichler und Dr. Höltzel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Renate K*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg, Jugendfürsorgereferat, diese vertreten durch Dr. Josef Schuster, Rechtsanwalt, Voitsberg, wider die beklagte Partei Osmann G*****, vertreten durch Dr. Hermann Obermayer, Rechtsanwalt, Köflach, wegen Vaterschaft und Unterhalt, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 3. April 1959, GZ 3 R 282/59-55, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 16. Jänner 1959, GZ 3 C 428/57-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 442,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht hat gemäß dem Klagebegehren zu Recht erkannt, dass der Beklagte der Vater des am 19. 3. 1957 von Sophie K***** außer der Ehe geborenen Kindes ist. Es hat den Beklagten zur Unterhaltsleistung für die Klägerin verurteilt. Das Erstgericht hat festgestellt, dass ungeachtet der divergierenden Angaben der Zeugin K***** und des Beklagten über Anzahl und Zeitpunkte der Beiwohnungen jedenfalls eine solche am 2. 6. 1956 somit innerhalb der vom 21. 5. bis zum 20. 9. 1956 reichenden empfängniskritischen Zeit stattgefunden habe. Weder auf Grund der Bestimmungen der Blutgruppen- und Blutkörperchenmerkmale noch mit Hilfe der Rhesusteilfaktoren könne die Zeugung der Klägerin durch den Beklagten ausgeschlossen werden. Auch nach dem Reifezustand des Kindes (Tragzeitgutachten) bestehe eine, wenn auch geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die mit allen Anzeichen der Reife geborene Klägerin der Beiwohnung vom 2. 6. 1956 entstamme, sodass dem Beklagten die Widerlegung der Vaterschaftsvermutung des § 163 ABGB nicht gelungen sei. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes seinem gesamten Inhalte nach mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne der Klagsabweisung abzuändern oder es aufzuheben und die Sache an eine der Voristanzen zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Unter Hinweis auf die in SZ XXII 164 und EvBl 1952 Nr 410 veröffentlichten höchstgerichtlichen Entscheidungen vertritt der Revisionswerber den Standpunkt, dass bei einem perzentuellen Unwahrscheinlichkeitsgrad der Zeugung von 94,35 - wie er im vorliegenden Falle vom Sachverständigen errechnet wurde - der dem Beklagten obliegende Beweis der Unmöglichkeit der Zeugung als erbracht anzusehen sei.

Richtig ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Begriff der Unmöglichkeit der Zeugung nicht im Sinne einer absoluten Unmöglichkeit verstanden werden kann, sondern nur als ein so hoher Grad der Unwahrscheinlichkeit, dass die Annahme der Unmöglichkeit dem Stande der menschlichen Erfahrung und Erkenntnis widerspräche. Der Beklagte muss im Vaterschaftsprozess einen so hohen Grad der Unwahrscheinlichkeit der Zeugung des Kindes durch ihm nachweisen, dass diese Unwahrscheinlichkeit der Gewissheit nahekommt.

Im vorliegenden Falle ergibt sich eine Tragzeitdauer von 291 Tagen. Nach dem Sachverständigengutachten wurden von je 10.000 am 19. 3. 1957 geborenen Mädchen mit der bei der Klägerin festgestellten Körperlänge von 50 cm 565, d. s. 5,65 % in der Dekade vom 25. 5. bis 3. 6. 1956 gezeugt. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen und hält an dieser Rechtsansicht fest, dass selbst eine Zeugungswahrscheinlichkeit von ca. ½ % noch nicht als eine an Unmöglichkeit grenzende Unwahscheinlichkeit der Zeugung anzusehen ist. Umsoweniger kann davon bei einem Wahrscheinlichkeitskoeffizienten von 5 bis 6 in 100 Fällen die Rede sein.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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