5Ob106/59 – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Bernard als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kisser, Dr. Turba und Dr. Lassmann sowie den Rat des Oberlandesgerichts Dr. Graus als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Friedrich O*****, 2.) Michael R*****, 3.) Aloisia R*****, 4.) Ignaz M*****, 5.) Auguste M*****, 6.) Matthäus K*****, 7.) Gertrude K*****, 8.) Franz Wedam, 9.) Anna W*****, und vertreten durch Dr. Egon Wobratansky, Rechtsanwalt in Murau, wider die beklagte Partei Georg P***** und vertreten durch Dr. Eduard Prantner, Rechtsanwalt in Neumarkt i. Stmk., wegen Zaunerhaltung infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 13. Jänner 1959, GZ R 2148/58 8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Murau vom 30. Juni 1958, GZ C 32/58 4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil und das Urteil des Gerichts erster Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gleich Verfahrenskosten erster Instanz zu behandeln sein.
Text
Begründung:
Durch den Teilungsvertrag vom 12. 6. 1886 wurde die Gemeinschaft des Eigentums an der aus den Waldparzellen Nr 522/1, 522/2 und 522/3 bestehenden Liegenschaft EZ ***** KG ***** im Einverständnis aller damaligen Miteigentümer aufgehoben und die genannte Liegenschaft physisch in der Weise geteilt, dass die früheren Miteigentümer nunmehr alleinige Eigentümer der aus der Liegenschaft EZ ***** KG ***** neu gebildeten und den Grundbuchskörpern ihrer Liegenschaften zugeschriebenen Waldgrundstücke wurden. In dem Teilungsvertrag vom 12. 6. 1886 vereinbarten die früheren Miteigentümer des ***** für sich und ihre Rechtsnachfolger auf alle kommenden Zeiten, dass die Weide auf der bisher gemeinschaftlichen und nun naturalgeteilten Liegenschaft EZ ***** KG ***** von ihnen wie bisher auch in Zukunft gemeinschaftlich und zwar im Verhältnis ihrer früheren Eigentumsanteile ausgeübt wird, dass es zwar jedem einzelnen freisteht, die Grenzen der ihm ins Alleineigentum übergebenen Waldparzellen zu vermarken, die Aufstellung von Zäunen auf den Grenzen dieser Waldparzellen aber zu unterbleiben hat. Die Vertragschließenden vereinbarten ferner, dass von den Zäunen, welche die naturalgeteilte Liegenschaft EZ ***** KG ***** in ihrem Umfang von fremden Besitz scheiden, jeder Vertragschließende in Zukunft nur jenen Teil zu erhalten hat, welcher sich an der ihm zum Alleineigentum zufallenden Parzelle befindet.
Die Streitparteien sind Rechtsnachfolger im Eigentum der naturalgeteilten Liegenschaft EZ ***** KG *****.
Da der Beklagte seiner ihm nach dem Teilungsvertrag vom Jahre 1886 obliegenden Pflicht zur Erhaltung der Zäune nicht nachkomme, stellen die Kläger das Begehren, der Beklagte sei bei Exekution schuldig, die Zäune zu erhalten, welche seine Parzelle Nr 522/1 von den Parzellen Nr 510, 512 und 521, seine Parzelle Nr 522/8 von der Parzelle Nr 521 und seine Parzelle Nr 522/15 von der Parzelle Nr 523, alle Parzellen in der KG ***** gelegen, scheiden.
Der Beklagte hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und eingewendet, dass die Vertragsbestimmung hinsichtlich der Zaunerhaltung von den Vertragspartnern und vor allem auch von den Klägern selbst nie aktiviert worden sei, dass vielmehr eine weitere Vereinbarung durch stillschweigende Übung in Kraft getreten sei, wonach die Zäunung den Parteien im Verhältnis des Viehauftriebs, demnach dem Beklagten zu fünf Anteilen und den Klägern insgesamt zu neun Anteilen obliege. Da der Beklagte durch siebzig Jahre aus dem Vertrag vom Jahre 1886 nicht in Anspruch genommen wurde, sei überdies Verjährung eingetreten.
Das Erstgericht hat dem Klagebegehren im Wesentlichen aus rechtlichen Erwägungen stattgegeben. Da die Zaunerhaltung zur ordentlichen Verwaltung gehöre, konnte hierüber die Mehrheit in sinngemäßer Anwendung des § 833 ABGB entscheiden und sei der Beklagte als Minderheit an diese Entscheidung gebunden. Wenn nun die Mehrheit den Zustand nach dem ursprünglichen Vortrag hergestellt haben will, könne sich der Beklagte dagegen nicht wehren.
Infolge Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das Klagebegehren abgewiesen. Nach Inhalt des Teilungsvertrags vom 12. 6. 1886 könne trotz der Textierung „für sich und ihre Rechtsnachfolger auf alle kommenden Zeiten“ das Recht der Kläger auf Erhaltung des Zaunes und die Verpflichtung des Beklagten zur Erhaltung des Zaunes nicht als dingliches, mit dem Eigentum an den Liegenschaften verbundenes und gegen den jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft des Beklagten wirksames Recht, sondern bloß als ein persönliches Recht angesehen werden, das zunächst den Vertragspartnern gegeneinander zustand und als solches nicht schon allein durch den Eigentumserwerb an den Liegenschaften auf deren Nachfolger im Eigentumsrecht überging. Ebensowenig könne die korrespondierende Verpflichtung zur Erhaltung des Zaunes als dingliche, auf den Liegenschaften haftende und den jeweiligen Eigentümer belastende Verpflichtung betrachtet werden, sondern nur als obligatorische, die zunächst nur die Vertragspartner untereinander getroffen haben und gleichfalls nicht schon aufgrund der Erlangung des Eigentumsrechts an den Liegenschaften auf deren Eigentumsnachfolger übertragen worden sei. Ein Übergang dieser obligatorischen Rechte und Verpflichtungen konnte nur nach den hiefür geltenden Regeln, also entweder im Erbweg oder durch eine vertragliche oder gesetzliche Rechtsabtretung und Schuldübernahme erfolgen. In dieser Richtung fehle es im Vorbringen der Kläger an Angaben, weshalb das Klagebegehren unschlüssig und daher schon aus diesem Grunde abzuweisen sei. Im Übrigen nahm das Berufungsgericht auch Gebrauchsverjährung an. Die Kläger haben nicht behauptet, dass der Beklagte in Erfüllung der Verpflichtung aus dem Vertrag des Jahres 1886 jemals den Zaun instandgesetzt habe. Sie haben bei der Streitverhandlung vom 7. 5. 1958 vorgebracht, dass die diesbezüglichen Bestimmungen des Teilungsvertrags vom 12. 6. 1886 den Klägern, ausgenommen Ignaz und Auguste M*****, erst im Jahre 1957 bekanntgeworden seien. Zu diesem Zeitpunkt sei aber der Anspruch der Kläger aus diesem Teilungsvertrag bereits durch mehr als dreißigjährigen Nichtgebrauch verjährt gewesen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Kläger, in der die Gründe der Z 2 und 4 des § 503 ZPO geltend gemacht werden. Der Revisionsantrag geht dahin, das Urteil des Gerichts erster Instanz wieder herzustellen oder das angefochtene Urteil aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist begründet.
Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass sie nach wie vor durch die gemeinsame Ausübung des Weiderechts auf der naturalgeteilten Liegenschaft EZ ***** KG ***** verbunden sind. Auch der Beklagte anerkannt, wie sein Prozessstandpunkt zeigt, diese auf den Vertrag vom Jahre 1886 zurückgehende Rechtsgemeinschaft. Wenn somit die Parteien ihnen gehörige Grundstücke zum gemeinsamen Nutzen, nämlich zur Ausübung des Weiderechts, vereinigt haben, dann besteht zwischen ihnen eine nach den Vorschriften des 27. Hauptstücks des ABGB (§§ 1175 bis 1216) zu beurteilende Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts.
Mit dieser Gemeinschaft sind nicht allein Vorteile, sondern auch Lasten verbunden. Um das Weiderecht klaglos ausüben zu können, ist es erforderlich, dass die gemeinsame Weidefläche entsprechend abgezäunt wird. Dadurch wird verhindert, dass das aufgetriebene Vieh die Weide verlässt, sich verläuft und an fremden Grund Schaden anrichtet. Auch hinsichtlich der Notwendigkeit einer Umzäunung der Gesamtweidefläche besteht zwischen den Parteien offenbar kein Streit. Strittig ist lediglich, in welchem Umfang der Beklagte zur Zaunerhaltung beizutragen hat. Die Kläger berufen sich diesbezüglich auf den Teilungsvertrag vom Jahre 1886 und verlangen in Gemäßheit dieses Vertrags vom Beklagten, dass er jene Teile des Zaunes instandhält, die sein Eigentum von fremdem Grund abgrenzen, beziehungsweise abgrenzen sollen. Dagegen hat der Beklagte eingewendet, dass die bezügliche Vertragsbestimmung niemals aktiviert, sondern vielmehr stillschweigend dahin abgeändert worden sei, dass den einzelnen Teilhabern im Verhältnis des Viehauftriebes die Erhaltung des Zaunes obliege. Diesem Verhältnis entsprächen, wie der Beklagte weiter behauptet hat, für ihn fünf und für die Kläger insgesamt neun Anteile, was sich mit den früheren und offenbar auch mit den derzeitigen Eigentumsanteilen decken würde.
Die vom Beklagten erhobene Einwendung ist für die Entscheidung des Rechtsstreits von wesentlicher Bedeutung. Sie könnte in Verbindung mit der Verjährungseinrede des Beklagten auch dahin aufgefasst werden, dass der Beklagte den Standpunkt einnimmt, die Pflicht zur Zaunerhaltung sei für ihn überhaupt aufgehoben worden. Ein solcher Standpunkt wäre rechtlich unhaltbar, solange sich der Beklagte als Teilhaber der Weiderechtsgemeinschaft geriert. Sollte der Beklagte eine Klageverjährung im Auge haben, müsste geprüft werden, wann die objektive Klagsmöglichkeit zum ersten Mal gegeben war, weil erst ab diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen beginnt (§ 1478 ABGB). Jedenfalls wird in dieser Richtung im fortgesetzten Verfahren auf eine eindeutige Stellungnahme des Beklagten zu dringen sein.
Die Untergerichte hielten es von ihrem Rechtsstandpunkt aus für entbehrlich, auf die Einwendung des Beklagten näher einzugehen. Der Erstrichter vertrat die Rechtsansicht, dass die Zaunerhaltung zur ordentlichen Verwaltung gehöre und dass diesfalls die Kläger als Mehrheit in sinngemäßer Anwendung des § 833 ABGB den Beklagten majorisieren können. Hiebei sind dem Erstrichter Rechtsirrtümer in zweifacher Richtung unterlaufen. Er hat übersehen, dass sich die Vorschriften des 16. Hauptstücks des ABGB (§§ 825 bis 858) nur auf die Gemeinschaft dinglicher Rechte beziehen (vgl Klang in Klang Kommentar zum ABGB 2 III S 1084 und 1086), während die durch Vertrag herbeigeführten Rechtsbeziehungen der Streitparteien im 27. Hauptstück geordnet sind. Gewiss lässt § 1188 ABGB eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften der §§ 833 bis 842 zu; allein diese Vorschrift gilt nur dann, wenn keine andere Verabredung zwischen den Teilhabern getroffen wurde. Besteht eine Vereinbarung, dann gilt diese. In Ermangelung einer solchen käme aber § 839 ABGB und nicht, wie der Erstrichter meint, § 833 ABGB zur Anwendung, da nur die Frage, ob abgezäunt werden soll, eine Frage der ordentlichen Verwaltung und Benützung der Weide betrifft, während es sich bei den Kosten der Umzäunung um Lasten handelt, die von der Gemeinschaft bei Fehlen einer bindenden Abrede im Verhältnis der Anteile zu tragen sind.
Das Berufungsgericht wiederum hat irrigerweise eine Gebrauchsverjährung angenommen, der nur Dienstbarkeiten und Reallasten unterliegen, während bei Schuldforderungen und anderen Rechten eine solche deren Beschaffenheit nach überhaupt nicht möglich ist (vgl Klang aaO VI S 598 und 608). Richtig ist, dass der im Jahre 1886 geschlossene Vertrag nur obligatorische Wirkung hat. Er ist aber für die Rechtsnachfolger verbindlich, wenn sie sich ihm unterworfen haben. Ob der Beklagte dadurch, dass er an der auf den Vertrag vom Jahre 1886 zurückgehenden Weiderechtsgemeinschaft festhält, sich auch der weiteren Vertragsbestimmung hinsichtlich der Erhaltung des Zaunes unterworfen hat, ist in erster Linie eine Beweisfrage, die nur im Zusammenhang mit der Einwendung des Beklagten, dass diese Vertragsbestimmung nie aktiviert, sondern stillschweigend abgeändert worden sei, geklärt werden kann.
Da es in dieser Richtung an einer entsprechenden Erörterung des Sachverhalts und an den erforderlichen Feststellungen gebricht, mussten beide Urteile aufgehoben werden.
Es wird sich empfehlen, im fortgesetzten Verfahren zu klären, ob die Kläger ein Feststellungs oder ein Leistungsbegehren im Auge haben. Im letzteren Fall wären die Kläger anzuleiten, ihr Klagebegehren so zu formulieren, dass Art und Umfang der geschuldeten Leistung eindeutig feststehen (§ 226 ZPO und § 7 EO).
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.