4Ob312/58 – OGH Entscheidung
Kopf
SZ 32/6
Spruch
Unzulässigkeit des Begehrens auf Widerruf einer nach § 1 UWG. sittenwidrigen Äußerung.
Entscheidung vom 20. Jänner 1959, 4 Ob 312/58.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Das Klagebegehren ist darauf gerichtet, die Beklagte schuldig zu erkennen, Behauptungen, daß ohne ihre ausdrückliche schriftliche Genehmigung die Verwendung und Inbetriebhaltung von Musikautomaten mit der Marke "Seeburg" nicht gestattet sei, wissentlich Zuwiderhandelnde strafbar seien und gerichtlich verfolgt würden, zu unterlassen und derartige Behauptungen nicht zu verbreiten, diese Behauptungen in den Tageszeitungen "Wiener Zeitung", "Das Kleine Volksblatt" und "Neuer Kurier" zu widerrufen, schließlich darauf, der Klägerin die Befugnis zuzusprechen, das Urteil nach Rechtskraft in den soeben genannten Tageszeitungen in gleicher Aufmachung wie die inkriminierten Inserate bzw. Bekanntmachungen zu veröffentlichen.
Die angeführten Behauptungen seien zum Zweck des Wettbewerbes gesetzte, gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen, darüber hinaus aber auch geeignet, die Klägerin und deren Unternehmen herabzusetzen. Daß die Beklagte auf Irreführung des konsumierenden Publikums ausgehe, ergebe sich daraus, daß sie nicht nur die Bekanntmachung in den verschiedenen Zeitungen in auffallender Form gebracht, sondern den gleichen Text der Bekanntmachung auch an verschiedene Abnehmer der Beklagten mittels rekommandierten Schreibens zugesandt habe. Die Beklagte gehe bei ihrem unlauteren Wettbewerb so weit, Kunden von Mitwerbern unter Druck zu setzen, um sie zu veranlassen, Geräte, die sie von Konkurrenten kauften oder in Verleih nahmen, außer Betrieb zu setzen und durch Apparate zu ersetzen, die von der Beklagten erworben würden. Ein Vertreter der Beklagten habe behauptet, daß der Musikautomat, den Frau K. von der Klägerin gekauft habe, geschmuggelte Ware sei. Die Klägerin habe Hunderte von Seeburg-Automaten nach Österreich geschmuggelt.
Die Beklagte bestritt nur das Begehren auf Widerruf und Urteilsveröffentlichung.
Das Erstgericht wies das Widerrufsbegehren und das Begehren auf Urteilsveröffentlichung in gleicher Aufmachung wie die inkriminierten Inserate bzw. Bekanntmachungen ab, erkannte im übrigen jedoch im Sinne des Klagebegehrens.
Die Berufung der klagenden Partei gegen das erstgerichtliche Urteil - der stattgebende Teil blieb unangefochten und erwuchs daher in Rechtskraft - hatte teilweise Erfolg, d. h. das Urteil des Erstgerichtes wurde dahin abgeändert, daß die von ihm ausgesprochene Urteilsveröffentlichung in der gleichen Aufmachung wie die Inserate der Bekanntmachungen zu erfolgen habe.
Hinsichtlich des Widerrufsbegehrens bestätigte das Berufungsgericht die Abweisung des erstgerichtlichen Urteiles, stellte jedoch gleichzeitig fest, daß der Wert des Widerrufsbegehrens 10.000 S übersteige.
Am 1. Dezember 1957 veröffentlichte, wie unbestritten feststeht, die Beklagte in den Tageszeitungen "Wiener Zeitung", "Das Kleine Volksblatt" und am 3. Dezember 1957 in der Tageszeitung "Neuer Kurier" in großer Aufmachung ein mit "Bekanntmachung" überschriebenes Inserat, das u. a. die Behauptung enthielt, daß ohne ihre ausdrückliche schriftliche Genehmigung die Verwendung und Inbetriebhaltung von Musikautomaten mit der Marke "Seeburg" nicht gestattet sei, wissentlich Zuwiderhandelnde strafbar seien und gerichtlich verfolgt würden.
Das Erstgericht begrundete die Abweisung des Widerrufsbegehrens damit, daß ein Anspruch auf Widerruf nach den Bestimmungen des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb nur bei Verstößen herabsetzender Natur gemäß § 7 UWG. gegeben sei. Ein derartiger Verstoß könne aber in den inkriminierten Behauptungen nicht erblickt werden, weil mit diesen nicht über das Unternehmen eines anderen, über die Person des Inhabers oder des Leiters des Unternehmens, über die Waren und Leistungen Tatsachen behauptet oder verbreitet würden. Die in der beanstandeten Bekanntmachung enthaltenen Behauptungen erschöpften sich in der Wiedergabe einer unrichtigen Rechtslage und der Anführung gesetzlicher Bestimmungen, die mangels Voraussetzungen keine Anwendung finden könnten. Da ein Widerrufsbegehren nur in Verbindung mit Verstößen nach § 7 UWG., nicht aber bei solchen nach § 1 UWG. in Betracht komme, sei das Widerrufsbegehren im vorliegenden Fall verfehlt.
Das Berufungsgericht schloß sich der Begründung des Erstgerichtes an und fügte dieser Begründung mit Bezug auf die Berufungsausführungen noch bei: es treffe zu, daß die Klägerin nach ihrem Vorbringen in der Klage den inkriminierten unlauteren Wettbewerb der Beklagten nicht nur auf die Bekanntmachungen in den genannten Tageszeitungen abgestellt habe, sondern auch darauf, daß die Beklagte Bekanntmachungen mit dem gleichen Text an verschiedene Abnehmer zusandte und Kunden der klagenden Partei durch ihre Vertreter unter Druck in der Richtung setzen ließ, von der klagenden Partei gekaufte oder in Verleih genommene Geräte außer Betrieb zu setzen und sie durch von der Beklagten erworbene Apparate zu ersetzen. Sie habe in der Klage auch vorgebracht, daß ihren Kunden gesagt worden sei, die Benützung der von ihr gelieferten Automaten sei strafbar; auch handle es sich bei der Klägerin um Schmuggelware. Wohl sei es richtig, daß sich das Erstgericht mit diesen Behauptungen nicht auseinandergesetzt und die zu diesem Vorbringen beantragten Beweise nicht abgeführt habe. Allein die Klägerin übersehe, daß sie aus diesem Vorbringen nicht die rechtlichen Folgerungen im Klagebegehren gezogen habe. Ihr Unterlassungs- und Widerrufsbegehren beziehe sich nur auf den Inhalt der Bekanntmachungen, wonach ohne schriftliche Genehmigung der Beklagten die Verwendung und Inbetriebhaltung der Seeburg-Automaten nicht gestattet sei, wissentlich Zuwiderhandelnde strafbar seien und gerichtlich verfolgt würden. Sie begehre daher nur die Unterlassung und den Widerruf dieser Bekanntmachungen, nicht aber auch jener anderen, früher angeführten Mitteilungen. Nachdem die Beklagte das Unterlassungsbegehren in der mündlichen Streitverhandlung vom 21. April 1958 anerkannt habe, habe das Erstgericht keine Veranlassung gehabt, auch noch jenen Sachverhalt, den die Klägerin in der Klage als einen Verstoß nach § 7 UWG. qualifiziert, aber nicht zum Gegenstand ihres Begehrens gemacht habe, zu erörtern. Der Inhalt der Bekanntmachungen stelle sich als ein Verstoß gegen § 1 UWG. dar, weil die Beklagte mit dieser Erklärung gegenüber dem Publikum eine Täuschungshandlung gesetzt und damit bezweckt habe, Kaufinteressenten aus dem Publikum vor Geschäftsbeziehungen mit anderen Unternehmungen als der Beklagten abzuschrecken. Der Inhalt der Bekanntmachungen bilde aber keine Verletzung der Bestimmung des § 7 UWG., denn er enthalte im Gegensatz zu den Berufungsausführungen auch nicht die Behauptung, der Inhaber oder Leiter des klägerischen Unternehmens, begehe durch den Verkauf oder durch die mietweise Überlassung der Musikautomaten selbst eine strafbare Handlung; es werde nicht die Strafbarkeit der Klägerin, sondern nur die jener Personen behauptet, die die Musikautomaten ohne Genehmigung der Beklagten verwendeten oder in Betrieb hielten. Die Bekanntmachungen träfen daher nicht die Klägerin oder andere Verkäufer von Seeburg-Automaten, sondern richteten sich nur an deren Käufer oder Mieter. Mangels eines Tatbestandes nach § 7 UWG. sei für das Widerrufsbegehren keine Rechtsgrundlage vorhanden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Untergerichte haben angenommen, daß mit dem Klagebegehren lediglich ein Anspruch nach § 1 UWG., nicht aber ein solcher nach § 7 UWG. geltend gemacht wurde, weil ein Anspruch nach § 7 UWG. nur gegeben sei, wenn jemand zu Zwecken des Wettbewerbes über das Unternehmen eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Unternehmens, über die Waren oder Leistungen eines anderen Tatsachen behaupte oder verbreite, die geeignet seien, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen. Die Bekanntmachungen nun, deren Widerruf die Klägerin begehrt, sind ihrem Inhalt nach klar umschrieben ins Unterlassungsbegehren aufgenommen worden. Das so beschaffene Unterlassungsbegehren wurde von der Beklagten anerkannt, womit sich dem Gericht nur mehr die Aufgabe stellte, zu prüfen, ob das vorliegende Unterlassungsbegehren etwas enthält, womit der Beklagten eine Herabsetzung des klägerischen Unternehmens gemäß § 7 UWG. angelastet wird. Wenn die Untergerichte diese Frage verneinten, ist ihnen hierin zuzustimmen. Die Revisionswerberin meint bei Darstellung der Rechtsrüge, schon aus der vom Berufungsgericht angenommenen Absicht der Beklagten, durch ihre Bekanntmachungen das Publikum abzuschrecken, ergebe sich eindeutig, daß über das Unternehmen der Klägerin sowie über ihre Waren und Leistungen Tatsachen vorgespiegelt sein mußten, die geeignet waren, das Publikum abzuschrecken. Die unwahre Behauptung der Beklagten habe sich nicht nur gegen den Käufer oder Mieter, sondern auch gegen den Verkäufer und Vermieter gerichtet. Wenn die Klägerin weiter als Vermittlerin Musikautomaten mit der Marke "Seeburg", die sie schon vor Jahren gekauft habe, verwende und in Betrieb halte, so wäre sie nach der Bekanntmachung ebenso strafbar wie der Entleiher. Die Bekanntmachungen der Beklagten vermittelten also nicht bloß die Vorstellung einer subjektiven Meinung, sondern auch die eines rechtswidrigen Vorgehens der Klägerin beim Verkauf oder bei der Vermietung von Musikautomaten der Marke "Seeburg". Für Tatbestände des § 7 UWG. sei es nicht nötig, daß die nachteiligen Tatsachen ausdrücklich behauptet würden, es genüge, sie durch Andeutungen oder Umschreibungen auszudrücken. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte deshalb das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangen müssen, daß die Beklagte durch die Bekanntmachungen und ihre Verbreitung in Zeitungen, in rekommandierten Schreiben und durch Vertreter beim interessierten Publikum einen Verstoß gegen § 7 UWG. begangen habe.
Dieser Rechtsansicht der Revisionswerberin ist nicht zuzustimmen. Richtig ist wohl, daß der Name desjenigen, dessen Unternehmen, Erzeugnisse und Waren herabgesetzt werden, nicht ausdrücklich genannt sein muß, um den Tatbestand des § 7 UWG. als gegeben anzusehen. Das Publikum muß aber jedenfalls erkennen, ob und daß ein Unternehmen mit einer bestimmten Bekanntmachung herabgesetzt wird. Aus der Bekanntmachung mit den Behauptungen, wie sie im Unterlassungsbegehren enthalten sind - und nur diese Behauptungen bilden die Grundlage für die Beantwortung der Rechtsfrage, ob eine Herabsetzung des klägerischen Unternehmens vorliegt -, läßt sich, wie das angefochtene Urteil hervorhebt, keine Herabsetzung des Unternehmens der Klägerin, der Erzeugnisse und Waren oder Leistungen dieses Unternehmens entnehmen, weil damit über die Person des Inhabers oder Leiters oder über die Güte der Waren und Leistungen des klägerischen Unternehmens nichts ausgesagt ist. Das Bemühen der Revision, aus der Falschbehauptung über die Genehmigungspflichtigkeit der Verwendung und Inbetriebhaltung von Seeburg-Musikautomaten und über die Strafbarkeit im Falle des Zuwiderhandelns schon eine Herabsetzung der Klägerin oder ihres Unternehmens zu folgern, mutet reichlich konstruiert an. Auch das Revisionsgericht ist im Gegensatz zur Meinung der Revisionswerberin der Ansicht, daß durch die Bekanntmachungen mit dem im Klagebegehren aufscheinenden Inhalt wohl ein Verstoß gegen § 1 UWG., nicht aber ein solcher nach § 7 UWG. vorliegt, weshalb auch der Revisionsgrund der irrigen rechtlichen Sachbeurteilung nicht durchschlägt.