3Ob383/56 – OGH Entscheidung
Kopf
SZ 29/70
Spruch
Die Pläne eines Architekten genießen urheberrechtlichen Schutz nach § 3 Abs. 2 UrhG. Er hat bei unbefugter Änderung seines Werkes lediglich den Anspruch auf Ausschilderung gemäß § 83 Abs. 1 UrhG.
Entscheidung vom 17. Oktober 1956, 3 Ob 383, 384/56.
I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt von beiden Beklagten,
1.) für die Dauer von zwei Jahren an der äußeren Seite ihres Hauses in St. L. eine näher beschriebene Tafel mit dem Text "Dieser Bau entspricht nicht dem Entwurf des Architekten Dipl.-Ing. Fritz R." anzubringen, weiters
2.) von der Erstbeklagten allein, die Behauptung des Fritz N., das Haus in seinem jetzigen Zustand entspreche den Plänen des Klägers, dieser sei schuld an dem mangelhaften Aussehen und der teilweise mangelhaften Benützbarkeit, zu widerrufen und derartige Äußerungen zu unterlassen,
3.) von der Erstbeklagten allein, 25.000 S zu bezahlen, sowie
4.) Urteilsveröffentlichung.
Der Kläger behauptet, er habe im Auftrag des Fritz N. nach dessen Wünschen und Weisungen Pläne für ein Landhaus entworfen, die erforderlichen Bewilligungen zum Bau eingeholt und mit dem Bau im März 1951 begonnen. Aus wirtschaftlichen Gründen habe sich Fritz N. entschlossen, vorläufig nur einen Teil des Hauses zu bauen und den Rest im Frühjahr 1952 fertigzustellen. Unter dieser Bedingung sei der Kläger mit dem teilweisen Nachbau der Pläne einverstanden gewesen. Entgegen dieser Zusage habe Fritz N. den Bau nicht vollendet, vielmehr eine Terrasse aufschütten lassen, woraus die Absicht zu erschließen sei, daß er den Bau in absehbarer Zeit nicht vollenden werde. Fritz N. habe sich auch geäußert, daß er den Bau nicht zu Ende führe. Er habe die Behauptung verbreitet, das Objekt sei, so wie es stehe, vom Kläger entworfen. Dadurch habe Fritz N. das Urheberrecht des Klägers verletzt und diesem einen Schaden in der Höhe von 20.000 S zugefügt. Die seelischen Qualen, die der Kläger durch den Anblick des Hauses erleide, bezifferte er mit 5000 S.
Das Erstgericht erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, die vom Kläger näher beschriebene Tafel, aber mit der Aufschrift "Dieser nach dem Entwurf des Architekten Dipl.-Ing. Fritz R. begonnene Bau wurde nach dem ersten Bauabschnitt unterbrochen und nicht fertiggestellt", anzubringen. Das weitere Klagebegehren wurde abgewiesen. Das Erstgericht ging dabei im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Der Kläger hat für Fritz N. auf dessen Bestellung hin und in dessen Auftrag im Herbst 1950 einen Plan für den Bau eines Hauses in M. auf der dem Fritz N. und seiner Ehegattin, der Zweitbeklagten, je zur Hälfte gehörigen Liegenschaft verfertigt. Dem Kläger verblieb das Urheberrecht an seinen Zeichnungen und an seinem Entwurf. Fritz N. hatte sich ein Haus gewünscht, ähnlich dem Hause der Ehegatten J. in B. Der Kläger hat ein Landhaus entworfen, das diesem Wunsche nicht entsprach. Fritz N. war jedoch mit diesen Plänen einverstanden. Mit dem Bau des Hauses wurde im März 1951 begonnen, wobei dem Kläger die Bauleitung und Überwachung des Baues übertragen wurde. Der Bau sollte in zwei Abschnitten aufgeführt werden, weil sich bei der Anbotverhandlung herausstellte, daß die Kosten wesentlich mehr betrugen als den ursprünglich hiefür vorgesehenen Betrag von 150.000 S. Die Parteien vereinbarten die Fortführung und Fertigstellung des Baues im Frühjahr 1952. Mit Schreiben vom 16. Mai 1951 teilte jedoch Fritz N. dem Kläger mit, daß er den Auftrag erteilt habe, die Arbeiten ab 18. Mai 1951 einzustellen, womit auch die Tätigkeit des Klägers beendet sei. Dies wurde vom Kläger mit Schreiben vom 17. Mai 1951 zur Kenntnis genommen. Mit Schreiben vom 5. Juni 1951 verwahrte sich der Kläger gegen eine Weiterführung des Baues unter seiner Umgehung. Der Bau wurde dann wieder unter der Leitung des Klägers weitergeführt. Fritz N. ordnete jedoch am 16. Juni 1951 neuerlich die Einstellung aller Arbeiten mit 23. Juni 1951 an. Mit Schreiben vom 1. August 1951 übersandte der Kläger an Fritz N. die Schlußrechnung. Im Sommer 1952 wurde ohne Einvernehmen mit dem Kläger eine Terrasse errichtet, die von den Plänen des Klägers abwich. Nach dem Tode des Fritz N., dessen Verlassenschaft als erstbeklagte Partei in Anspruch genommen wird, wurden neuerlich mehrere Änderungen am Hause ohne Einverständnis mit dem Kläger vorgenommen.
Das Erstgericht führt nun aus, die Pläne des Klägers seien sachgemäß und nach ästhetischen Gesichtspunkten erstellt. Die unbefriedigende Erscheinungsform des Hauses in dem jetzigen Zustand sei durch den Teilbau bedingt. Durch die Fertigstellung des Hauses würde sich der Anblick eines modernen, zeitgemäßen Hauses ergeben. Der Kläger sei in seinem Ruf als Architekt geschädigt worden, weil der Bau unvollendet stehen geblieben sei und spätere Veränderungen an dem Bau vorgenommen worden seien, die eine Fertigstellung vortäuschten. Der angemessene Schaden betrage 20.000 S. Für die Rufschädigung sei ein Ersatz von 5000 S angemessen. Ansprüche könne der Kläger nur aus § 81 UrhG. und § 1330 Abs. 2 ABGB. ableiten. Nun seien aber die behaupteten Tatsachen wahr und die übrigen Behauptungen stellten Werturteile dar, die nicht widerrufen werden könnten. Ein Anspruch nach § 1330 Abs. 2 ABGB. bestehe daher nicht. Außerdem könne Widerruf und Unterlassung nach dem Tode des Fritz N. nicht mehr begehrt werden. Soweit ein Schadenersatz wegen unwahrer Behauptungen begehrt werde, sei dieser schon deshalb nicht berechtigt, weil § 1330 ABGB. keinen Ersatz des immateriellen Schadens kenne. Hingegen stehe dem Kläger ein Anspruch nach § 83 Abs. 2 UrhG. zu. Es sei vereinbart worden, daß der Bau zu einem festgelegten Zeitpunkt fertiggestellt werde. Diese Vereinbarung sei nicht eingehalten worden. Dies sei unbefugt gewesen. Diese unbefugte Handlung gebe einen Anspruch auf Ausschilderung. Allerdings sei der Wortlaut des Schildes der Sachlage besser angepaßt worden. Das Schadenersatzbegehren sei hingegen unbegrundet, weil ein Verschulden der Beklagten nicht vorliege. Sei nicht weitergebaut worden, weil die finanziellen Mittel fehlten, so liege kein Verschulden vor.
Dieses Urteil wurde vom Kläger hinsichtlich der verfügten Art der Ausschilderung und der Abweisung des Schadenersatzbegehrens angefochten, vom Beklagten in seinem stattgebenden Teil.
Das Berufungsgericht hob den Ausspruch des Erstgerichtes hinsichtlich der Ausschilderung (sowohl im stattgebenden als auch im abweisenden Teile) als nichtig auf und bestätigte die Abweisung des Schadenersatzbegehrens. Das Erstgericht habe etwas anderes zugesprochen, als begehrt worden sei. Darin liege eine Nichtigkeit. Ein Schadenersatzanspruch bestehe nicht, weil dem Beklagten kein Verschulden zur Last falle. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes sei der Grund für die Nichtvollendung des Baues in der Erkrankung des Fritz N., in seinem Tode und in dem Mangel an finanziellen Mitteln gelegen. Wenn auch in der Nichtfertigstellung eines von einem Architekten verfaßten Bauentwurfes objektiv eine Entstellung und Verstümmelung des Bauwerkes nach § 21 Abs. 3 UrhG. und daher auch eine Urheberrechtsverletzung erblickt werden müsse, so stehe dem Kläger nur ein Anspruch auf Ausschilderung, nicht aber ein Schadenersatzanspruch zu.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Richtig ist, daß das Werk des Klägers urheberrechtlichen Schutz nach § 3 Abs. 2 UrhG. genießt. Der Kläger hat sich auch alle Urheberrechte vorbehalten. Es steht ihm deshalb auch das ausschließliche Recht zu, das Werk nach seinen Plänen auszuführen. Der Kläger konnte zwar nicht verlangen, daß sein Entwurf überhaupt ausgeführt wird, er konnte jedoch verlangen, daß plangetreu gebaut werde. Es ist klar, daß er die Zustimmung zur Verwertung seines Planes nur unter der Voraussetzung gegeben hat, daß der Bau plangemäß vollendet wird.
Verfehlt ist jedoch, wenn sich der Kläger auf § 21 UrhG. beruft. Dort wird wohl normiert, daß an einem Werk keine Kürzungen, Zusätze oder Änderungen vorgenommen werden dürfen, soweit nicht der Urheber einwilligt oder das Gesetz die Änderung zuläßt. Im vorliegenden Fall wird geltend gemacht, daß der Bauherr vereinbarungswidrig den Bau nicht vollendet habe. Es kann sich daher nicht um ein Privatrechtsdelikt handeln, aus dem eine Schadenersatzpflicht abgeleitet wird, sondern nur um eine Vertragsverletzung. Die Ausführungen des Klägers, die sich ausschließlich mit dem Fall eines Privatrechtsdeliktes befassen, gehen daher schon aus diesem Gründe ins Leere.
§ 21 UrhG. statuiert lediglich das Änderungsverbot und seine Ausnahmen. Diese Gesetzesstelle sagt jedoch nichts darüber, welche konkreten Rechte dem Urheber, dessen Ausschließlichkeitsrechte verletzt wurden, zustehen. Diese Rechte sind in den §§ 81 ff. UrhG. normiert. Im allgemeinen gewährt § 81 UrhG. gegen jede unbefugte Änderung eines Werkes ein Untersagungsrecht. Gerade dieses wird aber dem Urheber eines Werkes der Baukunst durch § 83 Abs. 3 UrhG. genommen. Der Urheber kann nach dieser Gesetzesstelle eine unbefugte Änderung, das heißt eine Änderung, zu der er nicht die Einwilligung gegeben hat und die auch vom Gesetze nicht ausdrücklich gestattet wird, nicht nur nicht untersagen, er kann auch nicht verlangen, daß der Bau abgetragen, umgebaut oder ihm nach § 82 Abs. 5 UrhG. überlassen wird. Das einzige Recht, das ihm nach § 83 UrhG. bei einer unbefugten Änderung seines Werkes eingeräumt wird, ist das Begehren nach Ausschilderung. Der Kläger ist daher nicht berechtigt, die Fortsetzung des Baues zu begehren. Auch ein Weiterbau wäre eine Änderung des bestehenden Bauzustandes, also einem Umbau gleichzuhalten. Der Urheber muß sich vielmehr damit begnügen, daß an dem Hause eine entsprechende Tafel im Sinne des § 83 UrhG. angebracht wird. Kann aber der Urheber die Änderung nicht untersagen, kann er den Weiterbau des Hauses im Zivilrechtswege nicht begehren, handelt der Bauherr nicht rechtswidrig, wenn er den Weiterbau aus irgend welchen Gründen unterläßt. Mangelt dem Verhalten des Bauherrn die Rechtswidrigkeit, ist er aber nicht zum Schadenersatz verpflichtet.
Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, weiter zu untersuchen, ob dem Kläger ein immaterieller Schaden - ein anderer wurde nicht begehrt - überhaupt entstanden wäre, wenn er rechtzeitig die Ausschilderung in einer dem Gesetze entsprechenden Form begehrt hätte. Würde man den Bauherrn in einem Falle wie dem vorliegenden zum Schadenersatz verhalten, würde dies einen Zwang bedeuten, entweder den Bau fortzuführen oder Schadenersatz zu leisten. Dies würde aber nichts anderes bedeuten als die Durchsetzung jenes Anspruches, der dem Urheber eines Bauwerkes nach § 83 Abs. 3 UrhG. verwehrt ist, nämlich des Anspruches auf Fortführung des Baues. Da nach den dargelegten Grundsätzen ein Schadenersatzanspruch nicht bestehen kann, braucht auf die weiteren Ausführungen der Revision nicht eingegangen zu werden.