JudikaturOGH

Rkv9/56 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. März 1956

Kopf

Die Oberste Rückstellungskommission hat in der Rückstellungssache der

1.) Christine P*****, 2.) Josef P*****, beide vertreten durch Dr. Fritz Luckmann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Wulfengasse 16, als Antragsteller gegen Deutsches Reich Reichsführer SS Reichskommissar für Festigung deutschen Volkstums, vertreten durch den Abwesenheitskurator Dr. Fritz Messeretz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Wienergasse 10, als Antragsgegner infolge Beschwerde der beiden Antragsteller gegen das Erkenntnis der Rückstellungsoberkommission beim Oberlandesgericht Graz vom 29. November 1955, Rkb 29/55-40, womit das Erkenntnis der Rückstellungskommission für Kärnten beim Landesgericht Klagenfurt, vom 12. Juli 1955, Rk 19/53-37, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, die angefochtene Entscheidung aufgehoben und der ROK die neuerliche Entscheidung aufgetragen. Die Kosten der weiteren Beschwerde werden gleich Kosten des Verfahrens zweiter Instanz zu behandeln sein.

Text

Begründung:

Die Erstantragstellerin Christine P***** führte in ihrem Rückstellungsantrag aus, dass im Zuge der Slovenenverfolgung ihre Liegenschaft EZ 39 Grundbuch ***** zu Gunsten der deutschen Umsiedlungstreuhandgesellschaft mbH, entschädigungslos enteignet und sie selbst ausgesiedelt worden sei.

Seit 1944 stehe die Liegenschaft im Eigentum des Antragsgegners. Bei Rückkehr der Christine P***** im Jahre 1945 sei zwar die Liegenschaft rückgestellt worden; während der deutschen Verwaltung seien aber 110 fm Holz an die Fa. R***** und 265 fm Holz an die Fa. W***** verkauft worden. Schließlich sei noch Holz im Ausmaß von 600 fm durch andere Verkäufe und durch mangelhafte Verwaltung aus den Waldungen entnommen worden, sodass Christine P***** um 975 fm Holz geschädigt worden sei, für das sie keinerlei Ersatz erhalten habe.

Sie begehrt daher einen Schadenersatzbetrag von S 243.750,-. Der Zweitantragsteller Josef P***** brachte in seinem Antrag die gleichen Behauptungen hinsichtlich seiner Liegenschaft EZ 5 Grundbuch ***** vor.

Diese Liegenschaft sei zwar rückgestellt worden; während der deutschen Besetzung seien aber 162 fm Holz an die Fa. K***** verkauft und 250 fm infolge anderer Verkäufe und mangelhafter Verwaltung entnommen worden, sodass er um 412 fm Holz geschädigt worden sei. Er begehrt daher einen Schadeersatzbetrag von S 103.000,-. Die Antragsteller haben bei der Verhandlung am 1. 12. 1954 den Ersatzbetrag, da die Holzpreise um 40 % gestiegen seien, auf zusammen S 484.000,- erhöht.

Die Rückstellungskommission hat die Rückstellungsanträge abgewiesen und folgenden Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Die Antragsteller, die Eigentümer der Liegenschaft EZ 39 Grundbuch ***** bzw EZ 5 Grundbuch ***** waren, sind Kärntner Slovenen; sie wurden am 14. 4. 1942 ausgesiedelt, ihr Besitz von der Gestapo beschlagnahmt und zu Gunsten der deutschen Umsiedlungstreuhandgesellschaft mbH entschädigungslos enteignet. Auf Grund des Vertrages vom 28. 7. 1943 und des Einziehungsbescheides vom 5. 7. 1943 hat die deutsche Umsiedlungstreuhandgesellschaft mbH das Eigentum an der Liegenschaft EZ 39 Grundbuch ***** am 8. 9. 1943 erworben. Das Eigentumsrecht an dieser Liegenschaft ging mit Vertrag vom 18. 7. 1944 auf den Antragsgegner über.

Das Eigentum an der Liegenschaft EZ 5 Grundbuch ***** hat zunächst das Deutsche Reich (Reichsfinanzverwaltung) am 30. 1. 1943 auf Grund des Bescheides der Gestapo vom 15. 7. 1942 erworben. Am 1. 7. 1943 wurde die deutsche Umsiedlungstreu- handgesellschaft mbH und am 20. 11. 1944 der Antragsgegner Eigentümer dieser Liegenschaft. Im Jahre 1945 sind beide Antragsteller nach Kärnten zurückgekehrt. Zu Rk 246/47 und 247/47 der Rückstellungskommission beim Landesgericht Klagenfurt begehrten die beiden Antragsteller die Rückstellung der obgenannten Liegenschaften. Mit den Vergleichen vom 20. 5. 1948 verpflichtete sich der antragsgegner zur Rückstellung der Liegenschaft und gab die Zustimmung zur Einverleibung des Eigentumsrechtes für die beiden Antragsteller.

In den Vergleichen heißt es weiters: Auf die Geltendmachung von Ansprüchen, die sich im Zusammenhang mit der faktisch bereits erfolgten Rückstellung im Sinne der §§ 5 und 6 des 3. Rückstellungsgesetzes ergeben könnten, wird von beiden Teilen verzichtet.

Die Antragsteller haben im Zuge der von der Kärntner Landesregierung eingeleiteten Wiedergutmachung einen Betrag von S 105.000,- erhalten. In diesem Betrag ist auch der Ersatz für Verluste an Holz enthalten. In rechtlicher Hinsicht bejahte die Rückstellungskommission die Zugehörigkeit der Antragsteller zum Kreis der verfolgten Personen. Es liege daher eine Entziehung vor, bei der die Regeln des redlichen Verkehres nicht eingehalten worden sind. Die Antragsteller haben Anspruch auf die Erträgnisse und der Antragsgegner habe als unredlicher Besitzer gemäß § 335 ABGB alle durch seinen Besitz erlangten Vorteile, welche die Verkürzten erlangt haben würden, zurückzustellen sowie den durch seinen Besitz entstandenen Schaden zu ersetzen. Zu den Vorteilen gehören auch die Erlösbeträge aus den Holzverkäufen. Da aber das Land Kärnten den Antragstellern den ihnen angeblich zugefügten Schaden anlässlich der Wiedergutmachungsaktion ersetzt habe, so können diese weder die Rückstellung der Erlöse aus den erzielten Holzverkäufen noch einen Schadenersatz fordern. Was den Schaden durch Holzdiebstähle anlange, sei die Antragsgegnerin nur zum Schadenersatz verpflichtet, wenn der Schaden durch ihren Besitz entstanden sei.

Die RK hat einen Kausalzusammenhang zwischen der Vermögensentziehung und den Diebstählen nicht als erwiesen angenommen und dazu ausgeführt, dass Holzdiebstähle im größeren Umfange auch in Waldungen vorkommen, deren Besitzer anwesend sind. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass Josef P***** im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse in der Lage gewesen wäre, Holzdiebe von seinen Waldungen fernzuhalten. Ferner sei anzunehmen, dass die Antragsteller von diesen Schäden auch ohne die Besitzentziehung getroffen worden wären. Schließlich sei nicht erweislich, wieviel Holz weggekommen ist und ob es vor oder nach der Aussiedlung den Wäldern der Antragsteller entnommen wurde.

Die ROK hat der gegen die abweisende Entscheidung der RK eingebrachten Beschwerde unter Zulassung der weiteren Beschwerde nicht Folge gegeben und ausgeführt:

Die Antragsteller hätten in ihren Rückstellungsanträgen Schadenersatzansprüche geltend gemacht, zu deren Entscheidung die Rückstellungskommission zuständig sei. Gemäß § 1489 ABGB verjähren aber diese Schadenersatzansprüche innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren und zwar beginne die Frist im Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe der Liegenschaft an die Antragsteller, die am 30. 8. 1949 erfolgt sei. Wenn auch diese Frist bis 30. 9. 1952 auf Grund des Fristengesetzes gehemmt gewesen sei, liege Verjährung vor, da der Rückstellungsantrag erst am 28. 11. 1953 eingebracht worden sei. Der Annahme der Verjährung stehe die Bestimmung des § 3 Abs 2 des 3. Rückstellungsgesetzes nicht entgegen, da diese Gesetzsstelle offensichtlich nur die zur Zeit der Einbringung eines Antrages eingetretene Verjährung oder Ersitzung als nicht eingetreten ansehen wollte.

Im vorliegenden Falle sei aber die Verjährung nicht vor dem Einbringen des ersten Rückstellungsantrages eingetreten, sondern erst nach Abschluss der Vergleiche vom 20. Mai 1948, Rkv 246/47 und 247/47 der Rückstellungskommission beim Landesgericht Klagefurt. Im Übrigen werde die Forderung damit begründet, dass Holz aus den entzogenen Wäldern geschlagen worden sei. Auch bei einer übermäßigen Schlägerung handle es sich um Erträgnisse. Auf die Geltendmachung von Erträgnissen hätten aber die Antragsteller in den genannten Vergleichen verzichtet, sodass auch aus diesem Grunde der Rückstellungsantrag abzuweisen gewesen sei.

Die weitere Beschwerde ist zum Teile begründet. Der Anspruch auf Herausgabe der durch die Holzverkäufe bezogenen Erträgnisse stand den Antragstellern gemäß § 5 des 3. RG zu. Dieser Anspruch ist aber, wie die ROK zutreffend festgestellt hat, verglichen worden. Er kann daher nicht mehr geltend gemacht werden.

Soweit die Antragsteller sich auf Art 26 des Staatsvertrages berufen, ist mit diesem Vorbringen für ihren Standpunkt nichts gewonnen. Denn aus Pkt 1 Art 26 des Staatsvertrages geht nur hervor, dass Österreich entzogenes Vermögen zurückzustellen hat, soweit eine solche Maßnahme nicht schon getroffen ist. Eine solche Maßnahme wurde aber durch die Schaffung des dritten Rückstellungsgesetzes getroffen, sodass im Rahmen des dritten Rückstellungsgesetzes über die Ansprüche zu entscheiden ist. Soweit im Sinne dieses Gesetzes ein Anspruch nicht besteht, hat auch Art 26 des Staatsvertrages dem geschädigten Eigentümer keinen gesonderen Anspruch gegeben. Die Art 6 und 7 des Staatsvertrages beziehen sich nur auf Rechte von Minderheiten und haben mit den Rückstellungsansprüchen nichts zu tun. Der Anspruch auf Ersatz des Schadens, den die Antragsteller durch Diebstähle infolge mangelhafter Aufsicht erlitten haben wollen, setzt die Feststellung voraus, dass die Diebstähle während des unredlichen Besitzes des Antragsgegners verübt worden sind und dass der Schaden nicht eingetreten wäre, wenn die Vermögensentziehung nicht stattgefunden hätte.

Die ROK hat die von den Antragstellern angefochtenen diesbezüglichen Feststellungen der RK nicht überprüft, da sie den Anspruch als verjährt ansah.

Rechtliche Beurteilung

Verjährung liegt aber nicht vor, denn § 3 Abs 2 des 3. RG schließt die Einwendung der Verjährung ganz allgemein aus. Dieser Ausschluss betrifft daher auch die Ansprüche des geschädigten Eigentümers, die er gemäß § 3 Abs 1 des 3. RG auf das ABGB stützt. Die Geltendmachung von Rückstellungsansprüchen, zu denen auch Ansprüche auf Ersatz von Schäden gehören, die durch die Vermögensentziehung veranlasst worden sind, ist daher durch § 14 des 3. RG zeitlich begrenzt. Da die ROK in Ansehung der Holzdiebstähle die Beweiswürdigung der RK nicht überprüft hat, ist die Sache nicht spruchreif. Es musste daher das angefochtene Erkenntnis aufgehoben werden.

Die Fällung eines Teilerkenntnisses war nicht möglich, weil die Antragsteller Globalsummen fordern, ohne dass klar zu ersehen ist, welchen Betrag sie auf Grund der behaupteten mangelhaften Verwaltung und Aufsicht begehren.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 52 ZPO, § 23 Abs 5 des 3. RG.

Rückverweise