JudikaturOGH

3Ob237/55 – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Mai 1955

Kopf

SZ 28/119

Spruch

Auch durch den Tod der Kindesmutter erwächst dem außerehelichen Vater kein Recht auf Erziehung des Kindes.

Entscheidung vom 4. Mai 1955, 3 Ob 237/55.

I. Instanz: Bezirksgericht Eberndorf; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Die Minderjährige war früher bei ihrer Mutter in Pflege und Erziehung. Die Kindesmutter ist jedoch am 15. November 1953 gestorben. Das Kind befindet sich nunmehr bei seinem Onkel und seiner Tante T.

Das Erstgericht hat die Überlassung des Kindes in Pflege und Erziehung des außerehelichen Kindesvaters mit der Begründung angeordnet, daß das Kind bei seinem Onkel und derzeitigen Pflegevater gut untergebracht sei, aber nach den Erhebungen des Gendarmeriepostens V. auch seinem außerehelichen Vater unbedenklich in Pflege und Erziehung übergeben werden könne. Seit dem Tode der Kindesmutter sei noch keine so lange Zeit verstrichen, daß etwa gesagt werden könne, das 11jährige Kind sei bereits zu dem Bewußtsein der Familienzugehörigkeit zur Familie des Pflegevaters gelangt.

Dem dagegen seitens des Bezirksjugendamtes Völkermarkt erhobenen Rekurs wurde Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß der Antrag des außerehelichen Kindesvaters, ihm die Minderjährige in Pflege und Erziehung zu übergeben, abgewiesen wurde.

Das Rekursgericht führte hiezu aus:

Nach den Angaben des Kindesvaters verdiene dieser monatlich 1100 bis 1200 S. Der Onkel der mj. T. habe hingegen als Straßeneinräumer ein festes Einkommen. Entscheidend sei aber, daß die Minderjährige nach dem Antrag des Kindesvaters zusammen mit ihm und seiner Gattin in einer großen Wohnküche leben müßte. Das Zusammenwohnen eines Ehepaares und eines bereits im 12. Lebensjahr stehenden Kindes in einem einzigen Raum, der zum Wohnen, Kochen und Schlafen diene, müsse als sehr ungünstig bezeichnet werden. Es dürfte nur im äußersten Notfall hingenommen werden. Hingegen lebe das Kind bei seinem Onkel in einem Einfamilienhaus. Es schlafe zusammen mit einem anderen Mädchen, das ebenfalls in Pflege genommen wurde, in einem Raum mit zwei sauberen Betten. Dies gehe aus dem Erhebungsbericht vom 24. November 1954 hervor. Obwohl die Verhältnisse auf Seite des außerehelichen Kindesvaters nicht näher überprüft wurden, ergebe sich schon aus seinem eigenen Vorbringen, daß die Wohnverhältnisse außerordentlich schlecht, beim Pflegevater aber sehr gut sind. Auch nach dem Tode der Kindesmutter habe der außereheliche Vater kein unbedingtes Recht auf Erziehung des Kindes, sondern nur die Pflicht, im Notfall einzuschreiten. § 169 ABGB. spreche nur davon, daß der Kindesvater das Kind zu sich nehmen müsse, wenn die Erziehung bei der Kindesmutter ihm zum Schaden gereichen könne. Es bestehe nur eine Verpflichtung des Kindesvaters, keinesfalls aber das Recht auf Erziehung. Jedenfalls komme es aber darauf an, was dem Minderjährigen zum Vorteil gereicht. Da die Verhältnisse beim Onkel T. für die Minderjährige weitaus besser seien als beim Kindesvater, sei der angefochtene Beschluß wie oben abzuändern, zumal der Erstrichter überhaupt nicht begrundet habe, warum an der bisherigen Pflege und Erziehung etwas geändert werden solle.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des außerehelichen Vaters nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Beizupflichten ist der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes, daß zwar unter bestimmten Voraussetzungen eine Verpflichtung des außerehelichen Kindesvaters zur Erziehung des Kindes vom Gesetzgeber normiert wird, diesem aber keinesfalls ein Recht auf eine solche zusteht (§ 169 ABGB.). Hieran wird auch durch den Tod der Kindesmutter nichts geändert. Bei Entscheidung der Frage, ob das Kind dem außerehelichen Kindesvater in Pflege und Erziehung zu überlassen ist oder beim bisherigen Pflegevater verbleiben soll, kann also nur das Wohl des Kindes ausschlaggebend sein. Mit Recht hält aber das Rekursgericht für entscheidend, daß nach den Antragsangaben des Kindesvaters selbst die im 12. Lebensjahr stehende Minderjährige zusammen mit diesem und seiner Gattin in einer großen Wohnküche, sohin in einem einzigen Raum, der zum Wohnen, Kochen und Schlafen dient, untergebracht wäre, während ihr bei dem bisherigen Pflegevater und Onkel T. ein Zimmer zusammen mit einem anderen Pflegekind zur Verfügung steht. Die derzeitigen Umstände der Unterbringung der halbwüchsigen Minderjährigen beim Kindesvater wären daher auch für deren sittliche Wohlfahrt durchaus abträglich und könnten, wie das Rekursgericht zutreffend ausführt, nur im äußersten Notfall hingenommen werden. Insolange diesbezüglich keine Änderung eintritt, müssen demnach die weitaus günstigeren Unterbringungsverhältnisse beim Onkel der Minderjährigen unbedingt zugunsten ihrer Weiterbelassung in Pflege und Erziehung des letzteren den Ausschlag geben, so daß Erhebungen über die erst im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage der Möglichkeit des Besuches der Hauptschule an beiden in Betracht kommenden Erziehungsplätzen vorläufig entbehrlich sind.

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