JudikaturOGH

2Ob694/54 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. November 1954

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Ullrich als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Elsigan und Dr. Gitschthaler sowie die Räte des Oberlandesgerichtes Dr. Lachout und Dr. Hammer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei: des Masseverwalters im Konkurse des Richard B*****, Dr. Roman Pernkopf, Rechtsanwalts, Wien XIII., Hietzinger Hauptstraße 34a, wider die beklagte Partei Käthe H*****, vertreten durch Dr. Ernst Weigl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anfechtung von Rechtshandlungen und Zahlung von S 149.403,-- sNbg. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 9. Juni 1954, GZ 5 R 437/54-49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 12. März 1954, GZ 40 Cg 64/53-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Untergerichte werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte bestellte im Juli 1951 von Richard B***** Eichenparkettbretter und leistete im Juli 1951 eine Anzahlung von S 85.000,--, im August 1951 von S 5.000,-- und später noch eine Anzahlung im Betrage von S 3.000,--. Von der bestellten Ware wurde von Richard B***** nur ein Teil ausgeliefert. Mit dem Schreiben vom 7. 11. 1951 teilte Richard B***** der Beklagten mit, dass die gesamten Eichenholzrohfriesen, die sich in seiner von Hans H***** gepachteten Werkstätte in Siebenhirten befänden, Eigentum der Beklagten seien, das zu ihrer freien Verfügung stehe und dass er sich verpflichtete, binnen acht Tagen die Holzkammer mit Eichenholzrohfriesen anzufüllen, über die die Beklagte ebenfalls als ihr Eigentum verfügen könne. Am 22. 11. 1951 langte beim Konkursgericht ein Antrag eines Gläubigers des Richard B***** auf Einleitung des Konkursverfahrens ein. Der Konkurs über das Vermögen des Richard B***** wurde am 9. Jänner 1952 eröffnet. Die durch den Masseverwalter vertretenen Gläubiger im Konkurse des Richard B***** behaupten, dass die Beklagte in der Zeit vom 9. 11. 1951 bis 19. 11. 1951 Buchen- und Eichenholzfriesen aus dem Lager des Gemeinschuldners in Siebenhirten in der Absicht abgeführt habe, sich vor anderen Gläubigern zu begünstigen und die Gläubiger des Gemeinschuldners zu benachteiligen. Die Beklagte habe schon vor Ausstellung des Schreibens vom 7. 11. 1951 von der Zahlungsunfähigkeit des Richard B***** Kenntnis gehabt und habe seine Zahlungs- und Leistungsfähigkeit insbesondere schon zur Zeit des Abschlusses des Lieferungsvertrages im Juli 1951 bezweifelt. Unter Geltendmachung der besonderen Anfechtungstatbestände der §§ 28, 30 und 31 KO begehren die Gläubiger im Konkurse des Richard B***** die Feststellung, dass ihnen gegenüber die im Schreiben vom 7. 11. 1951 niedergelegten Vereinbarungen unwirksam seien, und die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung des Wertes des abgeführten Holzes im Betrage von S 149.403,-- an die Konkursmasse.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es nahm als erwiesen an, dass Richard B***** am 12. 7. 1951 anlässlich des Abschlusses des Vertrages mit der Beklagten das in Siebenhirten lagernde Holz der Beklagten in seinem ganzen Umfange durch Erklärung übereignet habe. Knapp vor dem 14. September 1951 seien an den Holzstapeln mindestens drei Tafeln angebracht worden, die auf das Eigentum der Beklagten hingewiesen hätten. Die Beklagte habe bereits im Juli 1951 an dem Holzlager das Sicherungseigentum erlangt. Dass der Gemeinschuldner schon damals zahlungsunfähig gewesen sei, sei nicht erwiesen. Die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners habe die Beklagte erst am 30. Oktober 1951 erkannt oder erkennen müssen. Eine Benachteiligungsabsicht der Beklagten oder des Richard B***** in Ansehung der übrigen Gläubiger sei nicht erwiesen. Die geltend gemachten Anfechtungstatbestände seien nicht gegeben. Es sei daher nicht nötig, die Einzelheiten der Vorgänge anlässlich der Besprechung am 7. November 1951 und den Zeitpunkt festzustellen, wann die Beklagte das Holz weggeführt habe.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Zur Begründung des Sicherungseigentums sei eine Übergabe des Holzes nicht nötig gewesen, da es durch Zeichen übergeben worden sei. Die Sicherungsübereignung begründe nach § 10 Abs 3 der Konkursordnung ein Absonderungsrecht. Es sei nicht widerlegt, dass Richard B***** erst vor der zweiten Hälfte September zahlungsunfähig geworden sei. Da die Beklagte den Anspruch auf Sicherungsübereignung in der ersten Hälfte des Juli 1951 erworben habe, komme es auf den Zeitpunkt der Übergabe des Holzes an die Beklagte nicht an. Die klagende Partei habe nicht nachgewiesen, dass die Beklagte den Anspruch auf Sicherungsübereignung - auf kongruente Deckung - in den letzten Tagen vor dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners erworben habe.

Die Kläger bekämpfen die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit Revision. Als Revisionsgründe machen sie Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise begehren sie die Aufhebung der Urteile der Untergerichte und die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung.

Die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird darin erblickt, dass das Erstgericht zahlreiche für die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes erforderliche Feststellungen unterlassen habe. Es sei nicht erörtert worden, ob die Eigentumstafeln mit Zustimmung des Gemeinschuldners angebracht worden seien, welches der Inhalt des zwischen der Beklagten und dem Gemeinschuldner abgeschlossenen Lieferungsvertrages sei, insbesondere wann der Gemeinschuldner zu liefern gehabt hätte, wann die Zahlungsunfähigkeit eingetreten sei und welche Absicht der Gemeinschuldner mit den angefochtenen Rechtshandlungen verfolgt habe. Auch hinsichtlich des Tatbestandes nach § 28 KO habe das Erstgericht die maßgebenden Feststellungen unterlassen. Als Neuerung bringen die Revisionswerber vor, dass das von der beklagten Partei abgeholte Holz zum Großteil verschiedenen Auftraggebern des Gemeinschuldners gehört habe und dass die Einräumung des Sicherungseigentums hinsichtlich des fremden Eigentums unwirksam sei. Die Revisionswerber versuchen darzutun, dass auch nach den erstgerichtlichen Feststellungen die Tatbestände einer Anfechtung wegen Begünstigung und wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gegeben seien. Für die Begründung des Sicherungseigentums genüge die Anbringung von Eigentumstafeln auf einem ständig wechselnden Holzlager nicht.

Die wirtschaftliche Grundlage der Sicherungsübereignung bildet das Kreditbedürfnis des Geschäftsverkehrs, welches mit der gesetzlich geregelten Sicherungsform des Faustpfandes nicht mehr das Auslangen findet, weil er auch solche Fahrnisse als Kreditunterlage heranzuziehen genötigt ist, welche dem Schuldner unentbehrlich und deshalb zur Pfandbestellung nicht verwendbar sind. Die Rechtslehre unterlässt jedoch nicht darauf hinzuweisen, dass diese Geschäftsfigur wegen der mangelnden Offenkundigkeit gefährlich ist und zu Kreditbetrug und Schiebungen verwendet wird (Klang in Komm zu § 424, zweite Auflage S 301). Dem Wesen der Sicherungsübereignung als eines Sicherungsgeschäftes entspricht es, den Gläubiger zur Veräußerung der ihm übereigneten Sache, zur Verrechnung des Erlöses auf seine Forderung und zur Herausgabe des Überschusses zu verpflichten (Klang S 304). Nach der herrschenden Rechtslehre kann im Falle der Verpfändung einer Gesamtsache die Auswechslung nicht dem Gutdünken des Verpfänders überlassen werden, da der Gläubiger nach § 451 ABGB die verpfändete Sache in Verwahrung nehmen und der Verfügung des Schuldners entziehen muss. Die Bestellung von Pfandrechten an Warenlagern mit wechselndem Bestand sei nur möglich, wenn durch geeignete Maßnahmen, etwa durch Mitsperre des Gläubigers oder durch Bestellung einer Aufsichtsperson das dem Faustpfand entsprechende Verhältnis hergestellt werde. Gegenstand der Rechtsübertragung seien die Einzelsachen und nicht die Gesamtsache (Ehrenzweig I/2 S 50, 51, Klang zu § 302 ABGB, zweite Auflage S 39). Diese Grundsätze müssen aber auch für den Fall der Sicherungsübereignung Anwendung finden. Die österreichische Rechtsprechung verlangt für die Sicherungsübereignung im Gegensatz zur Rechtsprechung des Reichsgerichtes die für den Erwerb des Pfandrechtes vorgeschriebene Übergabe (Palandt, Kommentar zu § 930 BGB 12, Aufl. Schey-Kapfer, ABGB Anm 12). Sachen, die erst künftig in den Besitz des Veräußerers gelangen, können nicht durch ein Besitzkonstitut im vorhinein übergeben werden (Schey-Kapfer, Anm 14.) Ist die Auswechslung des Warenlagers völlig in das Belieben des Schuldners gestellt, oder nur dadurch beschränkt, dass das Warenlager nach dem Ermessen des Schuldners immer den gleichen Wert darstellen solle, so kann von einer Gewahrsame des Gläubigers an den Einzelstücken des Warenlagers nicht die Rede sein. Der Rechtsgegenstand der Sicherungsübereignung wäre völlig unbestimmt und es wäre dem Schuldner - insbesondere im Stande des imminenten Konkurses - leicht möglich, Vermögensbestandteile dem Zugriff eines oder mehrerer Gläubiger zu entziehen. Durch eine derartige Form der Sicherungsübereignung wäre das Warenlager nicht der Verfügung des Schuldners entzogen; sie ist im Interesse der Rechtssicherheit abzulehnen. Daran würde auch nichts geändert, wenn sich auf dem einer ständigen Auswechslung unterliegenden Holzlager seit Mitte September drei Eigentumstafeln befunden hätten. Die Übergabe durch Zeichen stellt nur eine besondere Form der Übergabe dar, die der Erwerbung des Besitzes dienen soll.

Rechtliche Beurteilung

Den Revisionswerbern ist zuzugeben, dass die erstgerichtlichen Feststellungen äußerst dürftig sind und eine rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Sachverhaltes nicht ermöglichen. Der wesentliche Teil der Ausführungen des erstgerichtlichen Urteils betrifft das beiderseitige Vorbringen und die Wiedergabe des Inhaltes von Zeugenaussagen, ohne dass zweifelsfrei erkennbar wäre, ob das Erstgericht den gesamten Inhalt jener Zeugenaussagen, die als glaubwürdig bezeichnet wurden, als erwiesen angenommen hat. Nach den Aussagen der vom Erstgericht als glaubwürdig angenommenen Zeugin Käthe Wotapka und der Beklagten hätte Richard B***** der Beklagten anlässlich der Übereignung des Holzes erklärt, dass immer neue Waren zum Lager hinzukämen, der Bestand jedoch wertmäßig der gleiche bliebe, weil die Ware durch eine Menge gleichwertiger Waren ergänzt werde. Dass der Warenbestand trotz der Auswechslung immer den gleichen Wert darstellte, ist übrigens von den Zeugen nicht behauptet worden. Der Zeuge Richard B***** hat angegeben, dass die Roherzeugung in seinem Betrieb in Hütteldorf stattgefunden habe, dass die Roherzeugnisse nach Siebenhirten gebracht und von dort nach Bearbeitung nach ungefähr acht Tagen wieder weggebracht worden seien. Aus seiner Aussage und der Aussage der Zeugin Maria Haber könnte entnommen werden, dass noch mehrere Wochen nach Mitte September 1000 m3 an Rohfriesen nach Siebenhirten gebracht und 400 - 500 m3 weggeschafft wurden. Bei einem derartig wechselnden Bestand des Warenlagers wäre aber die behauptete Sicherungsübereignung ohne Mitsperre der Beklagten für die Begründung des Sicherungseigentums untauglich gewesen und es hätte die Abweisung des Klagebegehrens auch nicht darauf gestützt werden können, dass die Beklagte durch die Wegführung des Holzes und die Vereinbarung vom 7. 11. 1951 nur eine kongruente Deckung erhalten hat.

Das Erstgericht hat festgestellt, dass eine Benachteiligungsabsicht der Beklagten oder des Richard B***** in Ansehung der übrigen Gläubiger nicht erwiesen sei. Die Frage, ob eine Benachteiligungsabsicht vorhanden war, fällt jedoch zum Teil auch in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung. Eine Benachteiligungsabsicht ist anzunehmen, wenn jemand die Möglichkeit eines nachteiligen Erfolges für die Gläubiger auf sich nimmt, oder wenn der Gemeinschuldner weiß, dass ein Geschäft ohne Nachteil für die Gläubiger nicht durchzuführen ist. Für den Tatbestand des § 28 Z 2 KO genügt es, wenn der andere Teil diese Absicht kennen, wenn ihm genügend verdächtige Umstände nachweislich bekannt sein mussten (Bartsch, Konkursrecht, zu § 28 KO S 177 u 179). Da von den Unterinstanzen nicht erörtert wurde, ob Richard B***** die Möglichkeit eines nachteiligen Erfolges für die Gläubiger auf sich genommen hat, ob die Beklagte von dieser Absicht wusste oder wissen musste, kann von dem Revisionsgericht zu dem Tatbestand nach § 28 Z 1 und 2 KO nicht Stellung genommen werden.

Die Vereinbarung vom 7. 11. 1951 fiele in den Zeitraum des materiellen Konkurses. Die beklagte Partei hat zunächst behauptet, dass sie mit dem Wegbringen des Holzes am 15. November 1951 begonnen habe (S 9), später hat sie den Beginn des Abtransportes auf den 30. Oktober 1951 (S 52) und schließlich auf den 20. Oktober 1951 zurückverlegt (S 65). Das Erstgericht hat eine Feststellung, wann die Beklagte mit dem Abtransport begonnen hat, nicht getroffen. Es lässt sich daher nicht sagen, in welchem Ausmaße Holz nach Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit (30. Oktober 1951) weggebracht wurde. Nach dem unbestrittenen Vorbringen beider Teile wurden anlässlich der Vereinbarung vom 7. 11. 1951 zwischen den Parteien Besprechungen gepflogen. Die Feststellung des Inhaltes dieser Besprechungen und des Inhaltes des zwischen der Beklagten und B***** geschlossenen Liefervertrages wäre aber für die Beurteilung der geltend gemachten Anfechtungstatbestände, insbesondere für die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte eine kongruente Deckung erhalten hat, erforderlich gewesen. Schließlich haben die Unterinstanzen auch nicht erörtert, ob die Voraussetzungen für den allgemeinen Anfechtungstatbestand (§ 27 KO) gegeben sind. Das Vorbringen der Revisionswerber, dass die Sicherungsübereignung und der Abtransport zum großen Teil fremdes Vermögen betrafen, ist zwar als Neuerung nicht beachtlich. Da zur Begründung eines Anfechtungsanspruches neben dem besonderen Anfechtungstatbestand auch der allgemeine Anfechtungstatbestand vorhanden sein muss, wäre zunächst zu erörtern gewesen, ob die als anfechtbar bezeichneten Rechtshandlungen überhaupt das Vermögen des Gemeinschuldners betreffen. Verfügungen über fremdes Vermögen sind unanfechtbar. Auch in diesem Punkte lässt das erstgerichtliche Urteil genaue Feststellungen vermissen.

Die angeführten Feststellungsmängel machten die Aufhebung der Urteile der Untergerichte und die Zurückverweisung der Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz erforderlich. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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