JudikaturOGH

Präs57/54 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 1954

Kopf

SZ 27/161

Spruch

Judikat 59.

Beim Zusammentreffen von Leistungen aus der Krankenversicherung mit solchen zusätzlichen Leistungen des Dienstgebers, auf die der Dienstnehmer einen Anspruch hat, richtet sich der Anspruch des erkrankten Dienstnehmers auf Wohnungsbeihilfe gegen den Dienstgeber.

Gutachten des Obersten Gerichtshofes vom 29. Mai 1954, Präs 57/54.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Der Anspruch auf Wohnungsbeihilfe ist in § 3 des Gesetzes vom 21. September 1951, BGBl. Nr. 229, über Wohnungsbeihilfen (WBG.) geregelt. Einen solchen Anspruch haben u. a. nach lit. a die Personen, die auf Grund eines Dienst- oder Lehrverhältnisses oder als Heimarbeiter einen Anspruch auf Entgelt haben, und nach lit. f auch die Empfänger wiederkehrender Geldleistungen aus der Sozialversicherung der im § 8 Abs. 1, erster Satz, des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes 1951, BGBl. Nr. 189, bezeichneten Art (d. i. Kranken-, Unfall-, Renten- und Zuschußversicherung). In § 5 WBG. wird bestimmt, gegenüber welchen Personen der Anspruch auf Wohnungsbeihilfe besteht; nach Abs. 1 besteht dieser Anspruch in erster Linie gegenüber der Person, die zu den im § 3 genannten Leistungen, den sogenannten "Grundleistungen", verpflichtet ist. Treffen aber mehrere Grundleistungen zusammen, gebührt nach Abs. 2 die Wohnungsbeihilfe nur zu einer dieser Leistungen und zwar in der Reihenfolge, daß sie zuerst von der Person zu leisten ist, gegen die ein Anspruch auf Entgelt besteht; als weitere Leistungsverpflichtete kommen nacheinander die Personen in Betracht, gegen die ein Anspruch auf Abfertigung, Urlaubsentgelt, Ruhe(Versorgungs)entgelt, Arbeitslosengeld, Sozialversicherungsleistungen, Geldleistungen aus der Kriegsopferversorgung usw. besteht. In erster Linie ist daher die Person zur Leistung der Wohnungsbeihilfe verpflichtet, die eine Verpflichtung zur Leistung eines Entgelts auf Grund eines Dienst- oder Lehrverhältnisses trifft, also in der Regel der Dienstgeber. Beim Zusammentreffen von Leistungen aus der Krankenversicherung mit zusätzlichen Leistungen des Dienstgebers hat nach der in § 5 Abs. 2 WBG. angeführten Reihenfolge der Sozialversicherungsträger erst dann für die Bezahlung der Wohnungsbeihilfe aufzukommen, wenn dem erkrankten Dienstnehmer ein Anspruch auf Entgelt gegenüber seinem Dienstgeber nicht zusteht. Die entscheidende Frage ist daher, ob die zusätzlichen Leistungen des Dienstgebers ein Arbeitsentgelt darstellen, auf das der Dienstnehmer Anspruch hat.

Soweit Gerichte diese Frage verneint haben, sind sie davon ausgegangen, daß nach § 189 Abs. 1 RVO., welche Bestimmung im Sinn des Sozialversicherungs-Überleitungsgesetzes BGBl. Nr. 142/1947 österreichisches Recht geworden ist, der Anspruch auf Krankengeld zwar ruht, wenn und soweit der Versicherte während der Krankheit Arbeitsentgelt erhält, daß jedoch Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krankengeld auch dann nicht als Arbeitsentgelt zu werten sind, wenn sie auf einer Verpflichtung beruhen; sie haben daraus gefolgert, daß die Ansprüche des erkrankten Dienstnehmers auf zusätzliche Leistungen seines Dienstgebers lediglich auf sondervertraglichen Vereinbarungen (normalerweise im Kollektivvertrag) beruhen, aber nicht mehr Ansprüche aus dem Arbeitsvertrage sind und daß daher in diesen Fällen der Sozialversicherungsträger entweder überhaupt allein und bedingungslos oder nur dann, wenn die zusätzlichen Leistungen des Dienstgebers die aus der Krankenversicherung nicht übersteigen, zur Zahlung der Wohnungsbeihilfe verpflichtet ist.

Nach der Ansicht des Plenarsenates ist zunächst die zum Teil in der Rechtsprechung vertretene Meinung, daß der erkrankte Dienstnehmer von der Stelle die Wohnungsbeihilfe zu beanspruchen hat, die die höhere Leistung an ihn erbringt, abzulehnen, da sie durch keine Bestimmung des Wohnungsbeihilfengesetzes gedeckt ist. Eine derartige Regelung ist lediglich in dem Sonderfall des § 5 Abs. 4 vorgesehen, nämlich beim Zusammentreffen mehrerer Grundleistungen nach § 3 lit. d (d. i. Ruhe-, Versorgungsgenuß); nur hier ist zur Gewährung der Wohnungsbeihilfe die Stelle verpflichtet, die höhere (höchste) Grundleistung erbringt. Da auch die Sonderbestimmungen der Abs. 3 und 5 den dem Gutachten zugrundegelegten Sachverhalt nicht berühren, muß es hier bei der Regelung des Abs. 2 sein Bewenden haben, aus der sich die Verpflichtung zur Leistung der Wohnungsbeihilfe nur nach der Reihenfolge der Grundleistungen, nicht aber nach ihrer Höhe ergibt.

Die - gewöhnlich in den Kollektivverträgen - vom Dienstgeber übernommene Verpflichtung, dem erkrankten Dienstnehmer auch nach den ihm gemäß § 1154b ABGB. gebührenden Leistungen noch eine gewisse Zeit hindurch bestimmte Leistungen neben dem Krankengeld zu erbringen, steht mit dem Dienst- oder Arbeitsvertrag in einem unlöslichen Zusammenhang; der Dienstnehmer hat auf diese Leistungen einen klagbaren Anspruch. Wenn auch diese Leistungen des Dienstgebers nicht mit unmittelbaren Gegenleistungen des Dienstnehmers korrespondieren, können sie - schon mit Rücksicht auf ihre vertragliche Begründung - nicht als eine freiwillige Zuwendung angesehen, müssen vielmehr - ebenso wie die dem Dienstnehmer nach § 1154b ABGB. zukommenden Leistungen - als Entgelt beurteilt werden.

Die früher erwähnte Bestimmung des § 189 Abs. 1 RVO. betrifft ausschließlich den Anspruch des erkrankten Dienstnehmers auf das Krankengeld und läßt ihn davon unberührt, daß der Dienstgeber - sei es ohne, sei es auf Grund einer vertraglichen Verpflichtung - einen Zuschuß zum Krankengeld leistet. Diese Bestimmung ist in dem die Krankenhilfe regelnden Abschnitt der Reichsversicherungsordnung (§§ 182 ff.) enthalten und nur für die damit im Zusammenhang stehenden Fragen erlassen worden. Sie darf aus diesem Zusammenhang nicht herausgerissen und kann daher mit dem erst wesentlich später erlassenen Wohnungsbeihilfengesetz nicht verquickt werden. Übrigens läßt gerade die erwähnte Bestimmung der Reichsversicherungsordnung erkennen, daß ihr Gesetzgeber auch in dem Zuschuß des Dienstgebers zum Krankengeld, zumindest soweit dieser auf einer Verpflichtung beruht, ein dem Dienstnehmer gebührendes Entgelt erblickt und es daher für notwendig erachtet hat, für dieses Entgelt, das sonst den Bezug des Krankengeldes verhindert hätte, eine Ausnahmeverfügung zu treffen. Der Plenarsenat ist daher der Ansicht, daß diese Ausnahmebestimmung der Reichsversicherungsordnung auch in das Wohnungsbeihilfengesetz hätte aufgenommen werden müssen, wenn die zusätzlichen Leistungen des Dienstgebers zum Krankengeld, sofern er zu ihnen vertraglich verpflichtet ist, nicht ein Entgelt im Sinne des § 3 lit. a WBG. darstellen sollten.

Aus diesen Erwägungen wurde daher das oben wiedergegebene Gutachten beschlossen.

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