1Ob524/53 – OGH Entscheidung
Kopf
SZ 26/177
Spruch
Zum Unterschied zwischen den Bestimmungen des § 1155 ABGB. und § 1162b ABGB.
Entscheidung vom 2. Juli 1953, 1 Ob 524/53.
I. Instanz: Bezirksgericht Voitsberg; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Das Erstgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 4600 S an Dienstbezügen für die Zeit vom 20. Oktober 1950 bis 31. März 1951 verurteilt.
Das Berufungsgericht hat den Standpunkt des Erstgerichtes geteilt, daß der Kläger einen Entlassungsgrund nicht gesetzt hat, daß das Dienstverhältnis, da der Kläger zu den begünstigten Personen des Invalidenentschädigungsgesetzes gehört, ohne Zustimmung des Invalidenausschusses nicht gelöst werden konnte und daß der Kläger daher den Anspruch auf Lohnzahlung für die genannte Zeit nicht verloren hat. Es hat jedoch von der Klagssumme den Betrag von 796 S, den der Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichtes vom 14. bis 22. Feber und vom 23. Feber bis 12. März 1951 verdient hat, in Abzug gebracht und dem Kläger nur einen Betrag von 3804 S zugesprochen.
Der Oberste Gerichtshof hat der Revision der klagenden Partei nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Sowohl § 1155 als auch § 1162b ABGB. sehen vor, daß im Falle einer Dienstverhinderung auf Seiten des Dienstgebers oder im Falle einer ungerechtfertigten Entlassung oder eines vom Dienstgeber verschuldeten Austrittes ein sonstiger Verdienst des Dienstnehmers auf die Bezüge anzurechnen ist. Die Bestimmungen unterscheiden sich dadurch, daß § 1162b die Anrechnung erst für die Zeit nach Ablauf von drei Monaten anordnet, während nach § 1155 die Anrechnung sofort stattfindet. Doch spielt dieser Unterschied im vorliegenden Falle keine Rolle. Denn der angerechnete Verdienst des Klägers fällt erst in die Zeit nach Ablauf von drei Monaten seit der ungerechtfertigten Entlasssung.
Daß die Anrechnung auch in Fällen willkürlichen Annahmeverzuges stattzufinden hat, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits in den Entscheidungen 4 Ob 51/50 und 4 Ob 9/51 ausgesprochen. Es ist auch nicht einzusehen, warum dieser Fall anders behandelt werden sollte als ein vom Dienstgeber verschuldeter Austritt oder eine ungerechtfertigt ausgesprochene Entlassung. Die von der Revision herangezogene Entscheidung 4 Ob 114/51 nimmt zur Frage der Anrechnung nicht Stellung. Es ist allerdings richtig, daß bei Entlassungen und Kündigungen, die nach § 8 Abs. 2 Invalideneinstellungsgesetz und auf § 25 Abs. 3 BRG. unwirksam sind, die Dienstpflicht nicht wie bei ungerechtfertigter Entlassung entfällt. Doch ist ja auch im Falle des § 1155 ABGB. die Dienstpflicht nicht erloschen. Es ist auch nicht richtig, daß der Dienstgeber bei einem Dienstnehmer, der jederzeit leicht eine Beschäftigung finden kann, den Abfertigungsanspruch gefahrlos dadurch umgehen könnte, daß er ihn ohne Kündigung nicht beschäftigt und ihn dadurch zwingt, von der Arbeitsmöglichkeit bei einem anderen Dienstgeber Gebrauch zu machen. Der Dienstgeber hätte nichts zu bezahlen, der Abfertigungsanspruch wäre aber nicht fällig, weil das Dienstverhältnis nicht beendet ist. Doch übersieht die Revision, daß ein solches Verhalten einen wichtigen Grund für den Austritt des Dienstnehmers bilden müßte. Der Dienstnehmer kann also, wenn er nicht beschäftigt wird und einen entsprechenden sicheren Posten bei einem anderen Dienstgeber gefunden hat, den Abfertigungsanspruch jederzeit durch seinen Austritt zur Entstehung bringen.
Die Revision verweist schließlich darauf, daß die Bestimmungen über die Anrechnung des Arbeitsverdienstes nachgiebigen Rechtes sind und im gegebenen Fall durch Art. XVI des für das Dienstverhältnis maßgebenden Kollektivvertrages derogiert werden. Diesen Erwägungen kann jedoch nicht gefolgt werden. Art. XVI C betrifft zunächst überhaupt nur Betriebsstörungen und Arbeitsausfälle aus Mangel an Roh- und Betriebsstoffen. Er gilt also nur unter Voraussetzungen, die hier nicht in Betracht kommen, und schränkt für diese Fälle die Ansprüche der Dienstnehmer auf 70% des Lohnes auf die Höchstdauer von 14 Tagen ein, eine Einschränkung die hier ebensowenig wie der Ausschluß des Anrechnungsrechtes Platz greifen kann.
Die Revision erweist sich also nicht als begrundet.