2Ob456/53 – OGH Entscheidung
Kopf
SZ 26/169
Spruch
Bei einer unerlaubten auflösenden Bedingung ist der ganze Vertrag nichtig.
§ 898 ABGB. ist nicht anzuwenden.
Entscheidung vom 26. Juni 1953, 2 Ob 456/53.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz.
Text
Im Vertrag, mit dem die Klägerin und ihr verstorbener Mann dem Beklagten, ihrem Sohn, die Liegenschaften EZ. 21, KG. D., und EZ. 20, KG. G., samt Zubehör und Fahrnissen um 5000 GS übergaben und sich auf Lebenszeit die Fruchtnießung vorbehielten, verpflichtete sich der Beklagte für den Fall seiner Verehelichung, die übernommenen Liegenschaften samt Zubehör und Fahrnissen um den Preis von 5000 GS seinen im Hause lebenden ledigen Geschwistern zu überlassen und in die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes zu deren Gunsten zu willigen. Nach der Verehelichung des Beklagten strebte seine Schwester Frieda R. unter Berufung auf Punkt 5 des Übergabsvertrages mit der Klage 8 Cg 192/49 des Landesgerichtes G. die Übergabe der Liegenschaften samt Zubehör und Fahrnissen an, hatte jedoch damit keinen Erfolg. Der Oberste Gerichtshof billigte die abweisende Entscheidung der zweiten Instanz und sprach mit seinem Urteil vom 30. Jänner 1952, 2 Ob 29/52, den ins Spruchrepertorium unter Nr. 33 eingetragenen Rechtssatz aus, daß auch freiwillige Unterwerfung unter eine unerlaubte Bedingung, vor allem des Eheverbotes nach § 700 ABGB., nicht deren Unzulässigkeit beseitigt. Zur Frage der Gültigkeit des Übergabsvertrages nahm die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Vorprozeß nicht Stellung.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Mutter des Beklagten dessen Verurteilung zur Übergabe der Liegenschaften samt Zubehör und Fahrnissen zur Hälfte und zur Einwilligung der grundbücherlichen Einverleibung des Eigentumsrechtes auf diese Liegenschaftshälften, weil die Vereinbarung unter Punkt 5 des Übergabsvertrages als auflösende Bedingung der Nichtverehelichung des Beklagten die Ungültigkeit des ganzen Vertrages zur Folge habe.
Das Erstgericht hat dem Klagebegehren gemäß erkannt.
Das Berufungsgericht hat infolge Berufung des Beklagten dagegen das Urteil erster Instanz mit Rechtskraftsvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung ans Erstgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß die rechtliche Natur des Übergabsvertrages als zweiseitigen Rechtsgeschäfts unter Lebenden eine analoge Anwendung der nur für letztwillige Anordnungen getroffenen Bestimmungen des § 700 ABGB. ausschließe. Der Beklagte habe durch die Behauptung, Klägerin sei bereits im Oktober 1947 durch den Notar Dr. S. aufmerksam gemacht worden, daß die Bedingung der Übergabe im Falle der Verehelichung des Übernehmers unsittlich und unerlaubt sei, zugestanden, daß die Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine Kenntnis von der Unerlaubtheit der gegenständlichen Vertragsbestimmung gehabt habe. Nach der vom Beklagten in seiner Berufung gegebenen Darstellung hätten beide Parteien von der Unerlaubtheit dieser Bestimmung keine Kenntnis gehabt. Da die Klägerin Ungültigkeit des Vertrages wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot geltend mache und ihn nicht etwa wegen Irrtums anfechte, seien die Folgerungen des Beklagten, daß ein Teil den Vertrag nicht anfechten könne, nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht sei aber der Auffassung, daß die Unerlaubtheit einer Teilbestimmung des Übergabsvertrages vom 17. Juli 1932 nicht notwendigerweise den ganzen Vertrag nichtig mache und im Zweifel der Vertrag soweit als möglich aufrecht bleiben solle. Der Grundsatz utile per inutile non vitiatur, der zwar ausdrücklich in § 878 ABGB. nur für den Fall gelte, als Unmögliches und Mögliches zugleich bedungen wurde, sei analog anzuwenden, wenn ein Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoße. Der Grundsatz, Geschäfte im Zweifel soweit als möglich aufrechtzuerhalten, komme auch in der Bestimmung des § 872 ABGB. zum Ausdruck, wonach Verträge dann, wenn der Irrtum weder die Hauptsache noch eine wesentliche Beschaffenheit derselben, sondern einenNebenumstand betreffe, aufrecht bleiben, insofern beide Parteien in den Hauptgegenstand gewilligt und den Nebenumstand nicht als vorzügliche Absicht erklärt haben. Eine Bedachtnahme auf diese Bestimmung sei im vorliegenden Falle umsomehr geboten, als sich beide Streitteile hinsichtlich der Erlaubtheit der Vertragsbestimmung nach ihrem Vorbringen in einem Rechtsirrtum befanden, welcher Umstand allerdings nicht geltend gemacht wurde. Von seiner Rechtsansicht ausgehend, meint das Berufungsgericht, seien aber die Behauptungen des Beklagten, daß es sich bei der Verabredung im Punkt 5 des Übergabsvertrages nicht um einen essentiellen Bestandteil des Übergabsvertrages vom 17. Juli 1932 handle und der Wille der Parteien dahingegangen sei, die Liegenschaften jedenfalls noch zu Lebzeiten des Ehegatten der Klägerin allen Kindern zu übergeben, daß sie sich wegen Untunlichkeit einer solchen Übergabe zur Übergabe an den Beklagten allein entschlossen, die Übergabe an den Beklagten aber auch dann durchgeführt hätten, wenn der Notar die Klausel über das Eheverbot für gesetzwidrig befunden hätte, von entscheidender Bedeutung. Träfen die Behauptungen des Beklagten zu, so könne der Unerlaubtheit der kritischen Vertragsbestimmung nicht die Wirkung einer gänzlichen Vernichtung des Übergabsvertrages beigelegt werden. Da aber das Erstgericht über das bezügliche Vorbringen des Beklagten keine Beweise aufgenommen und keine Feststellungen getroffen habe, sei das Verfahren mit dem Mangel des § 496 Z. 2 ZPO. behaftet.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der klagenden Partei Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem neuerliche Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die für die Entscheidung des Rechtsfalles maßgebliche Bestimmung ist nicht die des § 878 ABGB., sondern die des § 898 ABGB., der ausdrücklich anordnet, daß Verabredungen unter solchen Bedingungen, die bei einem letzten Willen für nicht beigesetzt angesehen werden, ungültig sind. Die §§ 897 bis 900 ABGB. handeln von den Bedingungen unter der Rubrik "Nebenbestimmungen bei Verträgen". Nach der Regel des § 898 ABGB. machen unmögliche oder unerlaubte Bedingungen sowie die Bedingung der Nichtverehelichung, gleichviel ob suspensiv oder resolutiv, Rechtsgeschäfte unter Lebenden ungültig. Das hat seinen Grund in der Zweiseitigkeit des Verhältnisses. Während bei den letztwilligen Erklärungen nur dem Testator, der die Bedingung gesetzt hat, der Vorwurf unerlaubten oder unsittlichen Verhaltens treffen kann und es daher unbillig wäre, den Bedachten, den keinerlei Verschulden an dem Zustandekommen des verpönten Geschäfts trifft, die Rechtswidrigkeit des anderen entgelten zu lassen, setzen bei Verträgen beide Teile sich mit dem Gesetz oder den guten Sitten in Widerspruch, so daß die Berücksichtigung des einen, der die Bedingung beantragt, ebenso wenig amPlatz wäre, wie die des anderen, der sie annimmt (Gschnitzer bei Klang, 2. Aufl. zu § 898, S. 318 f.). Mit Recht hebt dieser Schriftsteller hervor, daß für den Teil, der an dem Unterbleiben des Unerlaubten, das zur auflösenden Bedingung gemacht wurde, interessiert ist, eine Begünstigung deshalb nicht angebracht wäre, weil er für den anderen, dessen Vorteil mit dem Eintritt der Bedingung verknüpft ist, den Anreiz zur Herbeiführung des mißbilligten Ereignisses schafft. Nur eine scheinbare Ausnahme von dem Satz der Vernichtung von Verträgen wegen unerlaubter oder unsittlicher Bedingungen tritt dann ein, wenn durch Auslegung feststellbar ist, daß die Parteien über die Unzulässigkeit der Bedingung im Zweifel und für den Fall ihres Bestehens das Geschäft als unbedingtes gewollt hatten. Dasselbe gilt von der als unerlaubt gekennzeichneten Bedingung des Eheverbotes (Gschnitzer bei Klang a. a. O.). Bei Verträgen wirkt die auflösend unerlaubte Bedingung wie die aufschiebende: der Vertrag wird ungültig (Ehrenzweig, allgemeiner Teil, § 98). Dieser Autor ist der Meinung, daß sich § 898 ABGB. für auflösende unmögliche Bedingungen im Gegensatz zu den auflösenden unerlaubten Bedingungen nicht anwenden lasse. In diesem Sinne unterscheidet auch Swoboda, 3. Teil, Recht der Schuldverhältnisse,S. 61 f., wenn er darauf verweist, daß nach dem bloßen Wortlaut des § 898 auch im Falle der unmöglichen auflösenden Bedingungen die ganze Verabredung ungültig wäre, jedoch nicht übersehen werden dürfe, daß es sich beim ABGB. um ein Gesetzbuch handle, das dem Grundsatz der Harmonie des Zivilrechtes eine entscheidende Bedeutung bei der Auslegung seiner Bestimmungen eingeräumt habe und daß daher für die Lösung der Frage auch auf jene Bestimmung Bedacht genommen werden müsse, die in erster Linie die Möglichkeit einer vereinbarten Leistung zum Gegenstand hat, d. i. auf den § 878, der durch die dritte Teilnovelle eine wesentliche Änderung erfahren habe, die auch die Tragweite des § 898, soweit unmögliche auflösende Bedingungen in Betracht kommen, entscheidend beeinflusse. Diese Bestimmung, wonach, wenn Mögliches und Unmögliches zugleich bedungen ist, der Vertrag im ersten Teil gültig bleibt, sofern aus dem Vertrag nicht hervorgeht, daß kein Punkt von den anderen abgesondert werden kann, sei auch auf unmögliche auflösende Bedingungen eines Vertrages anzuwenden und bedinge dadurch eine einschränkende Auslegung der Vorschrift des § 898 ABGB. Aber auch dieser Schriftsteller steht auf dem Standpunkt, daß unmögliche aufschiebende und unerlaubte Bedingungen, u. zw. unerlaubte Bedingung den Vertrag und damit das ganze Rechtsgeschäft ungültig machen. Der strengere Standpunkt des Gesetzes bei Verträgen stehe im Einklang mit der allgemeinen Bestimmung des § 879 ABGB. und müsse auch für die Bedingung gelten, die gegen die guten Sitten verstoße (Swoboda, Recht der Schuldverhältnisse, S. 62).
Das Revisionsgericht schließt sich der herrschenden Lehre, soweit sie für die Vernichtung des ganzen Vertrages bei unerlaubten auflösenden Bedingungen eintritt, an, weil sie mit Sinn und Wortlaut des Gesetzes im vollen Einklang steht und jede andere Auslegung überdies zu keineswegs billigen Ergebnissen führt. Sind beide Teile an einer unerlaubten Vertragsbedingung gleich unschuldig oder schuldig, so fehlt jeder vernünftige Grund, einen Teil vor dem anderen zu begünstigen. Die Bestimmung des § 878 ABGB. kommt hier im Hinblick auf die Spezialvorschrift des § 898 ABGB., die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt, überhaupt nicht zur Anwendung. Eine Behauptung, daß die Parteien über die Unzulässigkeit der Bedingung (gemeint natürlich im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses) im Zweifel waren und für den Fall des Bestehens der Zweifel das Geschäft als unbedingtes gewollt hätten, ist nach der Aktenlage nicht aufgestellt worden. Dagegen steht fest, daß Punkt 5 des Übergabsvertrages vom 17. Juli 1932 die Bedingung enthält, der Beklagte müsse für der Fall der Verehelichung die Liegenschaften samt Zubehör und Fahrnissen um den Preis von 5000 GS den Kindern der Übergeber, die im Zeitpunkt der Verehelichung des Übernehmers ledig sind, übergeben. Diese Bestimmung, auf die sich Frieda R. bei ihrer Klageführung in 8 Cg 192/49 berufen hat, ist als unerlaubte Bedingung qualifiziert worden. Eine Vereinbarung aber unter solchen Bedingungen, die bei einem letzten Willen als nicht beigesetzt angesehen werden, ist gemäß § 898 ABGB. ungültig. Angesichts der sonstigen Beurteilung der Rechtslage durch das Berufungsgericht, die das Revisionsgericht als zutreffend billigt, erscheint die Sache spruchreif und besteht keine Veranlassung zur Durchführung irgendwelcher ergänzender Erhebungen. Es war daher der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgerichte unter Abstandnahme vom gebrauchten Weisungsgrunde die neuerliche Entscheidung aufzutragen.