JudikaturOGH

1Ob422/52 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Mai 1952

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Wahle als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellner, Dr. Hohenecker, Dr. Schmeisser und Dr. Kralik als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H*****, vertreten durch Dr. Stefan Hedl, Rechtsanwalt in Weiz bei Graz, wider die beklagte Partei mj Erwin A*****, vertreten durch das Jugendfürsorgereferat der Bezirkshauptmannschaft Weiz, vertreten durch Dr. Adolf Enge, Rechtsanwalt in Weiz, wegen Bestreitung der außerehelichen Vaterschaft, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Berufungsgerichtes vom 7. März 1951, AZ 3 R 349/51, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Birkfeld vom 14. Februar 1951, GZ C 43/46-193, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 312 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht hat der Klage auf Feststellung, dass Kläger nicht der außereheliche Vater der mj Adelheid A***** sei, mit Urteil vom 14. Februar 1951 stattgegeben und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, es sei zwar erwiesen, dass der Kläger mit der Mutter der Minderjährigen in der Nacht vom 7. auf 8. August 1943 geschlechtlich verkehrt habe, aufgrund der Gutachten der SV Prof. Dr. Knaus und Prof. Dr. Werkgartner sei jedoch im Hinblick auf die Konzeptionsunfähigkeit der Kindesmutter in der Nacht vom 7. auf 8. August 1943 und den Umstand, dass zwischen den Zeitpunkten des Geschlechtsverkehres und der Geburt ein Zeitraum von 293 Tagen liegen würde, die Zeugung des Beklagten durch den Kläger höchst unwahrscheinlich und sei auch nach dem erbbiologisch-anthropologischen Gutachten die Vaterschaft des Klägers unwahrscheinlich, demnach sei die Vaterschaft des Klägers mit einer fast an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Das Berufungsgericht ließ noch die Blutgruppen- und Faktorenbestimmung und anthropologisch und erbbiologische Untersuchung des Zeugen Klement P*****, ohne allerdings einen Geschlechtsverkehr zwischen diesem und der Kindesmutter innerhalb der Vermutungsfrist des § 163 ABGB eindeutig festzustellen, durchführen, gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, übernahm die erstrichterlichen Feststellungen unter Billigung der Beweiswürdigung des Erstrichters, stellte fest, dass aufgrund des Gutachtens die Vaterschaft des P***** wohl nicht auszuschließen, zwar auch nicht erwiesen sei, jedoch eine stärkere Belastung dieses Zeugen als jene des Klägers ergeben habe, und schloss sich auch der Annahme des Erstrichters an, dass die Vaterschaft des Klägers mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei und dass dies zur Widerlegung der Vermutung des § 163 ABGB genüge. Die beklagte Partei ficht dieses Urteil seinem gesamten Umfange nach mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2 bis 4 ZPO an und beantragt Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, oder allenfalls Aufhebung des Urteils und Rückverweisung der Rechtssache an das Berufungs- oder Erstgericht.

Die klagende Partei bestreitet in ihrer Revisionsbeantwortung das Vorliegen der geltend gemachten Revisionsgründe und beantragt Bestätigung des angefochtenen Urteiles.

Rechtliche Beurteilung

Einen Verfahrensmangel iSd § 503 Z 2 ZPO erblickt die beklagte Partei darin, dass ihrem Antrage auf Einholung eines Fakultätsgutachtens nicht stattgegeben worden sei. Abgesehen davon, dass es sich hiebei überhaupt um einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, nicht des Berufungsverfahrens handeln würde, ist die Einholung eines Fakultätsgutachtens im Zivilprozess überhaupt nicht vorgesehen und daher unzulässig.

Als Aktenwidrigkeit rügt die beklagte Partei, dass der SV Prof. Knaus von der Annahme ausgegangen sei, dass die letzte Regel der Kindesmutter vor der Geburt am 5. oder 6. 8. 1943 begonnen habe, obwohl die letzte Regel nach der Aussage der Kindesmutter anfangs August gewesen sei. Nun ist es allerdings richtig, dass der SV Prof. Knaus bei Erstattung seines ersten Gutachtens nach dem Protokoll ON 22 davon spricht, dass die letzte Regel am 5. oder 6. 8. begonnen habe. Prof. Werkgartner geht dagegen in seinem Gutachten ON 45 davon aus, dass die letzte Regel der Kindesmutter anfangs August begonnen habe und am 6. 8. 1943 beendet gewesen sei, berechnet danach die Zeit der Befruchtungsbereitschaft nach Knaus und Oghino und kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass diese am 7. oder 8. 8. 1943 noch nicht gegeben gewesen sei. Demnach muss es sich offenbar um einen Schreibfehler im Protokoll über das Gutachten des Prof. Knaus handeln. Hievon abgesehen hat der Oberste Gerichtshof bereits in wiederholten Entscheidungen ausgeführt, dass aus der Lehre von Prof. Knaus über den Zeitraum der Konzeptionsfähigkeit der Frau, die auf den Menstruationsterminen aufbaue, die bloß von der Frau angegeben werden und sich schließlich zufolge verschiedener Umstände ändern können, der Beweis der Unmöglichkeit der Zeugung zumindest nicht allein erbracht werden kann (1 Ob 340/50, 3 Ob 376/51, 1 Ob 6/50 ua).

Übrigens würde es sich nach den Revisionsausführungen überhaupt nicht um eine Aktenwidrigkeit iSd § 503 Z 3 ZPO, sondern darum handeln, dass das SV-Gutachten des Prof. Knaus auf einer unrichtigen Grundlage beruht. Wenn der Beklagte weiter behauptet, dass die Tragzeit mit 293 Tagen unrichtig berechnet worden sei, da der Geschlechtsverkehr erst am 8. 8. 1943 stattgefunden habe und es sich daher nur um 291 Tage handeln könne, so übersieht er, dass der Geschlechtsverkehr, wie festgestellt ist, in der Nacht vom 7. auf den 8. 8. 1943, also in der Dunkelheit, demnach spätestens in den ersten Morgenstunden des 8. 8. stattgefunden haben kann und dass das Jahr 1944 ein Schaltjahr war. Wenn die Sachverständigen unter diesen Umständen bei Berechnung der Tragzeit den 8. 8. 1943 voll mitgerechnet haben, kann von einer Unrichtigkeit nicht gesprochen werden. Davon dass es sich um ein voll ausgetragenes Kind gehandelt hat, sind die Sachverständigen ohnehin ausgegangen. Prof. Werkgartner wies in seinem Gutachten S 175 ausdrücklich auf die Aussage der Zeugin T***** über die volle Reife des Kindes hin und führt dann aus, dass die Schwangerschaftsdauer für reife Kinder ungefähr 270 Tage betrage.

In rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht gleich dem Erstgericht schon aufgrund der Gutachten der Prof. Knaus und Werkgartner angenommen, dass die Zeugung des Beklagten durch den Kläger mit einem sehr hohen Grad an Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei und dass das Ergebnis der anthropologisch-erbbiologischen Untersuchung des Doz. Dr. Fossel, nach denen die Vaterschaft des Klägers ebenfalls unwahrscheinlich sei, diese Annahme unterstütze. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass ein Sachverständigenbeweis aufgrund des Reifegrades des Kindes und der Tragdauer geeignet ist, die Vermutung des § 163 ABGB zu widerlegen und dass hiezu ein sehr hoher Grad von Wahrscheinlichkeit genügt, entspricht der ständigen Judikatur. Die Untergerichte haben nun aufgrund solcher Gutachten der beiden Sachverständigen zutreffend angenommen, dass die Zeugung des Beklagten durch den Kläger höchst unwahrscheinlich sei. Die Sachverständigen sind aufgrund der Berechnung des Zeitraumes der Konzeptionsfähigkeit nach Knaus und Oghino auch zum selben Ergebnis gekommen. Die anthropologisch-erbbiologischen Untersuchungen des Doz. Dr. Fossel haben zu dem Ergebnis geführt, dass die Vaterschaft des Klägers unwahrscheinlich ist, stehen also auch mit den ersteren Gutachten nicht im Widerspruch. Das Berufungsgericht konnte daher aufgrund dieser Gutachten annehmen, dass die Zeugung des Beklagten durch den Kläger in sehr hohem Grade unwahrscheinlich und damit die Vermutung des § 163 ABGB widerlegt ist.

Dass der Vermutungszeitraum des § 163 ABGB sogar länger als 293 Tage ist, ändert daran nichts, dass schon eine Tragzeit von 393 Tagen höchst unwahrscheinlich ist. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist demnach zutreffend und musste daher der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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