JudikaturOGH

1Ob338/52 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 1952

Kopf

SZ 25/123

Spruch

Der Ratenkäufer hat auch im Falle von Ratenzahlungen vor Übergabe der Ware bei Verzug des Verkäufers und der hiedurch bedingten Auflösung des Vertrages Anspruch auf Verzinsung der rückzuzahlenden Raten.

Entscheidung vom 7. Mai 1952, 1 Ob 338/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Krems a. d. Donau; II. Instanz:

Kreisgericht Krems.

Text

Die klagende Partei hat über Anbot der beklagten Partei von dieser am 15. Feber 1942 einen Standard-Walzenstuhl um den Preis von 3050 RM gekauft, wobei vereinbart wurde, daß ein Drittel des Kaufpreises als Anzahlung, ein weiteres Drittel bei Lieferungsbereitschaft und der Restbetrag zwei Monate nach erfolgter Lieferung zu bezahlen ist.

Diese Bestellung wurde mit Schreiben der beklagten Partei vom 16. Feber 1942 bestätigt, in welchem als Lieferungsvoraussetzung die Beibringung einer Kontrollnummer über 2760 kg Eisen und Stahl verlangt wurde. Nach dem Inhalt der Lieferbedingungen war zwischen den Parteien weiters vereinbart, daß im Falle des Rücktrittes der Lieferfirma dem Besteller keine Schadenersatzansprüche zustehen und Anzahlungen in jedem Rücktrittsfalle unverzinst zurückgezahlt werden. Bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises behielt sich die Lieferfirma das Eigentumsrecht an der obgenannten Maschine vor.

In Erfüllung der Zahlungsbedingungen hat die klagende Partei am 4. März 1942 als Anzahlung einen Betrag von 1050 RM, und am 1. April 1942 einen weiteren Betrag von 1000 RM der beklagten Partei überwiesen. Trotz Beschaffung der Kontrollnummer für Eisen und Stahl wurde die Lieferung der bestellten Ware von der beklagten Partei bis Kriegsende nicht durchgeführt; nach dem Jahre 1945 verweigerte die beklagte Partei unter Hinweis auf die in der Zwischenzeit eingetretene Preiserhöhung die Auslieferung der Maschine und erklärte sich nur bereit, die bisher geleisteten Zahlungen in der Höhe von 2050 S auf den neufestzusetzenden Kaufpreis anzurechnen.

Mit Schreiben vom 15. Feber 1951 begehrte die klagende Partei die Rückzahlung des überwiesenen Kaufpreisteilbetrages samt den gesetzlichen Zinsen. Da die beklagte Partei zu dieser Aufforderung zunächst nicht Stellung nahm, wurde dieses Begehren auf Rückzahlung des Kaufpreises samt Zinsen mit den weiteren Schreiben vom 8. März 1951 und 4. April 1951 neuerlich wiederholt.

Mit Schreiben vom 24. April 1951 erklärte sich die beklagte Partei zur Rückzahlung des bezahlten Kaufpreisteilbetrages von 2050 S bereit; sie lehnte es aber ab, auch die gesetzlichen Zinsen des obgenannten Betrages rückzuerstatten. Am 7. August 1951 wurde der obgenannte Betrag an die klagende Partei zur Auszahlung gebracht.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei die Bezahlung der gesetzlichen Zinsen von 5% von 2050 S für die Zeit vom 1. April 1942 bis 1. August 1951 im Gesamtbetrag von 956.66 S samt Zinsen vom Klagstag, wobei der Klagsanspruch nicht nur auf die Bestimmungen des Ratengesetzes vom 27. April 1896, RGBl. Nr. 70, sondern auch in eventu auf den Titel der Bereicherung gestützt wurde, wobei geltend gemacht wurde, daß die Lieferbedingungen über den Ausschluß der Zinsenrückzahlung den guten Sitten widerstreiten.

Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Ratengesetzes hat der Kläger vorgebracht, daß er nur Lohnmüller sei, daher auf seiner Seite kein Handelsgeschäft vorliege.

Unter Zugrundelegung der Lieferbedingungen und der von den Parteien vorgenommenen Außerstreitstellung hat das Erstgericht dem Klagebegehren stattgegeben, wobei allerdings nur Zinsen in der Höhe von 4% zugesprochen und das Mehrbegehren auf 5% Zinsen abgewiesen wurde.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht folgendes aus: Eine Anwendung der Bestimmungen des Ratengesetzes könne nicht Platz greifen, da einerseits die Zahlungsvereinbarung nicht als eine Ratenvereinbarung zu werten sei, anderseits das Ratengesetz zur Voraussetzung habe, daß dem Käufer vor vollständiger Bezahlung des Kaufpreises die gekaufte Ware übergeben worden sei; letzteres sei aber nicht der Fall gewesen, da eine Lieferung der bestellten Maschine nie erfolgt wäre.

Mag die erste Zahlung von 1050 RM als Anzahlung anzusehen sein oder nicht, so seien die vereinbarten Lieferbedingungen für den Rechtsstreit ohne Belang, da diese Lieferbedingungen hinsichtlich der Bestimmungen, daß Anzahlungen in jedem Rücktrittsfalle unverzinst rückgestellt werden und selbst bei Rücktritt durch die Lieferfirma dem Besteller keine Schadenersatzansprüche zustunden, den guten Sitten und im weiteren Maße, den Handelsgebräuchen widerstreiten. Denn die zinsenfreie Rückzahlung von Anzahlungen in jedem Rücktrittsfalle würde den Spekulationen der Lieferfirma Tür und Tor öffnen und wäre es denkbar, daß unter Berufung auf diese Bestimmung die Anzahlungen zur Behebung einer momentanen Kreditnot entgegengenommen werden, wobei dann diese Beträge unverzinst noch nach einseitigem Rücktritt vom Vertrage durch die Lieferfirma rückgezahlt werden könnten.

Auch die Klausel des Ausschlusses eines Schadenersatzanspruches verstoße gegen die Grundsätze des Bürgerlichen Gesetzbuches. Bestimmungen, die den guten Sitten widerstreiten, seien aber nichtig und daher nicht zu berücksichtigen gewesen.

Wenn die beklagte Partei behauptet, daß sie die erhaltenen Kaufpreisteilbeträge immer auf ein Konto "tägliches Geld" bei der Sparkasse in K. erlegt und dafür keine Zinsen erhalten habe, so sei, abgesehen von der Unglaubwürdigkeit dieses Vorbringens dieser Umstand auch unbeachtlich, weil jeder ordentliche Geschäftsmann zur fruchtbringenden Anlegung empfangener Gelder verpflichtet sei. Der Beklagte sei daher zur Rückzahlung der Zinsen des empfangenen Betrages ebenfalls verpflichtet.

Auf eine Bereicherung aus dem Titel der inneren Kaufkraft des Geldes könne allerdings die Klage nicht gestützt werden, da einerseits eine Wertsicherungsklausel nicht vereinbart worden wäre, anderseits sich aus den Währungsgesetzen die Gleichstellung der Reichsmark vom Jahre 1942 mit dem Schillingbetrag des Jahres 1951 ergebe.

Der Berufung der beklagten Partei hat das Berufungsgericht teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das den Betrag von 37.57 S samt 4% Zinsen seit 6. September 1951 übersteigende Klagebegehren abgewiesen wurde.

Unter Übernahme der erstrichterlichen Feststellungen stellte sich das Berufungsgericht auf den Standpunkt, daß der Rücktritt vom Vertrag durch den Kläger frühestens mit dem Schreiben vom 15. Feber 1951, in welchem die Rückzahlung des Betrages von 2050 S samt den gesetzlichen Zinsen begehrt wurde, erfolgt sei, wobei die Setzung einer Nachfrist nicht erforderlich gewesen sei, da die beklagte Partei die Erfüllung des Auftrages verweigert hätte. Seit 16. Feber 1951 habe sich die beklagte Partei mit der Bezahlung des Betrages von 2050 S gemäß § 1334 ABGB. in Verzug befunden. Da dieser Betrag erst am 7. August 1951 rückgezahlt worden sei, sei das Klagebegehren auf Zuspruch von Zinsen nur für die Zeit vom 16. Feber 1951 bis 1. August 1951, somit im Gesamtbetrage von 37.57 S, begrundet.

Wenn auch im Sinne des Gesetzes vom 14. Juni 1868, RGBl. Nr. 62, Zinsen von Zinsen gefordert werden können, wenn fällige Zinsen eingeklagt werden, so sei der Beginn des weiteren Zinsenlaufes mit 16. September 1951 festzusetzen gewesen, da die Klagsbehändigung der gegenständlichen Klage am 16. September 1951 durch Hinterlegung erfolgt sei.

Im übrigen trat das Berufungsgericht der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei, daß die Voraussetzung der Anwendung des Ratengesetzes nicht gegeben sei und aus dem Titel der Bereicherung mit Rücksicht auf die Minderung der Kaufkraft des Geldes ein Anspruch nicht bestehe.

Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Klägers Folge gegeben, die Urteile der Untergerichte aufgehoben und dem Erstgerichte die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufgetragen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Rechtsrüge kommt Berechtigung zu.

Nach der Entscheidung vom 28. Jänner 1937, SZ. XIX/30 kommt das Ratengesetz auch dann zur Anwendung, wenn die auf Raten verkaufte Sache erst nach Zahlung aller Raten bis auf die letzte übergeben werden soll. Durch diese ausdehnende Auslegung des Ratengesetzes soll verhindert werden, daß für die Nichteinhaltung der bedungenen Vorauszahlung bereits die Fälligkeit des Gesamtbetrages als Sanktion vereinbart werden kann (SZ. XIX/30). Hält man an dieser Auslegung fest, so muß auch § 2 Ratengesetz über den Wortlaut hinaus ausdehnend interpretiert werden. Der Gesetzgeber hat die extensive Auslegung im Sinne von SZ. XIX/30 nicht im Auge gehabt und ist daher davon ausgegangen, daß der Ratenverkäufer bereits erfüllt hat. Er mußte daher nur Vorsorge für den Fall treffen, daß der Käufer in Verzug gerät. Bei Anwendung des Ratengesetzes auch auf den Fall von Ratenzahlungen vor Übergabe ist dagegen auch ein Verzug des Verkäufers denkbar. Soll nun im Sinne des Ratengesetzes der Käufer dagegen geschützt werden, daß er im Falle der Aufhebung des Ratenverkaufs nicht zu wirtschaftlich unberechtigten Mehrleistungen verpflichtet werden soll, so muß man den im § 2 Abs. 1 für den Fall des Verzuges des Ratenkäufers ausgesprochenen Schutzgedanken, daß er trotz Verzuges die Verzinsung der rückzuerstattenden Raten verlangen kann, auch auf den Fall des Verkäuferverzuges und der hiedurch bedingten Auflösung des Kaufvertrages erstrecken, man käme sonst zu dem Ergebnis, daß der Käufer im Falle seines eigenen Verzuges besser daran ist, als im Fall des Verzuges des Verkäufers, weil er nur im erstangeführten Falle unabdingbar die Verzinsung der bereits gezahlten Raten verlangen kann. Es muß demnach der Ratenkäufer auch im Falle der Auflösung des Vertrags infolge Verzuges des Verkäufers berechtigt sein, die gesetzlichen Zinsen vom Empfangstage an zu verlangen.

Dies setzt aber voraus, daß es sich um Ratengeschäfte im Sinne des Ratengesetzes handelt und daß § 10 keine Anwendung findet. Da bisher darüber nicht verhandelt wurde, ob das Geschäft auf Seite des Beklagten ein Handelsgeschäft ist - Beklagter behauptet, nur Lohnmüller zu sein - so mußte in Stattgebung der Revision zur Lösung dieser Frage das angefochtene Urteil und, da sich eine Verhandlung in erster Instanz nicht wird vermeiden lassen, auch das erstgerichtliche Urteil aufgehoben werden (§ 511 ZPO.).

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