3Ob54/52 – OGH Entscheidung
Kopf
SZ 25/27
Spruch
Vor Inkrafttreten des Ehegesetzes getroffene Vereinbarungen über den Unterhalt gelten im Falle einer Nichtigerklärung der Ehe nach § 121 EheG. weiter.
Entscheidung vom 30. Jänner 1952, 3 Ob 54/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die Klägerin stellte das Begehren, auf Grund der Notariatsakte vom 9. Oktober 1928 und vom 28. April 1932, in welchen sich der Beklagte verpflichtet hatte, der Klägerin einen Unterhaltsbeitrag von monatlich 1000 S (alt) = 666.67 RM = 666.67 S (neu) zu bezahlen, und nach welchem die Beklagte berechtigt ist, bei einer Erhöhung des Reallohnindex um wenigstens 10% die entsprechende Erhöhung des Unterhaltsbeitrages zu verlangen, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr einen Unterhaltsbeitrag von zusammen 53.699.32 S sofort und einen solchen von monatlich 1834.67 S ab 1. September 1948 zu bezahlen. Der Beklagte wendete ein, der Anspruch sei erloschen, weil die in den Notariatsakten enthaltenen Vereinbarungen im Hinblick auf eine Scheidung der Ehe geschlossen worden seien, die Ehe aber auf Grund der Überleitungsbestimmungen zum Ehegesetz nichtig erklärt worden sei. Der Klägerin stehe auch nach Punkt 7 des Notariatsaktes, in welchem festgelegt wurde, daß die Alimentationspflicht "zessiere", wenn die Klägerin gegen den Beklagten einen feindseligen Akt durch Beschimpfung, Bedrohung oder Tätlichkeit unternehme, kein Anspruch mehr zu. Denn sie habe die Leiche des Sohnes der Streitteile, Peter W., der im Familiengrab des Beklagten bestattet war, ohne Wissen und Zustimmung des Beklagten exhumieren, in einer von ihr angekauften Familiengruft beisetzen und auf den Grabstein der Familie des Beklagten das Datum der Exhumierung und den Ort der Neubestattung eingravieren lassen. Hiedurch sei bei den zahlreichen Bekannten des Beklagten der Eindruck erweckt worden, es habe ein derartiges Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn bestanden oder es habe sich der Beklagte solche Dinge zuschulden kommen lassen, daß die Exhumierung moralisch gerechtfertigt gewesen sei und von ihm habe geduldet werden müssen; schließlich hat der Beklagte den Anspruch auch der Höhe nach bestritten.
Das Prozeßgericht erkannte den Beklagten schuldig, zu den in den Notariatsakten vom 9. Oktober 1928 und 28. April 1932 festgesetzten Unterhaltsbeiträgen von 666.67 S monatlich vom 1. September 1946 bis 1. August 1948 monatlich 333.33 S und ab 1. September 1948 monatlich 533.33 S zu bezahlen, und wies das Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Prozeßgericht zurück. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß mangels ausdrücklicher gegenteiliger Vereinbarung die in den Notariatsakten festgelegte Unterhaltsverpflichtung auch für den Fall der Nichtigerklärung der Ehe gelten sollte, daß in der Exhumierung der Leiche des Sohnes unter den geschilderten Begleitumständen keine Beschimpfung des Beklagten erblickt werden könne, daß der Beklagte im übrigen auch dieses Verhalten der Klägerin verziehen und zu erkennen gegeben habe, daß er in dem Verhalten keinen Grund zur "Zessierung" des Unterhaltsanspruches erblickt habe. Das Anbringen der Tafel sei ebenso wie die Exhumierung nicht in feindseliger Absicht erfolgt; es stehe der Klägerin daher eine Unterhaltserhöhung auf Grund des Lebenshaltungskostenindex zu. Es sei aber notwendig, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten festzustellen, um beurteilen zu können, welcher Betrag der Klägerin zustehe.
Das Prozeßgericht erkannte nunmehr den Beklagten schuldig, der Klägerin außer den in den Notariatsakten vom 9. Oktober 1928 und 28. April 1932 festgelegten Unterhaltsbeiträgen von 666.67 S monatlich zusätzlich noch einen Betrag von 303.36 S monatlich ab 1. Jänner 1949 bis 31. Dezember 1949 und von 433.33 S monatlich ab 1. Jänner 1950 zu bezahlen, und wies das Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Streitteile Folge und erkannte in Abänderung des erstgerichtlichen Urteiles den Beklagten schuldig, der Klägerin außer den in den Notariatsakten vom 9. Oktober 1929 und 28. April 1932 festgelegten Unterhaltsbeiträgen von 666.67 S monatlich zusätzlich noch ab 1. September 1948 einen Betrag von 1168 S monatlich zu bezahlen, und wies das Mehrbegehren ab. Er verwies auf die im Aufhebungsbeschluß geäußerte Rechtsansicht bezüglich des Erlöschens des Unterhaltsanspruches und des Nichteintrittes der Bedingung für das Aufhören der Unterhaltspflicht und vertrat hinsichtlich der Höhe des Unterhaltsbeitrages den Standpunkt, daß der Beklagte im Jahr 1948 für seine Privatzwecke seinem Unternehmen einen Betrag von 143.815 S entnommen habe, ohne es zu schädigen. Es könne daher dem Beklagten zugemutet werden, der Klägerin ein Zwölftel seiner Privatentnahmen an Unterhalt zu bezahlen. Auch für das Jahr 1949 könne der Beklagte den Unterhalt in der begehrten Höhe leisten, weil dieser nur ein Sechstel seiner Entnahmen in diesem Jahre betrage; dies gelte auch für das Jahr 1950, da der Beklagte in diesem Jahr mit einer Gewinnsteigerung rechnen könne.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht die Revision zunächst geltend, daß der Unterhaltsanspruch erloschen sei, weil die Ehe der beiden Streitteile für nichtig erklärt wurde. Diese Rechtsansicht ist unrichtig. Aus dem § 127 EheG. im Zusammenhalt mit § 115 Abs. 3 EheG. ist zu entnehmen, daß die vor dem Inkrafttreten des Ehegesetzes getroffenen Vereinbarungen über den Unterhalt im Falle einer Nichtigerklärung der Ehe nach § 121 EheG. ebenso wie im Falle einer einverständlichen Scheidung weiterhin zu gelten haben (Volkmar - Antoni, komm. Zum EheG., S. 373). Es bedarf daher die vom Prozeßgericht aufgeworfene Frage, ob der Beklagte durch die Fortzahlung der Unterhaltsbeiträge zu erkennen gegeben habe, daß die von ihm für den Fall der Scheidung geschlossene Unterhaltsvereinbarung auch für den Fall der Nichtigerklärung gelten sollte, keiner Erörterung. Es ist aber auch diese von den Untergerichten geäußerte Rechtsansicht richtig, da durch die Weiterzahlung der vereinbarten Unterhaltsbeiträge durch sieben Jahre nach Nichtigerklärung der Ehe der Beklagte in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck gebracht hat, daß er sich an die in den Notariatsakten enthaltene Verpflichtung weiterhin gebunden fühle; für die Annahme, daß die Zahlungen des Beklagten lediglich den Charakter freiwilliger Zuwendungen hatten, fehlt in den Verfahrensergebnissen jede Grundlage.
Hinsichtlich der im Punkt 7 des Notariatsaktes enthaltenen Vereinbarung bezüglich der "Zessierung" wurde bereits oben erörtert, daß weder die Exhumierung des Leichnams des Sohnes noch das Anbringen einer Inschrift auf dem Familiengrab des Beklagten, daß der Sohn Peter exhumiert wurde und sich jetzt in einer anderen Gruft befinde, eine Beschimpfung des Beklagten darstellt. Schon nach dem Sprachgebrauch kann unter einem feindseligen Schritt "durch Beschimpfung" des Beklagten nur eine gegen diesen gerichtete wörtliche oder tätliche Beleidigung im Sinne des Strafgesetzes verstanden werden; die eigenmächtige Exhumierung und das Anbringen der Anschrift stellen zwar eine Besitzstörung und einen unzulässigen Eingriff in die Privatrechtssphäre des Beklagten, keineswegs aber eine Beschimpfung dar. Es ist aber auch die Ansicht des Berufungsgerichtes begrundet, daß selbst dann, wenn man in der Exhumierung des Sohnes eine Beschimpfung des Beklagten erblicken würde, der Beklagte diese Beschimpfung dadurch verziehen habe, daß er den Unterhalt weiter gewährte und ihn nur mit Rücksicht auf einen erlittenen Kriegsschaden herabsetzte.
Eine Einwendung, daß die Klägerin dadurch, daß sie die Einstellung der Unterhaltszahlung im Jahre 1945 zur Kenntnis nahm und bis zum Jahre 1948 keine Schritte zur Geltendmachung ihrer Ansprüche unternahm, eindeutig zu erkennen gegeben habe, sie sei mit der Einstellung der Zahlungen einverstanden, wurde in erster Instanz nicht erhoben; auf das erst in der Revision erstattete Vorbringen kann daher als Neuerung kein Bedacht genommen werden.
Soweit sich die Revision gegen die Höhe des Unterhaltsanspruches richtet, ist sie gemäß § 502 Abs. 2 ZPO. unzulässig, weil auch der verglichene Unterhaltsanspruch ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch ist (SZ. XXII/36 u. a. m.).
Der unbegrundeten Revision war deshalb der Erfolg zu versagen.