JudikaturOGH

Nr37/49 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 1949

Kopf

SZ 22/154

Spruch

Als Verwendung im Sinne des § 6 RAO. ist jede Tätigkeit eines Richters der zweiten oder einer höheren Standesgruppe bei einem Gerichtshof erster oder höherer Instanz anzusehen, wobei es nicht darauf ankommt, welche Geschäfte der betreffende Richter tatsächlich versehen hat.

Die Verwendung als stimmführender Rat bei einem österreichischen Gerichtshof während der Zeit der Okkupation Österreichs ist in diese fünfjährige Verwendung einzurechnen.

Als Gerichtshofsprengel im Sinne des § 6 RAO. ist der Sprengel des Gerichtshofes anzusehen, bei dem der Eintragungswerber zuletzt tatsächlich verwendet worden ist.

Entscheidung vom 13. Oktober 1949, Nr 37/49.

I. Instanz: Ausschuß der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer; II.

Instanz: Berufungssenat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer.

Text

Der Oberste Gerichtshof hat anläßlich einer Entscheidung darüber, ob die Tätigkeit eines Richters bei einem Gerichtshof, falls sie als Verwendung im Sinne des § 6 RAO. in Betracht kommen soll, eine besondere Qualifikation erfordert, sowie ob die Tätigkeit bei einem österreichischen Gerichtshof während der Zeit der nationalsozialistischen Besetzung in diese Verwendung einzurechnen ist, folgendes ausgeführt:

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Im Sinne des § 6 RAO. und des gegenwärtigen Dienst- und Besoldungsrechtes der Richter ist jeder Richter als stimmführender Rat eines Gerichtshofes anzusehen, der für einen Gerichtshof als Richter der zweiten oder einer höheren Standesgruppe ernannt worden ist. Dies gilt für so lange, als der betreffende Richter bei dem Gerichtshof tatsächlich verwendet worden ist. Hiebei kommt es auf die Art der Verwendung bei dem Gerichtshof nicht weiter an.

Dem Eintragungswerber zählt demnach seine Verwendung bei dem Landesgericht und Oberlandesgericht von dem Zeitpunkte seiner Ernennung zum Landesgerichtsrat. Es zählt ihm aber auch weiters die Verwendung bei dem Oberlandesgericht während der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich. Trotz der Okkupation Österreichs und der Einbeziehung der in Österreich bestehenden Gerichte in die deutsche Gerichtsgliederung sind die österreichischen Gerichtshöfe im Sinne des § 6 RAO. geblieben, zumal da ihre Einrichtungen im großen und ganzen nicht verändert worden sind. Es besteht auch kein Grund für die Annahme, daß der Wirksamkeitsbeginn der deutschen Rechtsanwaltsordnung in Österreich - 1. Mai 1941 - hieran etwas geändert hat. Denn bei der Beurteilung der Eintragungsfähigkeit des Beschwerdeführers kommt es nicht auf die Bestimmungen der deutschen Rechtsanwaltsordnung, sondern ausschließlich auf § 6 der geltenden österreichischen Rechtsanwaltsordnung an. Demnach handelt es sich ausschließlich um die Frage, ob der Eintragungswerber im Sinne dieser Vorschrift eine fünfjährige Verwendung als stimmführender Rat bei einem österreichischen Gerichtshof aufweist. Diese Frage ist aber, wie bereits ausgeführt, zu bejahen. Dagegen steht dem Eintragungswerber, soweit es sich um die Eintragung in eine Rechtsanwaltsliste des Oberlandesgerichtssprengels X. handelt, das Eintragungshindernis nach dem zweiten Satz des ersten Absatzes des § 6 RAO. im Wege.

Der Berufungswerber war zuletzt Rat des Oberlandesgerichtes X. und kann demnach im Sinne der angeführten Gesetzesstelle erst nach Ablauf von fünf Jahren nach der Enthebung vom richterlichen Dienst innerhalb des Sprengels dieses Oberlandesgerichtes als Rechtsanwalt eingetragen werden. Unter Enthebung vom richterlichen Dienst im Sinne der angeführten Gesetzesstelle ist aber, wenn die Enthebung durch Pensionierung erfolgte, der Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand anzusehen, wenn auch der betreffende Richter bereits früher seiner tatsächlichen Verwendung enthoben worden sein sollte.

Daß aber unter "Gerichtshofsprengel" der Sprengel des Gerichtshofes zu verstehen ist, bei dem der betreffende Richter zuletzt angestellt war, ergibt sich aus dem Zusammenhange des ersten und des zweiten Satzes des § 6 Abs. 1 RAO. Im ersten Satze wird von der Verwendung bei einem Gerichtshof gesprochen, im zweiten die Unzulässigkeit der Eintragung für einen im Gerichtshofsprengel gelegenen Ort erklärt. Es ist nun klar, daß es sich hier nur um den Sprengel des Gerichtshofes handeln kann, bei dem der Eintragungswerber in Verwendung stand. Die Auslegung, daß unter Gerichtshofsprengel im zweiten Satz der angeführten Gesetzesstelle der Sprengel des Gerichtshofes erster Instanz zu verstehen sei, innerhalb dessen sich der letzte Dienstort des Eintragungswerbers befand, findet im Wortlaute des § 6 RAO. keine ausreichende Stütze und kann aus der klaren Absicht des Gesetzgebers nicht geschlossen werden (vgl. Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 1. April 1948, Nr 2/48 (Siehe SZ. XXI/83).

Rückverweise