JudikaturLG Wels

22R12/24g – LG Wels Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
13. März 2024

Kopf

I M NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesgericht Wels als Berufungsgericht hat durch Mag. W. Niedermayr als Vorsitzenden sowie MMag. a Dunzendorfer und Mag. Nagl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* B* C* , Bsc., geb. **, Physiotherapeutin, ** D*, **, vertreten durch Mag. Margit Sagel, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei E*. , **, **, **, F*, S*, vertreten durch Mag. Clemens Haller, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen € 3.904,98 s.A. und Feststellung (Streitwert: € 500,00), über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 27.Oktober 2023, 3 C 1069/21d - 49, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 731,90 (darin enthalten EUR 121,98 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe :

Die Klägerin begehrt – für das Berufungsverfahren noch von Relevanz - an Schadenersatz Zahlung in Höhe von € 3.904,98, bestehend aus € 3.250,00 an Schmerzengeld, € 521,82 für eine neue Verhütungsspirale, € 83,16 für Fahrtkosten und € 50,00 für Spesen. Eine von der Beklagten produzierte Verhütungsspirale sei infolge eines Materialfehlers im Körper der Klägerin gebrochen. Am 4.2.2021 habe sie Schmerzen im Unterleib gehabt und einen Teil der Verhütungsspirale ausgeschieden. Ihre behandelnde Ärztin habe festgestellt, dass die Spirale gebrochen sei und dass ein Seitenarm fehle. Sie habe die Klägerin ins G* H* überwiesen, wo am 5.2.2021 ein Röntgen des Beckens und am 17.2.2021 eine Hysteroskopie stattgefunden habe, da weiterhin ein Seitenarm gefehlt habe. Der Beklagten sei bereits seit Februar 2018 bekannt gewesen, dass die Seitenarme der von ihr hergestellten Verhütungsspirale in situ (d.h. in der Gebärmutter) brechen. Erst im Oktober 2019 habe die Beklagte Informationen veröffentlicht, in der auf die Möglichkeit von Spontanbrüchen, die unbemerkt bleiben, hingewiesen worden sei. Trotz Kenntnis habe die Beklagte nicht alle zur Verfügung stehenden und gebotenen Maßnahmen zur Verhinderung von (weiteren) Schäden ergriffen. Die Klägerin stütze ihre Ansprüche insbesondere auf Produkthaftung und Delikt, Verletzung der Produktbeobachtungspflicht, Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter, Verletzung von Schutzgesetzen, Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Sie habe eine Woche lang Schmerzen im Zusammenhang mit der gebrochenen Spirale erlitten. Sie habe auch zwei Wochen an seelischen Schmerzen gelitten, die auf die gebrochene Spirale zurückzuführen seien. Die Spirale sei der 25-jährigen vorzeitig, also bereits nach drei Jahren anstatt nach fünf Jahren entfernt worden bzw. sei diese selbstständig abgegangen. Sie habe sich eine neue Spirale einsetzen lassen. Unter Berücksichtigung der Kostenrückerstattung durch die I* von € 28,18 habe die Klägerin für die neue Spirale € 521,82 bezahlt. Für die restliche Dauer ihres Lebens, wo sie verhüten wolle bzw müsse, werde sie sich zumindest noch zwei Mal eine schmerzhafte Spirale einsetzen müssen. Dies insbesondere deshalb, weil sie die Pille nicht vertrage. Aufgrund des Bruchs der Verhütungsspirale seien mehrere Arzt- und Untersuchungstermine notwendig geworden, wofür Fahrtkostenersatz in der Höhe von € 83,16 sowie Spesen für weitere entstandenen Unkosten, wie etwa Medikamente, die die Klägerin bereits zuhause hatte u. dgl., zustehe.

Die beklagte Partei bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte insbesondere ein, dass nicht nachvollziehbar sei, ob die bei der Klägerin eingesetzte Spirale überhaupt von ihr hergestellt worden sei und/oder zu den vom Rückruf betroffenen Chargen betrifft. Es obliege der Klägerin zu beweisen, dass ein Schaden und ein Produktfehler eines von der Beklagten Hergestellten Produktes vorliege sowie, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Fehler und dem eingetretenen vermeintlichen Schaden überhaupt bestehe. Richtig sei, dass es bei einigen Chargen der von der Beklagten hergestellten Spirale zu erhöhten Brüchen gekommen sei. Die Brüche seien auf einen Fabrikationsfehler des vom Zulieferer gelieferten Ausgangsmaterials zurückzuführen. Die hierfür benötigte Materialmischung sei zwar im richtigen Verhältnis hergestellt worden, jedoch sei die Dispergierung bei einigen Produktionschargen nicht in der korrekten Form. Der Umstand, dass es bei einzelnen Modellen bzw. Chargen zu einem erhöhten Bruchrisiko gekommen sei, sei Anfang 2018 bekannt geworden. Dies habe zunächst nur das in Österreich nicht vertriebene Modell J* betroffen. Ende des Jahres 2017 habe die Beklagte von einer erhöhten Anzahl von Brüchen bei Spiralen vom Typ „J*“ erfahren und Ende 2017 ein technisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, um die Ursache der gehäuften Brüche festzustellen. Die Beklagte habe daraufhin bereits am 21.2.2018 umgehend eine Warnmeldung veröffentlicht, welche am 7.3.2018 und 25.9.2019 aktualisiert worden sei. Ein behördlicher Rückruf des Produkts habe bis dato nicht stattgefunden. Auch ein Bruch einer an sich fehlerfreien Spirale sei möglich und lasse ein Bruch daher noch nicht zwingend den Schluss zu, dass eine Spirale fehlerbehaftet gewesen sei. Selbst wenn eine von der Beklagten hergestellte, fehlerhafte Spirale bei der Klägerin eingesetzt worden sei, liege kein Verschulden der beklagten Partei vor. Die Beklagte habe mit ihren Empfehlungen adäquat reagiert. Die Beklagte sei ihren gesetzlichen Verpflichtungen, konkret etwa ihrer Meldepflicht gemäß § 70 Abs 3 MPG vollumfänglich nachgekommen. Eine direkte Verständigung der Gynäkologen, Kliniken und Apotheken in Österreich durch die Beklagte sei gar nicht möglich gewesen, sondern sei über deren Vertragspartnerin in Österreich ab März 2018 erfolgt. Die Beklagte habe ihre Möglichkeiten zur Information betroffener Patientinnen ausgeschöpft. Im Zeitpunkt des Einsetzens der Spirale der Klägerin im Mai 2016 habe die Beklagte selbst noch keine hinreichende Kenntnis von der Problematik gehabt. Aufgrund des nur geringen Bruchrisikos, welches sich bis 2019 primär nur bei der (ohnehin irgendwann vorzunehmenden) Extraktion verwirklicht habe und weil der Materialfehler grundsätzlich keinen Einfluss auf die Verhütungswirkung habe (betroffen sei nur der Kunststoff gewesen, nicht der empfängnisverhütende Kupferteil), sei kein vorzeitiger Austausch empfohlen worden, dies auch um die Kundinnen vor einem unnötigen Eingriff zu schützen und diese nicht unnötig zu beunruhigen. Ein allfälliger Schadenseintritt hätte sich damit lediglich vorverlagert. Was zwischenzeitlich bekannt sei, seien die betroffenen Spiralen im Zeitraum 2014 bis 2017 produziert worden. Hinsichtlich der in Österreich verkauften Spiralen seien bei der Beklagten 1.570 Schadenmeldungen eingelangt. Von den potenziell schadhaften Chargen gemäß der Warnmeldungen habe die Beklagte 28.502 Stück in Österreich verkauft. Davon seien 5.105 von der österreichischen Vertragspartnerin der beklagten Partei wieder eingesammelt worden. Die restlichen Spiralen, d.h. 23.397 Stück, seien zum Zeitpunkt des freiwilligen Rückrufs bereits in Verwendung gewesen. Das Bruchrisiko ergebe sich daher aus den bei der Beklagten eingelangten Schadensmeldungen (1.570) im Verhältnis zur Zahl der potenziell betroffenen, im Umlauf befindlichen Spiralen von 23.397, somit 6,71 %. Eine Schutzgesetzverletzung durch die Beklagte liege nicht vor. Eine Verschuldenshaftung der Beklagten scheide aus, die Beklagte treffe kein Verschulden. Bei der behaupteten Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter mangele es an der Kausalität und der Rechtswidrigkeit des vorgeworfenen Verhaltens. Der gegenständliche Sachverhalt hätte sich auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten, welches die Klägerin sich von der Partei gewünscht hätte, genauso ereignet. Die Produkte der Beklagten würden grundsätzlich sämtliche Regularien, welche Medizinprodukte erfüllen müssen, erfüllen. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien überhöht. Selbst wenn bei der Klägerin eine von der Beklagten hergestellte, fehlerhafte Spirale verwendet worden sein sollte, so würde es sich bei den allfälligen körperlichen Beschwerden für die Entfernung um „Sowieso“-Schmerzen handeln, die bei jedem – früher oder später, längstens nach 5 Jahren ohnehin notwendigen – Wechsel des Verhütungsmittels entstanden wäre. Die behaupteten psychischen Beschwerden wären nur als Akzessorium einer Körperverletzung ersatzfähig, eine solche liege nicht vor. Selbst wenn eine Körperverletzung bejaht würde, so würden die „seelischen Schmerzen“ der Klägerin den Zuspruch eines Schmerzengeldes nicht rechtfertigen. Für bloßes „psychisches Ungemach“ stehe kein Schmerzengeld zu. Die Kosten einer neuen Spirale seien aus dem Titel des PHG bzw. des deliktischen Schadenersatzes nicht ersatzfähig. Es handle sich um einen nicht ersatzfähigen reinen Vermögensschaden bzw. einen Schaden an der Sache selbst. Selbst wenn diese zustehen würden, so hätte sich die Klägerin einen Abzug „neu für alt“ anrechnen zu lassen. Spiralen hätten eine Nutzungsdauer von maximal 5 Jahren, die Klägerin habe ihre Spirale bereits über 3 Jahre verwendet. Es handle sich um „Sowieso-Kosten“ die nach Ablauf der Nutzungsdauer der klagsgegenständlichen Spirale ohnehin angefallen wären. Bei den Untersuchungen am 30.4.2021 und am 6.5.2021 habe es sich um gewöhnliche gynäkologische Routinekontrollen gehandelt, die mit einem Bruch der Spirale nichts zu tun haben. Die Fahrtkosten seien reine Vermögensschäden, welche aus dem Titel des PHG nicht zu ersetzen seien. Die Termine im April und Mai 2021 wären außerdem ohnehin angefallen und hätten kausal nichts mit dem Spiralbruch zu tun. Die pauschalen Unkosten würden als reiner Vermögensschaden aus dem Titel der Produkthaftung/des deliktischen Schadenersatzes jedenfalls nicht zustehen.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Leistungsbegehren im Ausmaß von EUR 3.551,40 statt. Das Leistungsmehrbegehren und das Feststellungsbegehren wies es rechtskräftig ab. Bei seiner Entscheidung ging es von folgendem Sachverhalt aus:

Die Klägerin verhütete zunächst mit der Pille, hatte dann aber immer wieder Probleme mit rezidivierenden Blasenentzündungen und auch mit Nierenbeckenentzündungen, sodass sie über Anraten ihres Gynäkologens Dr. K* die Einnahme der Verhütungspille beendete. Der Klägerin wurde sodann von ihrem Gynäkologen Dr. K* zu Verhütungszwecken am 19.1.2018 eine von der beklagten Partei produzierte Verhütungsspirale „**“ in die Gebärmutter eingesetzt. Zu diesem Zeitpunkt war die Spirale nicht gebrochen, sondern intakt. Ihr Gynäkologe wies die Klägerin damals darauf hin, dass die Spirale unbemerkt bzw. von alleine abgehen könnte. Auf eine Gefahr, dass die Spirale womöglich brechen könnte, wies sie ihr Gynäkologe nicht hin; Über eine solche Gefahr wurde Dr. K* auch nicht informiert, weder von der beklagten Partei, auch nicht von einer anderen offiziellen Stelle oder irgendeiner anderen Bezugsfirma. Die Klägerin erwartete auch nicht, dass die zu Verhütungszwecken in die Gebärmutter eingelegte Spirale im Laufe der Zeit brechen könnte und dabei ein abgebrochener Teil in der Gebärmutter verbleiben könnte. Wenn die Klägerin damals gewusst hätte, dass die Gefahr besteht, dass dieses Produkt im Körper brechen könnte, dann hätte sie sich dieses Produkt nicht einsetzen lassen Die letzte Kontrolle vor dem Bruch der Spirale erfolgte am 9.10.2020, zu diesem Zeitpunkt lag die Spirale unauffällig. Die Verhütungsspirale brach in der Gebärmutter der Klägerin rund 3 Jahre nach dem Einsetzen auseinander. Am 4.2.2021 verspürte die Klägerin Schmerzen im Unterleib und sie schied einen J-förmigen Teil der Verhütungsspirale aus, sodass sie umgehend ihre Gynäkologin Dr. B* L* aufsuchte. Das zweite Ärmchen der Verhütungsspirale fehlte bei dem ausgeschiedenen Teil der Verhütungsspirale, es war zunächst in der Gebärmutter verblieben. Dr. L* fertigte am 4.2.2021 ein Ultraschallbild der Gebärmutter der Klägerin an, worauf der Fremdkörper in der Gebärmutter ersichtlich war. Dr. L* überwies daraufhin die Klägerin zur weiteren Abklärung ins G* H*. Dort wurde am 5.2.2021 ein „Abdomen leer“ Röntgen durchgeführt, wobei im Bauchraum das bariumhältige Ärmchen gesucht wurde, es konnte dabei nicht aufgefunden werden. Am 17.2.2021 wurde sodann eine tagesambulante Aufnahme der Klägerin im G* H* mit Durchführung einer Gebärmutterspiegelung und Curettage durchgeführt. Diese medizinischen Behandlungen waren medizinisch indiziert und sind auf den Bruch der Spirale zurückzuführen. Die Klägerin erlitt (komprimiert auf den 24-Stunden-Tag) aufgrund des Bruchs und Abgang der Spiralenteile und den damit in Verbindung stehenden medizinischen Eingriffen folgende Schmerzperioden: leichte Schmerzen: 10 Tage, mittelstarke Schmerzen: 2 Tage, starke Schmerzen: 1 Tag. Diese Schmerzen waren von der Art und Qualität der Schmerzen nicht mit den von der Klägerin üblicherweise erlittenen Regelschmerzen zu vergleichen. Zum Zeitpunkt des Aussscheidens hatte die Klägerin gerade ihre Periode Wenn die Spirale nicht gebrochen wäre, dann hätte die Klägerin am Ende der Wirkungszeit bzw. Nutzungsdauer bei der Entfernung der Verhütungsspirale (komprimiert auf den 24-Stunden-Tag) jedenfalls einen halben Tag leichte Schmerzen erleiden müssen. Die Klägerin ließ sich zu Verhütungszwecken am 6. Mai 2021 eine neue Verhütungsspirale (vom Hersteller **) einsetzen. Dies kostete der Klägerin - unter Berücksichtigung der Kostenrückerstattung durch die I* in Höhe von € 28,18 - einen Betrag in Höhe von € 521,82. Wenn die bei der Klägerin von der Beklagten produzierte eingesetzte Verhütungsspirale nicht nach rund 3 Jahren gebrochen wäre, dann hätte die Klägerin die Spirale erst nach einer Nutzungsdauer von 5 Jahren ersetzen müssen.

Um die ursprünglich geplante Verhütungsdauer von (zumindest) 5 Jahren mittels Verhütungsspirale zu erreichen, musste sich die Klägerin eine weitere Verhütungsspirale einsetzen und wieder entfernen lassen. Nicht festgestellt werden kann, ob sich die Klägerin nach Ablauf der Wirkungsdauer der neuen Spirale wiederum erneut eine neue Spirale einsetzen lassen wird. Das Einsetzen einer Spirale verursacht bei der Klägerin Schmerzen (komprimiert auf den 24-Stunden Tag) einen halben Tag leichte Schmerzen, einen halben Tag mittelstarke Schmerzen und einen halben Tag starke Schmerzen. Der Klägerin ging es aufgrund des Ausscheidens der gebrochenen Spirale und der damit in Zusammenhang notwendigen medizinischen Behandlung psychisch nicht gut. Zunächst fühlte sich sich ratlos und machte sich viele Gedanken über die zu erwartenden medizinischen Folgen und erforderlichen Eingriffe. Sie hatte zunächst auch Sorgen, ob sie vielleicht schwanger geworden sein könnte. Andererseits hatte sie auch Ängste, ob vielleicht irgendwelche Langzeitwirkungen vorliegen könnten, nämlich ob sich vielleicht später ein Kinderwunsch nicht mehr erfüllen könnte. Daraufhin litt sie aufgrund der Ängste und Unsicherheiten an vermehrten Stimmungsschwankungen und musste auch viel weinen. Sie war auch enttäuscht, dass ihre Erwartungen an ein fehlerfreies Medizinprodukt der Beklagten nicht erfüllt wurden. Im ersten Monat nach dem Bruch der Verhütungsspirale verspürte die Klägerin kein sexuelles Interesse an ihrem Partner, dies u.a. aufgrund der bestehenden Ängste vor einer möglichen Schwangerschaft und der allgemeinen Niedergeschlagenheit aufgrund des Vorfalls und auch der Schmerzen. Auch nach dem operativen Eingriff im G* H* litt die Klägerin weiterhin an Ängsten, da sie sich weiterhin Sorgen über den Verbleib des nicht aufgefundenen Ärmchens der Verhütungsspirale und zukünftige Gesundheitsauswirkungen machte. Die akuten Angstbeschwerden legten sich ca. 3 Monate nach dem Bruch wieder.

Aufgrund des Bruchs der Verhütungsspirale waren mehrere Arzt- und Untersuchungstermine notwendig. So musste sie folgende Fahrten durchführen: 4.2.2021: D* - M*. - D* (10,4 km) – Akuttermin bei Dr. L* wg. abgegangener Spirale 17.2.2021: D* – N* H*-O* – D* (60 km) – tagesambulante Aufnahme im P* wg. Gebärmutterspiegelung und Curettage 19.3.2021: D* - M*. - D* (10,4 km) – Untersuchung bei Dr. L* 30.4.2021: D* - M*. - D* (10,4 km) – Untersuchung bei Dr. L* 6.5.2021: D* - M*. - D* (10,4 km) – Termin bei Dr. L* wg. Einsetzen einer neuen Spirale. Weiters entstanden der Klägerin weitere vorfallskausale Spesen für Medikamente usw. Der Beklagten war bereits seit Februar 2018 bekannt, dass die Seitenarme der von ihr hergestellten Verhütungsspirale in situ (d.h. in der Gebärmutter) brechen können. Erst im Oktober 2019 veröffentlicht die Beklagte Informationen, in der auf die Möglichkeit von Spontanbrüchen, die unbemerkt bleiben, hingewiesen worden sei. Trotz Kenntnis habe die Beklagte nicht alle zur Verfügung stehenden und gebotenen Maßnahmen zur Verhinderung von (weiteren) Schäden ergriffen (Beilage ./G, Beilage ./H, § 273 Abs 2 ZPO).

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Erstgericht unter anderem aus, Im vorliegenden Fall ist in Bezug auf die von der Klägerin geltend gemachten Schadenersatzansprüche für die neue Verhütungsspirale, die Fahrtkosten und Spesen jedenfalls § 273 Abs 2 ZPO anwendbar. Einerseits übersteigen die einzelnen Ansprüche jeweils nicht den im Gesetz normierten Betrag von € 1.000,00, sodass bereits aus diesem Grund die Anwendung dieser Gesetzesstelle jedenfalls gerechtfertigt ist. Andererseits sind diese Schadenersatzbeträge aber auch im Verhältnis zum Gesamtbetrag von unbedeutender Höhe und die vollständige Aufklärung aller für sie maßgebenden Umstände wäre mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung der streitigen Ansprüche in keinem Verhältnis stehen. Insbesondere wäre zur Aufrollung der Geschehnisse entweder eine Anreise des von der beklagten Partei genannten „informierten Vertreters“ Q* aus F* oder dessen Einvernahme im Rechtshilfeweg oder allenfalls im Videokonferenzweg (wobei diese Möglichkeit im europäischen Ausland grundsätzlich besteht, die praktische Umsetzung jedoch mit massiven Schwierigkeiten verbunden ist), jedenfalls aber die Beiziehung eines Dolmetschers für die spanische Sprache erforderlich gewesen. Weiters wäre es erforderlich, sich im Detail und chronologisch mit sämtlichen innerbetrieblichen Vorgängen der Beklagten und ihrer österreichischen Vertragspartnerin R* GmbH im Zusammenhang mit der erfolgten Rückrufaktion auseinandersetzen und diese aufzurollen, sowie allenfalls sogar noch die Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich technische Chemie und oder Medizinprodukte. Umso mehr ist im vorliegenden Falls die Anwendung des § 273 Abs 2 ZPO – wonach die Berechtigung dem Grunde nach und Höhe des Anspruchs von amtswegen selbst mit Übergehung eines von der Partei angebotenen Beweises diesen Betrag nach freier Überzeugung festgesetzt werden kann – jedenfalls gerechtfertigt und zulässig. Sowohl der Wortlaut "maßgebende Umstände", die systematische Stellung von § 273 ZPO als Bestimmung über die Beweisaufnahme sowie das genannte prozessökonomische telos sprechen dafür, dass nur Tatsachen-, nicht aber Rechtsfragen nach freiem Ermessen des Richters beurteilt werden dürfen (Martin Trenker, § 273 Abs 2 Fall 2 ZPO - Ansätze eines Bagatellverfahrens, RZ 2015, 74 (76)). Insofern erfolgten die Feststellungen im letzten Absatz des Sachverhalts nach bestem Wissen und Gewissen im Sinne einer wohlverstandenen Prozessökonomie entsprechend dem Vorbringen der klagenden Partei iVm mit den dort zitierten Urkunden im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten nach § 273 Abs 2 ZPO.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, zunächst sei näher auf die Haftung aufgrund des PHG einzugehen, wobei auf diese Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall nur die Position des Schmerzengeldes geltend gemacht werden könne. Dass das von der Beklagten hergestellte Produkt – die der Klägerin eingesetzte Verhütungsspirale – fehlerhaft gewesen sei, ergebe sich schon aus dem Umstand, dass das Produkt im Körper der Klägerin gebrochen ist und dadurch jedenfalls nicht die Sicherheit geboten habe, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt sei. Aus dem Gebrauch einer Spirale zu Verhütungszwecken dahingehend, dass eine Spirale in die Gebärmutter eingesetzt und nach Ablauf der Wirkungszeit wieder – in einem Stück – entnommen werde, könne man berechtigterweise davon ausgehen, dass die Spirale während der Wirkungszeit nicht im Körper in Teile breche. Das Produkt der Beklagten sei fehlerhaft gewesen und sei im Körper der Klägerin auseinander gebrochen. Der Bruch der Spirale habe ausgehend vom festgestellten Sachverhalt zu einer Körperverletzung bei der Klägerin geführt, da sie aufgrund des Bruchs medizinisch notwendige Eingriffe und Schmerzen erdulden musste, was nicht der Fall gewesen wäre, wenn die Spirale nicht fehlerhaft bzw. gebrochen wäre. Die beklagte Partei hafte daher nach PHG für die von der Klägerin erlittenen Schmerzen. Das Schmerzengeld sei die Genugtuung für alles Ungemach, das die Geschädigte infolge ihrer Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und die Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, die Schwere der Verletzung, das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands, den Heilungsverlauf und die Dauerfolgen abgelten und die durch Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen (2 Ob 105/09v; 2 Ob 216/19g; RS0031040; RS0031474; RS0031061). Dabei seien auch Sorgen der Verletzten um spätere Komplikationen, das Bewusstsein eines Dauerschadens und die damit verbundene seelische Belastung sowie entgangene und künftig entgehende Lebensfreude zu berücksichtigen (2 Ob 72/20g mwN). Das Schmerzengeld sei nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat und voraussichtlich noch zu erdulden haben werde, grundsätzlich global festzusetzen (2 Ob 101/05z mwN; 2 Ob 105/09v; 2 Ob 175/14w; RS0031307). Die Bemessung habe nicht nach starren Regeln, etwa nach Tagessätzen oder Schmerzperioden, zu erfolgen. Es sei vielmehr jede Verletzung in ihrer Gesamtauswirkung nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu betrachten und auf dieser Basis eine Bemessung vorzunehmen (2 Ob 72/13x; RIS-Justiz RS0031415 [T7, T8], RS0125618). Seelische Schmerzen (psychische Beeinträchtigungen, Unlustgefühle) seien bei der Bemessung des Schmerzengeldes zu berücksichtigen, wenn sie Folgen einer physischen Beeinträchtigung des Körpers sind. Dazu zählen etwa das Bewusstsein, körperlich nicht mehr voll einsatzfähig zu sein, Sport nur mehr beschränkt ausüben zu können und in der Berufsausübung beeinträchtigt zu sein (RIS-Justiz RS0031063). Bei dieser Art seelischer Schmerzen handle es sich um Begleiterscheinungen zu bzw. Reaktionen auf Körperverletzungen und Verletzungssituationen, deren Auftreten einen eigenständigen, weiteren Nachteil des Verletzten „in dem von ihm gewählten Lebensvollzug“ darstellt, wobei es für die Relevanz (und damit Ausgleichsfähigkeit) dieser Verletzungsfolgeschäden weder auf das Vorliegen eines (eigenständigen) Leidenszustandes von Krankheitswert noch auf eine ärztliche Behandlungsbedürftigkeit ankomme (Danzl, HB Schmerzengeld Rz 3.47 mwN). Ihre Bejahung – im Rahmen der Gesamtwürdigung – könne hierbei häufig bereits aus der alltäglichen (Lebens-)Erfahrung hergeleitet werden und bedürfe daher – insofern als geradezu offenkundig iSd § 269 ZPO – keiner besonderen Beweisaufnahme, ja nicht einmal eines speziellen Vorbringen des hiervon betroffenen Verletzten, um bei der Bemessung „des den erhobenen Umständen angemessenen“ Schmerzengeldes Berücksichtigung zu finden (Danzl aaO Rz 3.48 mwN; RS0030972; vgl LG Wels 22 R 131/21b).

Festgestellt worden sei, dass die Klägerin (komprimiert auf den 24-Stunden-Tag) aufgrund des Bruchs und Abgangs der Spirale und den damit in Verbindung stehenden medizinischen Eingriffen folgende Schmerzperioden erlitt: leichte Schmerzen: 10 Tage, mittelstarke Schmerzen: 2 Tage, starke Schmerzen: 1 Tag. Festgestellt worden sei weiters, dass diese Schmerzen von der Art und Qualität der Schmerzen nicht mit den von der Klägerin üblicherweise erlittenen Regelschmerzen zu vergleichen waren. Auch wenn die Klägerin zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Spirale gerade ihre Periode hatte und auch dies bei der Klägerin zu (anderen) Schmerzen führe, so führe dies zu keiner Reduktion der aus rechtlicher Sicht zu berücksichtigenden Schmerzperioden, da überspitzt formuliert Schmerzen einer Frau aufgrund eines gebrochenen Armes auch nicht zu einer Reduktion der zu berücksichtigenden Schmerzperioden führen kann, nur weil sich der Zeitraum der Schmerzen aufgrund des gebrochenen Arms und der monatlichen Regelblutung und den damit einhergehenden Schmerzen überschneiden. Auch derartige Schmerzen wären von Art und Qualität der Schmerzen nicht miteinander vergleichbar. Auch derartige Schmerzen wären von Art und Qualität der Schmerzen nicht miteinander vergleichbar. Wenn die Spirale nicht gebrochen wäre, dann hätte die Klägerin jedoch am Ende der Wirkungszeit bzw. Nutzungsdauer bei der Entfernung der Verhütungsspirale (komprimiert auf den 24-Stunden-Tag) jedenfalls einen halben Tag leichte Schmerzen erleiden müssen. Diese Schmerzen seien als „Sowieso-Schmerzen“ von den Schmerzperioden in Abzug zu bringen. Allerdings musste sich die Klägerin, um die ursprünglich geplante Verhütungsdauer von (zumindest) 5 Jahren mittels Verhütungsspirale zu erreichen, eine weitere Verhütungsspirale einsetzen und wieder entfernen lassen. Die damit in Verbindung stehenden und festgestellten Schmerzperioden für Einsetzen (ein halber Tag leichte Schmerzen, ein halber Tag mittelstarke Schmerzen und ein halber Tag starke Schmerzen) und Entfernen (ein halber Tag leichte Schmerzen) seien daher wiederum zu berücksichtigen. Das Vorbringen der klagenden Partei, dass hier zwei (und nicht nur eine) weitere Spirale eingesetzt werden müssten und daher der Schmerzperiodenkatalog dahingehend zu ergänzen sei, sei hingegen nicht nachvollziehbar. Hinzu kommen noch die festgestellten psychischen Unlustgefühle (Stimmungsschwankungen, Niedergeschlagenheit, Ratlosigkeit, Angst vor den medizinischen Eingriffen, Angst vor allfälligen Langzeitwirkungen, Enttäuschung, sexuelle Unlustgefühle), sodass unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze iVm den konkreten Umständen des Einzelfalls ein Schmerzengeld in Höhe von € 3.250,00 als jedenfalls gerechtfertigt erscheine.

Die übrigen geltend gemachten Schadenersatzpositionen (Kosten für neue Spirale, Fahrtkosten, Spesen) seien dem Grunde nach nicht nach PHG ersatzfähig, vielmehr komme hier eine Verschuldenshaftung in Betracht. Eine Haftung aufgrund der Verletzung einer Produktbeobachtungspflicht sei nach den Grundsätzen der Verschuldenshaftung (§§ 1293 ff ABGB) zu beurteilen. Sofern der Hersteller also schuldhaft seine Pflicht zur Produktbeobachtung nach dem Inverkehrbringen verletze, könne er zu Haftung aus Verschulden herangezogen werden (Stelzer, Produkthaftung in der Medizin (2020) S. 39). Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt habe die beklagte Partei rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und hafte daher für den der Klägerin kausal entstandenen Schaden für neue Spirale, Fahrtkosten und Spesen dem Grunde nach. Wie von der beklagten Partei zutreffend eingewendet, sei allerdings von den geltend gemachten Kosten für eine neue Spirale in Höhe von € 521,82 ein Teil von 3/5 abzuziehen, da die Spirale „erst“ nach 3/5 der Gesamtnutzungsdauer von 5 Jahren gebrochen sei und somit für die restliche Nutzungsdauer 2/5 der Kosten – sohin € 208,73 – von der Beklagten zu tragen sind, ansonsten eine Bereicherung vorliegen würde. Die geltend gemachte Höhe für weitere Spesen in Höhe von € 50,00 sei nach § 273 ZPO nicht zu beanstanden. Die geltend gemachten und dementsprechend festgestellten Fahrten von insgesamt 101,6 km á € 0,42 rechtfertigen jedoch lediglich Fahrtkosten in Höhe von € 42,67. Zusammengefasst bestehe daher der Schadenersatzanspruch der Klägerin mit insgesamt € 3.551,40 (bestehend aus € 3.250,00 Schmerzengeld, € 208,73 an anteiligen Kosten der neuen Spirale, € 42,67 Fahrtkosten und € 50,00 Spesen) samt 4 % Zinsen (§ 1000 ABGB) ab Klagszustellung zu Recht, das Mehrbegehren sei hingegen – ebenso wie das Feststellungsbegehren – abzuweisen gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der beklagten Partei aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Sachverhaltsfeststellung wegen unrichtiger Beweiswürdigung und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Klagebegehren im Umfang eines weiteren Betrages von € 2.508,73 (anteiligen Kosten der neuen Spirale von € 208,73, einen Teilbetrag an Schmerzengeld von € 2.250,00 sowie pauschale Unkosten in Höhe von € 50,00) abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragte in ihrer Berufungsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge moniert die unterlassene Einvernahme von Herrn S* als Zeugen und die PV der Beklagten bzw. des informierten Vertreters Q* zum Beweis dafür, dass sie kein Verschulden im Zusammenhang mit dem Bruch der Spirale trifft.

Die Mängelrüge übersieht, dass das Erstgericht die Berechtigung des Schadenersatzanspruches dem Grunde und der Höhe nach unter Anwendung des § 273 Abs 2 ZPO beurteilte.

Sind von mehreren in derselben Klage geltend gemachten Ansprüche einzelne, im Verhältnis zum Gesamtbetrag unbedeutende, streitig und ist die vollständige Aufklärung aller für sie maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung der streitigen Ansprüche in keinem Verhältnis stehen, so kann das Gericht nach § 273 Abs 2 ZPO darüber in der gleichen Weise wie in Abs. 1 nach freier Überzeugung entscheiden. Gleiches gilt auch für einzelne Ansprüche, wenn der begehrte Betrag jeweils 1 000 Euro nicht übersteigt.

§ 273 Abs 2 ZPO kommt somit in zwei Fällen zur Anwendung: Einerseits wenn bei Klagenhäufung einzelne Ansprüche im Verhältnis zur Gesamtsumme unbedeutend sind und die vollständige Aufklärung der für sie maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zur Bedeutung dieser Ansprüche in keinem Verhältnis stehen (relative Bagatellfälle). Die Höhe des „unbedeutenden“ Betrags ist dabei unbegrenzt, der Beitrag muss nur im Vergleich zum Gesamtbetrag unbedeutend sein, woraus geschlossen wird, dass der Gesamtbetrag jedenfalls ein Vielfaches des Teilbetrags sein muss. Andererseits wenn einzelne Ansprüche – ob bei Klagenhäufung oder Einzeleinklagung – 1.000 Euro nicht übersteigen und die Klärung der relevanten Fragen mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten behaftet wäre (absolute Bagatellfälle). In beiden Fällen kann auch über den Bestand der Forderung – und deren Höhe - nach freier Überzeugung entschieden werden (vgl Spitzer in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON, § 273 ZPO Rz 15 f mwN, Rz 19). Die herrschende Lehre gesteht dem Richter auch ein Wahlrecht zu, nämlich ob er auf das Beweisverfahren zur Gänze verzichtet oder die sonstigen (leicht verfügbaren) Beweise aufnimmt (vgl Spitzer aaO, § 273 Rz 16 mwN).

Die Entscheidung des Gerichts darüber, ob es §  273 ZPO anwenden darf, ist eine rein verfahrensrechtliche Entscheidung und daher mit Mängelrüge zu bekämpfen (RIS - Justiz RS0040282 , RS0040364 [T7]), wogegen das Ergebnis einer nach §  273 ZPO erfolgten Betragsfestsetzung als revisible rechtliche Beurteilung zu qualifizieren ist (RIS -Justiz RS0111576 , RS0040341 ). Die Verfahrensrüge macht inhaltlich gar nicht geltend, das Erstgericht habe zu Unrecht § 273 Abs 2 ZPO geltend gemacht. Dies ist auch nicht der Fall, wobei zu § 273 Abs 2 1. Fall ZPO auf die ausführliche Begründung des Erstgerichtes verwiesen werden kann und überdies anzumerken ist, dass im Hinblick auf die von § 273 ZPO erfassten Klagepositionen auch § 273 Abs 2 2. Fall ZPO anwendbar ist, sodass in der unterlassenen Beweisaufnahme kein Verfahrensmangel zu erblicken ist.

Die Tatsachenrüge wendet sich zunächst gegen die Feststellung, wonach die Klägerin (komprimiert auf den 24-Stunden-Tag) aufgrund des Bruchs und Abgang der Spiralenteile und den damit in Verbindung stehenden medizinischen Eingriffen folgende Schmerzperioden erlitt: leichte Schmerzen: 10 Tage, mittelstarke Schmerzen: 2 Tage, starke Schmerzen: 1 Tag und diese Schmerzen von der Art und Qualität der Schmerzen nicht mit den von der Klägerin üblicherweise erlittenen Regelschmerzen zu vergleichen waren und zum Zeitpunkt des Aussscheidens die Klägerin gerade ihre Periode hatte. Sie begehrt demgegenüber die Ersatzfeststellung, dass nicht im Detail festgestellt werden kann, in welchem Ausmaß die Klägerin aufgrund des Bruches und Abganges der Spiralenteile und den damit in Verbindung stehenden medizinischen Eingriffen (zu Ergänzen: Schmerzen) erlitt, kann nicht im Detail festgestellt werden, die Klägerin gewisse Schmerzen im Zeitraum Februar bis März 2021 schilderte, welche sie anders wahrnahm, als ihre gewöhnlichen Regelschmerzen, wobei sie auch während ihrer Periode immer im Durschnitt vier bis fünf Tage unter mittelstarken Schmerzen leidet und zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Spirale die Klägerin gerade ihre Periode hatte.

Die angefochtenen Feststellungen sind nicht zu beanstanden, weil sie nicht nur auf der Aussage der Klägerin beruhen, sondern ihre Angaben nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. T* auch glaubwürdig sind, da die Klägerin sehr präzise Angaben und auch sehr klare Angaben zu den von ihr erlittenen Schmerzen machen konnte und sie auch ein Schmerztagebuch geführt hat, das für sie sehr plausibel ist. Nach der Sachverständigen war es für die Klägerin auch klar erkennbar, dass das andere Schmerzen (als Regelbeschwerden) sind und das für sie abgrenzbar war und die Klägerin gegenüber der Sachverständigen auch einen ganz anderen Schmerz und eine andere Schmerzqualität schilderte als ein von der Klägerin üblicherweise empfundener Regelschmerz empfunden wurde. Die Klägerin habe extrem präzise dargestellt und dokumentiert, wie sich der Schmerz entwickelt hat und die Klägerin habe auch plausibel geschildert, dass nach dem Abgang der Spirale die Schmerzen leichter wurden (SV S 5 f in ON 44). Angesichts dieser Ausführungen der Sachverständigen sind die bemängelten Feststellungen nicht zu beanstanden.

Soweit die Feststellungen bemängelt werden, wonach der Beklagten bereits seit Februar 2018 bekannt war, dass die Seitenarme der von ihr hergestellten Verhütungsspirale in situ (d.h. in der Gebärmutter) brechen können, erst im Oktober 2019 die Beklagte Informationen veröffentlichte, in der auf die Möglichkeit von Spontanbrüchen, die unbemerkt bleiben, hingewiesen wurde und Trotz Kenntnis die Beklagte nicht alle zur Verfügung stehenden und gebotenen Maßnahmen zur Verhinderung von (weiteren) Schäden ergriffen hat und als Ersatzfeststellung anstrebt, dass die Beklagte bereits im Februar/März 2018 aufgrund eingegangener Meldungen zum Fehlerbild „Brüche der Seitenarme“ Rückrufe bestimmter Lots ihrer Produkte veranlasst hat, im Oktober 2019 ihrerseits weitere Informationen an die Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe ergingen, in denen sie auf die Möglichkeit des Bruches der IUP auch ohne Manipulation hingewiesen hat (Spontanbrüche, die unbemerkt bleiben können) und die vorgeschlagene Vorgangsweise in solch einem Fall und im April 2020 auf Anweisung des BASG eine weitere Information an Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, mit der Empfehlung des BASG erging, die Trägerinnen seiner IUPs zu informieren bzw. aktiv zur Kontrolle und Besprechung der individuell besten medizinischen Entscheidung einzuladen und nicht festgestellt werden kann, dass weitere Maßnahmen zur Verhinderung von Schäden von Seiten der Beklagten getroffen hätten werden müssen, wird übersehen, dass das Erstgericht die diesbezüglich bemängelten Feststellung auch unter Hernaziehung des § 273 Abs 2 ZPO getroffen hat und bei Schadenersatzansprüchen über alle Voraussetzungen dafür nach dieser Bestimmung entschieden werden kann (vgl Spitzer in Spitzer/Wilfinger, Beweisrecht, § 273 ZPO Rz 16 [FN 95]). Die monierte Feststellung ist damit mit Beweisrüge nicht anfechtbar.

Ob der Zuspruch von pauschalen Unkosten nach dem PHG möglich ist oder nicht, weil reine Vermögensschäden nach Ansicht der beklagten Partei in der Rechtsrüge nicht aus dem Titel der Produkthaftung geltend gemacht werden können, kann dahingestellt bleiben, weil das Erstgericht diese aus dem Titel des Schadenersatzes wegen verschuldeten Verstoßes der beklagten Partei gegen die Produktbeobachtungspflicht nach § 273 Abs 2 ZPO zugesprochen hat, was nach den verbindlichen Feststellungen nicht zu beanstanden ist.

Wenn unter Zitierung von behauptetermaßen vergleichbare Sachverhalte betreffende Urteile behauptet wird, das Schmerzengeld hätte höchstens mit € 1.800,-- bemessen werden dürfen, genügt es auf die ausführliche Begründung des Erstgerichtes zu verweisen, die vom Berufungsgericht angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles geteilt wird (§ 500a ZPO). Es kommt nicht (ausschließlich) auf die ermittelten Schmerzperioden an, sondern ist jede Verletzung vielmehr in ihrer Gesamtauswirkung nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu betrachten und auf dieser Basis dann eine Bemessung vorzunehmen (RIS – Justiz RS0125618, RS0031415, RS0122794). Unter Berücksichtigung der psychischen Beeinträchtigungen bzw Unlustgefühle ist der vom Erstgericht vorgenommen Zuspruch durchaus zu tolerieren.

Der Berufung kommt somit keine Berechtigung zu.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Der Revisionsausschluss gründet auf § 502 Abs 2 ZPO.

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