JudikaturLG Wels

36Cg25/21k – LG Wels Entscheidung

Entscheidung
05. November 2021

Kopf

Das

Landesgericht Wels

erkennt durch die Richterin Mag. Christina Niedermayr in der Rechtssache der klagenden Partei J***** , vertreten durch die Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in 4020 Linz, wider die beklagte Partei D***** , vertreten durch Dr. Ivo Greiter, Dr. Franz Pegger, Dr. Stefan Kofler ua Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, wegen EUR 18.205,80 s.A., nach öffentlicher mündlicher Streitverhandlung zu Recht:

Spruch

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erwarb am 14.2.2014 von der P***** über Vermittlung der A***** ein Fahrzeug der Marke M***** mit der Fahrgestellnummer WDD2122821A949593 um EUR 60.686,- (Nettopreis des Fahrzeuges: EUR 47.263,24). Dieses wurde am 27.2.2014 zugelassen (vgl Beilagen ./M und ./N).

Der Kläger begehrt die Zahlung des Klagsbetrages als Preisminderung zusammengefasst mit dem Vorbringen, er wäre im Gespräch mit der Klagevertretung darüber informiert worden, dass der in seinem Fahrzeug verbaute Dieselmotor mit der Bezeichnung OM 651 vom Abgasmanipulationsskandal betroffen sei und zumindest die Stickoxidwerte (NOx) nicht den Angaben im Typenschein entsprechen würden. Beim Ankauf habe er darauf vertraut, ein manipulationsfreies Fahrzeug, welches den gesetzlichen Bestimmungen entspreche, zu kaufen. Tatsächlich hätte die Beklagte jedoch Fahrzeuge in Verkehr gebracht, die weder typengenehmigungsfähig noch zulassungsfähig seien. Die Beklagte hafte für den von ihm erlittenen Schaden unter anderem dem Titel der listigen Irreführung und absichtlicher vorsätzlicher Schädigung, aber auch wegen der Verletzung von Schutzgesetzen.

Die Beklagte wandte die Unschlüssigkeit der Klage ein und brachte zusammengefasst vor, dass das Fahrzeug von keinem Rückrufbescheid des deutschen Kraftfahrt-Bundesamtes (im folgenden kurz: KBA) betroffen sei. Es werde lediglich ein freiwilliges Software-Update angeboten, welches vom KBA geprüft und freigegeben, nicht aber angeordnet worden wäre. Das Fahrzeug sei nicht mangelhaft, zudem wäre darin keine unzulässige Abschalteeinrichtung verbaut und entspreche auch der Typengenehmigung. Die Möglichkeiten des Klägers, das Fahrzeug zu nutzen, würden nicht eingeschränkt. Der Kläger habe mit ihr auch keinen konkret einzuhaltenden Nox-Emissionswert vereinbart. Da der Kläger das Fahrzeug bereits verkauft habe, läge ein allfälliger Schaden in der Differenz des Wertes des Fahrzeuges, den der Kläger erhalten habe, und dem tatsächlichen Wert am Markt.

Über die bereits eingangs getroffenen Feststellungen hinaus steht fest:

Der Kläger fährt seit mehr als 30 Jahren ausschließlich Fahrzeuge der Beklagten. Der hier streitgegenständliche T***** war sein viertes, fünftes oder auch sechstes Fahrzeug der Beklagten. Für den Kläger wesentliches Argument für den Kauf dieses Fahrzeuges war, dass er weniger Versicherung bezahlen wollte und auch der Verbrauch sollte – im Vergleich zu dem von ihm zuvor gefahrenen Kombi – niedriger sein. Über Abgaswerte, konkret den Nox-Wert wurde weder beim Kauf gesprochen, noch war Letzterer für den Kläger bis zum Bekanntwerden des Abgasskandals ein Begriff (vgl. PV Kläger, S. 2f in ON 8).

Der Kläger erhielt zu keinem Zeitpunkt ein Schreiben mit der Aufforderung zur Durchführung eines Software-Updates; es gab aus seiner Sicht nie einen Hinweis darauf, dass die Typengenehmigung für das Fahrzeug entzogen werden könnte. Am 22.2.2021 wurde ihm jedoch im Zuge der Durchführung der Überprüfung nach § 57a KFG vom Werkstättenleiter mitgeteilt, dass für das Fahrzeug, welches damals einen Kilometerstand von rund 71.000 km aufwies, ein freiwilliges Software-Update zur Verfügung stünde. Dieses hat der Kläger abgelehnt. Am gleichen Tag hat der Kläger ein Fahrzeug – wiederum der Marke Mercedes-Benz – erworben, wobei er selbiges zum Teil durch Eintausch des streitgegenständlichen Fahrzeuges und Aufzahlung von EUR 51.300,- bezahlte. Der Listenpreis des neu erworbenen Fahrzeuges lag bei rund EUR 90.000,-, ausgepreist war es mit EUR 79.000,-. Zudem hat der Kläger als Selbstständiger einen Rabatt lukriert. Nach Erhalt eines Schreibens einer deutschen Rechtsanwaltskanzlei ein bis zwei Tage nach dem 22.2.2021, demzufolge der Kläger ohne Kostenrisiko für das streitgegenständliche Fahrzeug EUR 20.000,- erstreiten könne, wurde der Abschluss des Kaufvertrages noch drei Wochen hinausgeschoben (vgl PV Kläger, Seiten 3ff in ON 8).

Im klagsgegenständlichen Fahrzeug ist ein Motor mit dem Motorkennbuchstaben OM651 eingebaut; es unterliegt der EU Emissionsstufe Euro 5 (vgl ua SV DI Haslinger, Seite 7 in ON 17; Beilage ./N). Der streitgegenständliche M*****, mit dem OM 651-iger Motor hatte immer eine aufrechte Typengenehmigung, es stand auch nie ein Entzug der Typengenehmigung im Raum; dieses Fahrzeug scheint in der KBA-Liste als vom Abgasskandal betroffenes Fahrzeug nicht auf.

Das Fahrzeug hält im realen Straßenverkehr den Grenzwert des NEFZ-Tests nicht ein. Allerdings nimmt die auf das streitgegenständliche Fahrzeug anwendbare EU-5-Norm aus technischer Sicht keinen Bezug auf einen RDE-Test, somit keinen Bezug auf den Schadstoffausstoß im realen Fahrbetrieb; selbige wurden erst mit der EU-6d-Norm (Fahrzeugtypisierungen ab Ende 2017) eingeführt.

Im streitgegenständlichen Fahrzeug ist ein Thermofenster verbaut, wie es generell für temperaturabhängige Regelungen von Emissionsminderungsstellgrößen notwendig und auch Stand der Technik ist - insbesondere auch deswegen, um nutzungs- und emissionsrelevante Schäden verhindern zu können. Dieses Thermofenster ist lediglich in einem Temperaturbereich von plus 11 bis 30 Grad Celsius voll funktionsfähig. Dies umschreibt jenen Temperaturbereich, in dem eine uneingeschränkte Abgasrückführung voll funktionsfähig ist. Würde eine uneingeschränkte Abgasrückführung ohne Thermofenster eingebaut werden, so würden insbesondere das AGR-Ventil und der AGR-Kühler die geforderte Mindestdauerhaltbarkeit von 160.000 km keinesfalls halten, da es bei Unterschreiten des Taupunktes zu einer Kondensatablagerung beim AGR-Ventil und im AGR-Kühler kommt und übermäßige Ablagerungen entstehen würden; bei Überschreiten einer höheren Temperatur besteht die Gefahr von thermischen Schäden. Das heißt, dieses Thermofenster bzw. der Temperaturbereich, über den die Abgasrückführung voll funktionsfähig ist, bedeutet einen Bauteilschutz insbesondere für das AGR-Ventil und für den AGR-Kühler und damit auch für die Betriebssicherheit des Fahrzeuges. Sobald nämlich einer dieser beiden Bauteile nicht mehr voll funktionsfähig ist, kommt es dazu, dass die Motorsteuerung auf das „Notprogramm“ umschaltet und das Fahrzeug nur mehr mit ganz reduzierter Leistung (im wesentlichen zum unfallfreien Abstellen des Fahrzeuges) betrieben werden kann. Dieses Notprogramm verhindert größere Schäden, wobei man ohne Notprogramm auch Schäden an den Injektoren, am Turbolader und eventuell sogar am Motor in Kauf nehmen müsste. Würde man das Umschalten auf ein Notprogramm verhindern und zwar dann, wenn irgendein Mangel am Motor von der Motorsteuerung bemerkt wird, dann ist es so, dass man einen kapitalen Motorschaden bis zum völligen Versagen des Motors nicht ausschließen kann.

Dass beim streitgegenständlichen Fahrzeug die Motorsteuerung derart ausgestaltet sein soll, wonach nur im Prüfstand eine spezielle Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung aktiviert wird, die den Kühlmittelkreislauf künstlich kälter hält und die Aufwärmung des Motoröls verzögert, sodass nur auf dem Prüfstand die Stickoxidwerte auf einem niedrigen Niveau bleiben würden, kann nicht festgestellt werden.

Ein Fahrzeug ohne aufrechte Typengenehmigung, also ohne möglicher Verkehrszulassung kann nur als Teilespenderfahrzeug verwendet und bewertet werden; ein derartiges Fahrzeug hätte höchstens 50% des tatsächlichen Wertes. Um einen drohenden Typengenehmigungsentzug zu kompensieren, hätte man das Fahrzeug um 30% günstiger anbieten müssen, um von einem Durchschnittskäufer gleich gerne erworben zu werden wie ein solches ohne derartigen möglichen Entzug. Für den Fall, dass dem Käufer allerdings bekannt gemacht würde, dass beispielsweise innerhalb einer Jahresfrist ein Software-Update kommt, welches dieses Problem beseitigt und eine eventuell vorhandene unzulässige Abschalteinrichtung damit beseitigt wird, wäre allerdings ein Abschlag von höchstens 10% gerechtfertigt, das heißt, in diesem Fall wäre höchstens eine fiktive Wertminderung von 10 % abzuziehen.

Der Kaufpreis des Fahrzeuges im Februar 2014 war nicht überhöht, zumal es für dieses Fahrzeug keinen Rückruf gegeben hat und vom KBA keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde; aus eben diesen Gründen ist zudem eine Wertminderung zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung nicht feststellbar. Auch zum Verkaufszeitpunkt des Fahrzeuges durch den Kläger war keine Wertminderung gegeben, zumal sich am österreichischen Markt eine Preisminderung am Gebrauchtwagenmarkt nicht eingestellt hat; Käufer am österreichischen Markt haben sich nie darum gekümmert, ob ein Fahrzeug vom Diesel-Skandal betroffen ist oder nicht.

Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen gründen auf den jeweils in Klammer angeführten Fundstellen, insbesondere den vorgelegten Urkunden und der Parteieneinvernahme des Klägers.

Die Feststellungen zu den fahrzeugtechnischen Ausführungen, insbesondere zur Abschalteinrichtung und dem Thermofenster basieren auf dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des KFZ-technischen Sachverständigen DI Wolfgang Haslinger, dessen Ausführungen in die Feststellungen zu übernehmen waren.

Zur Frage, ob beim streitgegenständlichen Fahrzeug die Motorsteuerung derart ausgestaltet ist, wonach nur im Prüfstand eine spezielle Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung aktiviert wird, die den Kühlmittelkreislauf künstlich kälter hält und die Aufwärmung des Motoröls verzögert, sodass nur auf dem Prüfstand die Stickoxidwerte auf einem niedrigen Niveau bleiben würden, konnten mangels entsprechender Beweisergebnisse nicht mit der für das Zivilverfahren erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Der Sachverständige selbst konnte dies weder bestätigen noch ausschließen; aber auch das Gutachten Beilage ./C nimmt nicht auf ein baugleiches Modell Bezug (sondern unter anderem auf einen MB E 250), sodass diesbezüglich letztlich eine Negativfeststellung zu treffen war.

Rechtliche Beurteilung

Rechtliche Beurteilung:

Alle vom Kläger herangezogenen Anspruchsgrundlagen (listige Irreführung, Schadenersatz) setzen das Vorhandensein eines Schadens voraus, der jeweils vom Kläger nachzuweisen ist (vgl RIS-Justiz RS01098332). Ausgehend von den getroffenen Feststellungen ist dem Kläger dieser Nachweis allerdings nicht gelungen, zumal der Preis des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Ankaufs im Jahr 2014 nicht überhöht war, und er auch zum Zeitpunkt des Verkaufs im Jahr 2021 keine Wertminderung hinnehmen musste. Das Klagebegehren war daher schon mangels Nachweises eines Schadens abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 41 ZPO. Der Einwand des Klägers, der Protokollberichtigungsantrag wäre nicht zu honorieren, geht ins Leere (vgl Obermaier , Kostenhandbuch 3 , Rz 3.73). Berechtigt verweist der Kläger allerdings darauf, dass die – durch die (ebenfalls in der Kostennote verzeichnete) Eingabe der Kläger provozierte - Mitteilung vom 24.9.2021 nur nach TP1 zu honorieren ist; dementsprechend war die Kostennote auf EUR 3.639,- zu kürzen. Die Frage, ob der Beklagten USt zuzusprechen ist und wenn ja, in welcher Höhe, konnte dahingestellt bleiben, da eine solche ohnedies nicht verzeichnet wurde.

Rückverweise