JudikaturLG Wels

5Cg72/20t – LG Wels Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2021

Kopf

Das

Landesgericht Wels

erkennt durch die Richterin Mag. Sylvia Eichinger in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Dr. Lorenz Kirschner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, gegen die beklagte Partei I*****, vertreten durch Dr. Fritz Vierthaler, Rechtsanwalt in 4810 Gmunden, wegen eingeschränkt EUR 51.567,82 s.A. zu Recht:

Spruch

1.) Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagevertreters binnen 14 Tagen EUR 18.486,57 samt 4 % Zinsen seit 19.12.2018 zu zahlen.

2.) Das darüber hinausgehende Leistungsmehrbegehren in Höhe von EUR 33.081,25 samt 4 % Zinsen seit 19.12.2018 wird abgewiesen .

3.) Der Kläger ist daher schuldig, der Beklagten zu Handen des Beklagtenvertreters die Prozesskosten in Höhe von EUR 4.262,37 (darin EUR 571,52 an USt und EUR 833,19 (EUR 1.329,25 minus EUR 496,06) an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist der Sohn des am ***** geborenen und am ***** verstorbenen A*****. Der Verstorbene hinterließ sechs Kinder. Die Verlassenschaft behängte zu ***** des Bezirksgerichtes Gmunden. Diese Verlassenschaft wurde mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes Gmunden vom 27.07.2020 der Beklagten als Tochter des verstorbenen A***** zur Gänze eingeantwortet. Der Kläger ist pflichtteilsberechtigt und hat die Beklagte pro pflichtteilsberechtigtem Kind einen Betrag von EUR 25.000,-- als Pflichtteil anerkannt und diesen Betrag bereits an die jeweiligen pflichtteilsberechtigten Kinder ausbezahlt.

Der Kläger begehrt mit der am 04.06.2020 beim Landesgericht Wels elektronisch eingebrachten Klage zunächst die Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von EUR 58.333,--, eingeschränkt mit Schriftsatz vom 10.03.2021 (ON 21) auf EUR 53.526,66 und letztendlich eingeschränkt in der ersten Stunde der mündlichen Streitverhandlung 20.04.2021 (ON 25) auf EUR 51.567,82. Zur Begründung wird ausgeführt, dass ihm ein Zwölftel des Wertes des reinen Nachlasses zukomme. Der Verkehrswert der erblasserischen Liegenschaften liege bei EUR 942.320,--. Die vom Beklagtenvertreter vorgenommene Aufstellung betreffend Verlassenschaftsaktiva und Verlassenschaftspassiva werde der Höhe nach außer Streit gestellt, jedoch dem Grunde nach ein Abzug für die Gebühr in Höhe von EUR 4.032,-- bestritten, da Aufwendungen, die der Erbe trage, um in den Genuss der Verlassenschaft zu gelangen, nicht abzuziehen seien. Hinzuzurechnen seien daher die weiteren Verlassenschaftsaktiva in Höhe von EUR 11.538,89, davon abzuziehen die Verlassenschaftspassiva in Höhe von gesamt EUR 35.045,05, weshalb sich ein reiner Nachlass von EUR 918.813,84 ergebe. Davon ein Zwölftel abzüglich der Zahlung in Höhe von EUR 25.000,-- stelle den Klagsbetrag dar. Die Landwirtschaft des Vaters sei verpachtet gewesen. Vom ursprünglichen Familienbesitz sei in den letzten Jahrzehnten immer wieder Land verkauft worden. Nach der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer gemäß § 19 Anerbengesetz liege kein Anerbenhof vor. Es sei daher weder der Ertragswert noch irgend ein Mischwert, sondern schlicht der Verkehrswert anzusetzen. Im hofnahen Bereich handle es sich darüber hinaus um Bauerwartungsland und es sei irrelevant, dass die Beklagte zufälligerweise in der Nähe eine Landwirtschaft betreibe, welche für sich genommen oder im Zusammenhang mit der Erbmasse einen lebensfähigen Betrieb bilden würde. Der Kläger und sein Vater hätten sich gegenseitig besucht. Der Vater sei auch zur Hochzeit im Jahr 2012 eingeladen gewesen und habe teilgenommen. Es komme zu keiner Minderung des Pflichtteils.

Die Beklagte bestreitet, beantragt kostenpflichtige Klagsabweisung und wendet ein, dass über den bereits anerkannten Betrag von EUR 25.000,-- hinaus kein Pflichtteilsanspruch des Klägers zu Recht bestehe. Hintergrund ihrer Erbeinsetzung sei gewesen, dass sich der Verstorbene A***** von seiner Ehegattin scheiden lassen habe und dieses Scheidungsverfahren tiefe Gräben in die Familie gezogen habe. Alle anderen Geschwister hätten sich der Mutter zugewandt und den Kontakt zum Vater abgebrochen. Sie selbst habe sich um den Vater gekümmert und diesen bei allen landwirtschaftlichen Arbeiten unterstützt, bis zuletzt gepflegt und kindlich betreut. Die Beklagte sei selbst Hälfteeigentümerin eines landwirschaftlichen Vollerwerbsbetriebes und beziehe ihren Lebensunterhalt ausschließlich aus landwirtschaftlicher Tätigkeit. Der landwirtschaftliche Betrieb des verstorbenen A***** werde von ihr fortgeführt. Auch wenn der landwirtschaftliche Betrieb des Verstorbenen die Anforderungen des Anerbengesetzes nicht erfülle, so komme er doch aufgrund seiner Lage und aufgrund der dazugehörigen Grundstücke einem Betrieb nahe, welcher dem Anerbengesetz unterliege. Es sei daher unter Anwendung der Grundsätze des Wohlbestehenkönnens im konkreten Fall von einem Übernahmepreis etwa in der Höhe des doppelten Ertragswertes, gerundet somit von EUR 300.000,-- auszugehen, wodurch auch dem höheren Verkehrswert angemessen Rechnung getragen werde. Unter diesen Bedingungen sei die Beklagte in der Lage, den landwirtschaftlichen Betrieb in vollem Umfang zu erhalten. Die zur Liegenschaft gehörenden Grundstücke würden kein Bauerwartungsland darstellen. Der landwirtschaftliche Betrieb des Verstorbenen sei auch geeignet, einen erheblichen Beitrag zum angemessenen Fortkommen der Beklagten zu erbringen. Im Übrigen sei unter Berücksichtigung der Verlassenschaftsaktiva (EUR 11.538,89) und der Verlassenschaftspassiva unter Einbeziehung der Gerichtsgebühren in Höhe von EUR 4.032,-- (EUR 39.077,05) von der angenommenen Berechnungsgrundlage ein Betrag in Höhe von EUR 27.538,16 in Abzug zu bringen.

Hilfsweise berufe sich die Beklagte auch auf das Recht der Pflichtteilsminderung im Sinne des § 776 Abs 1 ABGB. Der Beklagte habe jeden Kontakt zum Vater gemieden und sich um diesen in keiner Weise gekümmert. Er habe sich eher sogar feindselig gegenüber dem Vater verhalten. Der Vater habe seine sonstigen Kinder ausdrücklich auf das Mindeste beschränken wollen; dies habe er stillschweigend und schlüssig im Testament zum Ausdruck gebracht. Die pflichtteilsberechtigten Kinder hätten daher eine Minderung ihres Pflichtteilsanspruches auf die Hälfte hinzunehmen.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden (Beilage ./A, Beilagen ./1 bis ./8), durch Einsichtnahme in den Verlassenschaftsakt ***** Bezirksgericht Gmunden, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dipl. Ing. Dr. Maximilian Schneglberger (ON 14) sowie durch Einvernahme des Klägers und der Beklagten als Parteien.

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

Die Beklagte ist gemeinsam mit ihrem Ehemann seit Mai 1996 Pächterin der Landwirtschaft des verstorbenen Vaters (Beilage ./2). Es war so, dass der Vater, A*****, in Pension gegangen ist und daher mit seiner Tochter und ihrem Mann einen Pachtvertrag abgeschlossen hat. Die Beklagte ist selbst Landwirtin. Sie und ihr Ehemann sind jeweils Hälfteeigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes. Beide sind Vollerwerbsbauern und beziehen ihr Einkommen aus der Landwirtschaft. Die Beklagte betreibt zusammen mit ihrem Mann eine Schweinezucht und eine Schweinemast, darüber hinaus einen Direktverkauf von Pflanzen, Blumen, und sie bindet Kränze. A***** hatte bis ca. 2003 noch Kühe, dann wurde die Wiese zu Feldern umgeackert, wobei ihm die Beklagte mit ihrem Mann half. Zudem hatte er bis 2015 Schweine von 10 bis 20 Stück. Danach war er gesundheitlich nicht mehr in der Lage, den Hof aus eigenem zu bewirtschaften. Es wurde ab diesem Zeitpunkt von der Beklagten und ihrem Mann allein die Betreuung/Bewirtschaftung der Felder übernommen. Dadurch hatten diese mehr Futter für ihre Schweinemast zur Verfügung. Der Wald wurde nicht bewirtschaftet und auch ansonsten wurde am Hof nichts gemacht. Die Beklagte möchte den väterlichen Betrieb weiterführen.

Der Kläger und sein Vater A***** hatten ein Vater-Sohn-Verhältnis in der Art, dass es jährlich hie und da zu Kontakten und Besuchen kam. Der Vater ist auch sporadisch beim Kläger vorbeigekommen, ganz spontan, oder wenn er etwas wegen Auto oder Wertkartenhandy brauchte. Der Vater war über Einladung des Klägers bei seiner Hochzeit im Jahr 2012 dabei.

A***** war Alleineigentümer der Liegenschaft EZ *****, Bezirksgericht Gmunden, und der Liegenschaft EZ *****, Bezirksgericht Gmunden.

Zur Einlagezahl *****:

Grundstücksnummer ***** weist eine Fläche von 43.480 m² auf, davon Baufläche 1.350 m² und Baufläche von 132 m², landwirschaftlich genutzt 41.322 m² und sonstige 676 m². Auf dieser Parzelle befinden sich das Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie westseitig ein Nebengebäude, ostseitig eine Wagenhütte und die neue Maschinenhalle. Die übrige Fläche wird landwirtschaftlich zum Großteil als Acker bewirtschaftet, lediglich eine kleine Fläche im Hofbereich und ein Streifen entlang der westlichen Grundstücksgrenze werden als ein- bzw. mehrmädiges Grünland genutzt.

Grundstücksnummer ***** hat eine Fläche von 110 m². Es handelt sich hier um eine mittelsteile Straßenböschung, die als mehrmädiges Grünland genutzt wird.

Zur Einlagezahl EZ *****:

Diese besteht aus der Grundstücksnummer ***** mit einer Fläche von 7.412 m², wobei hier 6.740 m² forstwirtschaftliche genutzt werden und 672 m² als Straßenverkehrsanlagen und aus der Grundstücksnummer ***** mit einer Fläche von 404 m². Diese beiden Parzellen bilden eine Bewirtschaftungseinheit und werden forstwirtschaftlich genutzt. Diese Fläche befindet sich in 21 km Entfernung von der Landwirtschaft.

Für obige Liegenschaften wurde zum Bewertungsstichtag 19.12.2018 ein Verkehrswert in Höhe von EUR 942.320,-- ermittelt. Dieser Verkehrswert setzt sich wie folgt zusammen:

Grundstücksbewertung EUR 700.302,00

Teilfläche 1 KG ***** 110 m²

Fläche Wert EUR 6,04/m 2 (Restfläche) EUR 664,00

Teilfläche 2 KG ***** Fläche

2.006 m² Wert EUR 6,04/m 2 (Steilfläche) EUR 12.116,00

Teilfläche 3 KG ***** Fläche

24.792 m² Wert EUR 12,07/m 2 (hofnahe Fläche) EUR 299.239,00

Teilfläche 4 KG ***** Fläche

11.768 m² Wert EUR 12,07/m 2 (hofnahe Fläche) EUR 142.040,00

Teilfläche 5 KG ***** Fläche

2.913 m² Wert EUR 78,--/m 2 (Hoffläche) EUR 227.214,00

Teilfläche 6 KG *****,

540/6, Fläche 7.493 m² Wert EUR 2,54/m 2 (Wald) EUR 19.029,00

Die im gewidmeten Grünland liegenden Flächen grenzen zwar an gewidmetes Bauland an, jedoch ergibt sich aufgrund der Steilfläche und der Kante am Westrand der Terrasse eine klare räumliche Abgrenzung zum Bauland. Es bestand am Bewertungsstichtag bzw. auch zum Zeitpunkt der Befundaufnahme durch den Sachverständigen am 22.12.2020 keine Aussicht auf Umwidmung in Bauland. Die Stadtgemeinde L***** hat bei den Erhebungen des Sachverständigen und auf Anfrage des Sachverständigen ausgeführt, dass ein Bauland kein Thema ist. Auch aus fachlichen Sicht ist laut Sachverständigen davon auszugehen, dass Abtrennungen von Teilflächen als erweiterter Hausgarten für die westlichen Häuser östlich der Geländekante grundverkehrsbehördlich keine Erfolgsaussicht haben.

Gebäudebewertung EUR 322.870,00

Wohnhaus EUR 134.481,00

Maschinenhalle EUR 118.159,00

Hofeinfahrt, Lagerräume EUR 23.088,00

Tenne, deckenlastiger Futterbergeraum EUR 11.769,00

Wagenhütte EUR 9.471,00

Rinderstall EG EUR 7.784,00

Nebengebäude EUR 5.984,00

Rinderstall OG EUR 5.625,00

Stallgebäude Schweinestall EUR 4.207,00

Garagenraum Ost EUR 2.302,00

Die Hofstelle ist zum Bewertungsstichtag landwirtschaftlich funktionslos und bedürfte einer hohen Investition zur Wiederaufnahme einer landwirtschaftlichen Produktion. Es besteht kein Anschluss an das öffentliche Kanalnetz.

Außenanlagen EUR 7.159,00

Zubehör (Maschinen, Geräte) EUR 20.000,00

Holzbezugsrecht EUR 2.987,00

Belastungen durch Leitungsrechte - EUR 6.296,00

Sachwert der Liegenschaften EUR 1,047.022,00

Abzug von 10 % Marktanpassung - EUR 104.702,00

Verkehrswert unter Berücksichtigung von

Lasten EUR 942.320,00.

Der Ertragswert wurde von den Liegenschaften mit EUR 156.434,-- bewertet und setzt sich wie folgt zusammen:

- Mietwert der Besitzerwohnung, Wohnfläche gesamt 180 m² im Jahr EUR 7.440,00

- Mietwert der Maschinenhalle im Jahr EUR 1.644,00

- Reinertrag im Jahr Holzbezugsrecht EUR 134,00

- Betriebsprämie EUR 153,00

- Wald erntekostenfrei (0,7816 ha zu je EUR 284,--) EUR 222,00

- jährliche Einnahmen Acker/Grünland (3,90 ha zu je EUR 533,--) EUR 2.079,00

Insgesamt ergibt dies jährlich eine Summe von EUR 11.672,00.

Davon abzuziehen sind die Erhaltungs- und Verwaltungskosten jährlich in Höhe von EUR 1.404,--, die Grundsteuer jährlich in Höhe von EUR 244,-- und die Feuerversicherung jährlich in Höhe von EUR 693,--, weshalb ein jährlicher Reinertrag in Höhe von EUR 9.331,-- verbleibt. Unter Zugrundelegung dieses Reinertrages ergibt sich bei einem Kapitalisierungszeitraum von 22 Jahren und einen Zinssatz von 2,5 % ein Kapitalisierungsfaktor von 16,765 und der oben dargestellte Ertragswert der Liegenschaften (EUR 9.331,-- x 16,765).

Laut Schreiben der Landwirtschaftskammer Oberösterreich vom 19.03.2019 ist der erblasserische Betrieb nach deren Ansicht kein Erbhof im Sinne des Anerbengesetzes, da kein Durchschnittsertrag (Einkommen) erzielt werden kann, der den Kriterien gemäß § 1 Anerbengesetz für einen Erbhof entspricht (vgl. ON 20 in ***** BG Gmunden).

Die Beklagte hat im Verlassenschaftsverfahren des Bezirksgerichtes Gmunden die Gerichtsgebühren gemäß § 24 GGG (Pauschalgebühr nach TP 8) in Höhe von EUR 4.032,-- bezahlt (vgl. Überweisungsbeleg zu ON 66 in 16 A 678/18z BG Gmunden).

Die Feststellungen basieren auf nachstehender Beweiswürdigung:

Zunächst wird auf die eingangs angeführten und sodann in Klammer zitierten Beweismittel verwiesen. Die zugrunde gelegten Urkunden werden als undenklich angesehen.

Die Feststellungen zur Landwirtschaft und Bewirtschaftung der erblasserischen Landwirtschaft während des Pachtvertrages mit der Beklagten und ihrem Ehemann basieren im Wesentlichen auf den Angaben der Beklagten selbst. Im Großen und Ganzen ergeben sich diesbezüglich auch keine Widersprüche durch die Erzählungen des Klägers. Die Beklagte hat ausgeführt, dass sie diesen Betrieb im Sinne des Vaters weiterführen möchte.

Die Beziehung zwischen dem Verstorbenen und seinem Sohn, dem Kläger, wird von den Parteien übereinstimmend so dargelegt, dass es ein Vater-Sohn-Verhältnis gab, etwas eingeschränkt, aber dass es auf alle Fälle zu jährlichen Kontakten gekommen ist.

Die Feststellungen zum Verkehrswert und zu den einzelnen Sachwerten sowie zum Ertragswert ergeben sich aus dem nachvollziehbaren und begründeten Sachverständigengutachten von Dipl. Ing. Dr. Maximilian Schneglberger. Dieser stützte sich unter anderem insbesondere hinsichtlich des Ertragswertes auch auf das Gutachten, erstellt im Verlassenschaftsakt des Bezirksgerichtes Gmunden, vom Sachverständigen Johann Schachl. Eine Erörterung des Gutachtens wurde nicht beantragt.

Rechtliche Beurteilung

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Vorweg ist festzuhalten, dass es sich im konkreten Fall nicht um einen Übergabsvertrag zu Lebzeiten, sondern um eine testamentarische Erbfolge handelt. Die Landwirtschaft des Verstorbenen ist nach Ansicht des Gerichtes unter Zugrundelegung eines jährlichen Reinertrages von ca. EUR 9.000,-- nicht einmal hypothetisch als Erbhof zu qualifizieren. Es ist daher – entgegen der Ansicht der Beklagten – die Bewertung des Hofes nicht so vorzunehmen, dass der Übernehmer am Hof wohl bestehen kann (vgl. dazu unter anderem 6 Ob 232/09z). Im Zusammenhang mit dem Anerbenhof ist noch auszuführen, dass tatsächlich im konkreten Fall § 1 des Anerbengesetzes alte Fassung gilt, wonach Erbhöfe mit einer Hofstelle versehene land- und forstwirschaftliche Betriebe sind, die im Eigentum einer natürlichen Person, von Ehegatten oder eines Elternteils und eines Kindes stehen und mindestens einen zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichenden, jedoch das 20-fache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag haben.

Die Frage, nach welchen Grundsätzen im allgemeinen landwirtschaftliche Güter zur Bemessung des Pflichtteils zu bewerten sind, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Es kommt darauf an, welchen Wert der Gegenstand allgemein für seine Eigentümer hat. Es ist von der Bestimmung des § 306 ABGB über dem gemeinen Wert auszugehen. Liegt nach der Verkehrsauffassung der Wert einer Sache vor allem in ihrem Ertrag oder sonstigen Nutzen, dann wird vom Ertragswert, andernfalls aber vom Verkehrswert auszugehen sein. Der Nutzen, den ein landwirtschaftlicher Betrieb allgemein leistet, besteht in erster Linie aus seinem Ertrag. In Zeiten einer starken Nachfrage nach Grundstücken können der Ertragswert und der Verkehrswert aber erheblich voneinander abweichen. In einem solchen Fall muss der Verkehrswert angemessen berücksichtigt werden, und zwar umso stärker, je größer der Verkehr mit derartigen Liegenschaften im Zeitpunkt des Todes des Erblassers tatsächlich war. Bei auffallendem Missverhältnis zwischen dem Verkehrswert und dem Ertragswert ist die bei der Pflichtteilsberechnung erforderliche Ermittlung des Schätzwertes der Liegenschaft durch Errechnung des arithmetischen Mittels aus Ertrags- und Verkehrswert unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles angemessen. Eine am Ertragswert orientierte Wertbestimmung verbietet sich aber für Grundstücke, von denen fest steht, dass sie entweder bereits Bauland sind oder bei denen aufgrund bestehender, tatsächlicher und rechtlicher Aufschließungsmöglichkeiten eine künftige Verbauung so konkrete Gestalt angenommen hat, dass sie nach der Verkehrsauffassung bereits als zusätzliches werterhöhendes Moment angesehen werden könnte. Waren Grundstücke im Zeitpunkt des Todes des Erblassers zwar landwirtschaftlich genutzt, hatten die aber damals den objektiven Charakter von Bauland oder Bauhoffnungsland, so muss dies bei der Ermittlung des Wertes der Liegenschaft Berücksichtigung finden (vgl dazu 7 Ob 56/10a).

Unter Zugrundelegung der obigen Bewertungsrichtlinien und der getroffenen Feststellungen (Beklagte ist Hälfteeigentümerin einer Vollerwerbslandwirtschaft und bezieht daraus ihr Einkommen; Felder des verstorbenen Vaters werden aber bewirtschaftet und bringen mehr Futter für ihre Schweinemast; Hofstelle ist derzeit landwirtschaftlich funktionslos; Verhältnis Ertragswert zu Verkehrswert 1 : 6) ist im konkreten Fall das arithmetische Mittel zu errechnen. Bei einem Ertragswert von EUR 156.434,-- und einem Verkehrswert von EUR 942.320,-- ergibt sich eine Summe von EUR 1,098.754,--. Die Hälfte davon ergibt EUR 549.377,--. Hinzuzurechnen sind die weiteren der Höhe nach außer Streit gestellten Verlassenschaftsaktiva von EUR 11.538,89. Und abzuziehen sind die der Höhe nach außer Streit gestellten Verlassenschaftspassiva inklusive der Gerichtsgebühren gemäß § 24 GGG in Höhe von EUR 4.032,-- (vgl. Welser, Erbrechts-Kommentar, § 779 ABGB Rz 11), sohin EUR 39.077,05. Rechnerisch ermittelt man den Wert von EUR 521.838,84 . Davon ein Zwölftel, das sind EUR 43.486,57 . Dieser Betrag ergibt den Pflichtteil des Klägers. Ein Betrag von EUR 25.000,-- wurde bereits bezahlt, sodass der Kläger noch einen Betrag in Höhe von EUR 18.486,57 zu erhalten hat und mit einem Betrag in Höhe von EUR 33.081,25 unterliegt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 43 Abs. 1 und 54 Abs.1 a ZPO. Aufgrund der erfolgten Klagseinschränkung kommt es zu keinen große Abweichungen, weshalb von einer durchschnittlichen Obsiegensquote von 34 % und einer durchschnittlichen Unterliegensquote von 66 % auszugehen ist.

Der Kläger erhält daher 34 % der allein getragenen Barauslagen, das betrifft die Pauschalgebühr von EUR 1.459,--, 34 % das sind EUR 496,06. Die begehrten Barauslagen für Ing. Peter Martin konnten vom Gericht nicht nachvollzogen werden. In Entsprechung der Einwendungen waren diese auch nicht zu honorieren, zumal ein derartiges Gutachten nicht vorgelegt wurde, sondern lediglich die Honorarnote. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass im Verlassenschaftsverfahren zur Errichtung des Inventars ein Sachverständigengutachten von Johann Schachl eingeholt wurde.

Bei der Beklagten sind allein getragene Barauslagen nicht aufgelaufen, sie erhält 32 % der Prozesskosten sowie der gemeinsam getragenen Barauslagen. Entgegen der Einwendung des Klagevertreters hat die mündliche Verhandlung vom 20.04.2021 2 Stunden gedauert, auch wenn nur drei Minuten in der zweiten Stunde. Dies wurde am Protokolldeckblatt so festgehalten (siehe ON 25). 32 % der Prozesskosten in Höhe von EUR 8.930,10 sind EUR 2.857,63 zuzüglich USt von EUR 571,51 und zuzüglich 32 % der Barauslagen in Höhe von EUR 4.154,00 = EUR 1.329,25.

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