JudikaturLG Wels

5Cg104/19x – LG Wels Entscheidung

Entscheidung
05. Februar 2020

Kopf

Das Landesgericht Wels hat durch die Richterin Mag. Sylvia Eichinger in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Roland Mühlschuster, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Michael-Paul Parusel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Euro 45.125,94 s.A., den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

1. Die Klage wird zurückgewiesen .

2. Der Kläger ist schuldig, der Beklagten zu Handen des Beklagtenvertreters binnen 14 Tagen die Prozesskosten in Höhe von EUR 4.423,86 (darin enthalten EUR 737,31 an USt) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt mit seiner am 20.09.2019 beim Landesgericht Wels eingelangten Klage die Übertragung von 6.00114227 Bitcoins samt Zinsen auf sein Wallet mit der Walletadresse 1NfqtW3ei1VY81jWTKY8zEZoEDfB28mBkq und in eventu für den Fall, dass die Beklagte faktisch nicht in der Lage sei, Bitcoins zurück zu erstatten, die Zahlung eines Schadenersatzbetrages (gestützt auf das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der Beklagten bei Abschluss des Vertrages) in Höhe des Wertes dieser Bitcoins zum Zeitpunkt der Klagseinbringung von EUR 45.125,94. Zur Begründung wird vorgebracht, dass die Beklagte Investitionen in Bitcoins tätigen wollte, weshalb sie von mehreren Herren in Deutschland aufgesucht worden sei. In der Folge habe der Kläger, der persönlich bei diesem Termin nicht anwesend gewesen sei, der Beklagten am 18., 19. und 20.12. die begehrten Bitcoins leihweise von seiner Wallet übertragen. Die Zurverfügungstellung der Bitcoins sei über das mitgebrachte Handy des Klägers und gleichzeitiger Bekanntgabe eines Codes durch den Kläger auf die bereitgestellte Walletadresse der Beklagten erfolgt und sei nur deshalb vorgenommen worden, da der Bitcoin-Automat nicht funktioniert habe. Hingegen wird im vorbereitenden Schriftsatz des Klägers (ON 11) vorgebracht, dass die Beklagte den Herrn B***** angewiesen habe, die Transaktion der Bitcoins mit der Wallet des Klägers an konkrete Zahlenkonten durchzuführen. Es habe sich dabei bereits um Investitionen der Beklagten in Q*****, O***** und B***** gehandelt. Die Rücküberweisung hätte auf die Wallet des Klägers an seinem Wohnort binnen 4 Wochen vorgenommen werden sollen. Die Transaktion sei nicht im Rahmen eines unternehmerischen Geschäfts durchgeführt worden. Es handle sich um einen klassischen Leihvertrag bzw. Darlehensvertrag. Es würden keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gelten. Die örtliche Zuständigkeit werde auf Art 7 Abs 1 EuGVVO gestützt, da der Erfüllungsort in Österreich gelegen sei. Gemäß § 907a ABGB liege der Erfüllungsort bei Geldschulden und damit verbundenen Überweisungen beim Gläubiger.

Die Beklagte bestreitet, beantragt kostenpflichtige Klagsabweisung und wendet die internationale sowie örtliche Unzuständigkeit des Landesgerichtes Wels ein. Zwischen den Parteien sei kein Darlehensvertrag zustande gekommen, es sei vielmehr – wenn überhaupt – ein Geschenk des Klägers an die Beklagte gewesen. Es habe kein Transfer auf ein Wallet der Beklagten stattgefunden. Im konkreten Fall handle es sich eindeutig um eine Schickschuld. Die behauptete Verpflichtung der Beklagten sei die Absendung von Bitcoins. Es bestehte keinerlei Bezug zu Österreich. Im übrigen würden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gelten, die in ihrem Arbeitszimmer ausgehängt gewesen wären und auf die der Kläger ausdrücklich mündlich hingewiesen worden sei.

Unter Berücksichtigung der vorgelegten Urkunden (Beilagen ./A bis ./C), der Einvernahme des Zeugen F***** sowie des Klägers ergibt sich folgender Sachverhalt :

Die Beklagte hat beruflich Werbemaßnahmen durchgeführt bzw. die Zustimmung zur Kontaktaufnahme von Unternehmen mit Konsumenten eingeholt, unter anderem für Lebensmittel wie B*****, E***** udgl. (PV Kläger)

Daneben interessierte sich die Beklagte privat für gewisse Projekte, mit denen unter anderem der Kläger zu tun hatte, namens O*****, B***** und Q*****. Der Kläger war bzw ist ein Mitglied bei diesen Projekten (PV Kläger). Eine Investition oder Veranlagung in diese Projekte war nur mit Bitcoins möglich. Aus diesem Grund fuhren im Dezember 2016 F***** und zwei weitere Herren nach Deutschland zur Beklagten. Der Kläger hätte auch mitkommen sollen, war aber aufgrund eines Todesfalles in der Familie verhindert. Es wurde ein Bitcoinautomat mitgenommen, um Euros in Bitcoins zu wechseln. Da dieser Automat nicht immer funktionstüchtig ist und bereits mehrmals ausgefallen war, nahm F***** das Handy des Klägers mit. (ZV H*****, PV Kläger).

Ob in der Wohnung der Beklagten Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgehängt waren, kann nicht festgestellt werden.

Tatsächlich funktionierte in der Folge der Bitcoinautomat nicht, weshalb F***** telefonisch mit dem Kläger Kontakt aufnahm und fragte, ob er der Beklagten von seinem Wallet am Handy Bitcoins für die Investitionen zur Verfügung stellt. Der Kläger hatte an diesem Tag keinen direkten Kontakt mit der Beklagten, das lief alles über den Zeugen F*****. Der Kläger meinte dann gegenüber F***** am Telefon, dass die Beklagte aber die Menge von Bitcoins binnen 4 Wochen oder ungefähr einem Monat auf sein Wallet am Handy einzahlen soll. Daraufhin erklärte die Beklagte, die die Investitionen tätigen wollte, das würde funktionieren und der Kläger hat sodann F***** die Zugangsdaten für sein Wallet bekannt gegeben. Die Überweisung der Bitcoins vom Wallet des Klägers erfolgte direkt in die einzelnen Projekte (Vorbringen des Klägers, ZV H*****, Beilage ./B). All dies passierte in der Wohnung der Beklagten in Deutschland (ZV H*****).

Die Feststellungen basieren auf den in Klammer zitierten Beweismittel. Die Beklagte ist zur Verhandlung am 18.12.2019 nicht erschienen. Es wurde eine Krankenbestätigung vom 06.11.2019 vorgelegt, in der vermerkt ist, dass die Beklagte aufgrund ihrer derzeitigen gesundheitlichen Beschwerden langes Fahren vermeiden sollte. Dazwischen liegen einige Wochen, weshalb § 381 ZPO zur Anwendung gelangte. Es wurden von der Beklagten auch keine allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgelegt. Die Bitcoins des Klägers wurden direkt investiert. Dies ergibt sich aus der Beilage ./B (verschiedene Walletadressen), dem Vorbringen des Klägers und den Angaben des Zeugen H*****, der meinte, dass es durchaus möglich ist, dass die Überweisung direkt vom Wallet des Klägers in die Projekte erfolgte. Von einer Anweisung durch die Beklagte hat der Zeuge H***** nicht gesprochen. Aufgrund nachfolgender rechtlicher Überlegungen konnte eine weitere Beweisaufnahme unterbleiben.

Rechtliche Beurteilung

Bitcoins sind technisch gesehen Datensätze und werden in der Literatur zu den unkörperlichen, beweglichen, verbrauchbaren und vertretbaren Sachen gezählt (ÖBA 2017, 385 ff, ÖJZ 2018, 437 ff).

Ein Wallet speichert die privaten Schlüssel eines Nutzers (privater Datensatz). Mit dem privaten Schlüssel können Transaktionen durchgeführt werden. Zusätzlich ermöglicht das Wallet den Zugang zum Kryptowährungssaldo eines Nutzers auf der Blockchain. Der Kontostand der jeweiligen Adresse des Nutzers wird durch das Wallet anhand aller auf der Blockchain stattgefundenen (öffentlichen) Transaktionen ermittelt. Wallets ermöglichen Nutzern die Durchführung von Überweisungen untereinander und den Zugang zu ihrer Transaktionshistorie (taxlex 2017, 388).

Die Besonderheit liegt darin, dass für die technische Übertragung der Einheiten virtueller Währungen von einer Absender-Adresse auf eine Empfänger-Adresse ein Vermerk in der Blockchain erforderlich ist. Durch die Übertragung von einer Adresse auf eine andere Adresse wird technisch sichergestellt, dass nur derjenige in Kenntnis eines privaten Schlüssels zur Weiterübertragung ist, dem die virtuellen Einheiten auch tatsächlich zugeordnet werden sollen (ÖBA 2017, 385 ff).

Im konkreten Fall hat der Kläger die Investitionen in die Projekte mit seinen Bitcoins getätigt. Die Bitcoins gingen nicht auf ein Wallet der Beklagten, sondern sind direkt über das Wallet des Klägers in die Projekte eingeflossen. Die Beklagte hat erklärt, diese Investitionen durch Einzahlung der gleichen Anzahl von Bitcoins binnen 4 Wochen bzw. binnen ca. einem Monat zu übernehmen. Es ist hier von einem Tauschvertrag auszugehen. Sämtliche nicht als gesetzliche Währungseinheit geltende Geldzeichen sind nicht als Geld, sondern als Ware anzusehen und können gegen Waren eingetauscht werden. Auch die Verpflichtung zur Hingabe „virtueller Währungen“ stellt Tausch dar, wenn die Gegenleistung nicht in Geld besteht (vgl. Verschraegen in Kletecka/Schauer, ABGB-ON § 1046 Rz 1).

Gemäß Art 7 Abs. 1 a EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedsstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Wo sich der Erfüllungsort befindet, ist nach dem auf den Vertrag anzuwendenden Recht zu beurteilen, wenn keine Vereinbarung des Erfüllungsortes durch die Parteien erfolgt ist. Bei einem Tauschvertrag liegt keine charakteristische Leistung vor, weshalb mangels Rechtswahl gemäß Art 4 Abs.2 ROM I das Recht des Staats maßgebend ist, zu dem er die engste Verbindung aufweist. Die Einzahlung auf ein Wallet des Klägers stellt keine Vereinbarung eines Erfüllungsortes dar. Aus dieser Zahlenkombination (siehe Klagebegehren) kann keine örtliche Zuordnung vorgenommen werden. Aber egal ob deutsches (§ 269 iVm § 480 BGB) oder österreichisches Recht (§ 905 ABGB) herangezogen wird, der Erfüllungsort ist der Ort des Schuldners; im konkreten Fall jener der Beklagten und somit Deutschland.

Es war daher mangels internationaler Zuständigkeit die Klage zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 54 Abs.1 a ZPO.

Entsprechend der Einwendungen des Klägers ist festzuhalten, dass die Bekanntgabe der Beklagten vom 12.10.2019 (ON 12) gemeinsam mit der Klagebeantwortung (ON 4) verbunden hätte werden können und daher nicht zu honorieren ist. Richtig ist weiters, dass bereits mit Antrag der Beklagten vom 26.11.2019 (ON 9) der Antrag vom 27.11.2019 (ON 10) gestellt hätte werden können, weshalb auch hier kein Entlohnungsanspruch besteht. Der Schriftsatz vom 16.12.2019 war verspätet, somit nicht zulässig - die Verhandlung war für den 18.12.2019 anberaumt – und wurde daher zurückgewiesen. Ebensowenig waren die begehrten Fahrtkosten/Übernachtung/Taxi zuzusprechen, da zum Einen für die mündliche Verhandlung der doppelte Einheitssatz begehrt wurde und somit diese Kosten als mitabgegolten gelten und zum Anderen diese Kosten nicht bescheinigt/belegt wurden. Im Übrigen wurden diese nicht unter dem Gesamtbetrag laut Honorarnote begehrt, sondern extra ohne Hinzuzählung auf dieser ausgewiesen. Aus obigen Gründen war ein Zuschlag von 25 % im Sinne des § 16 RATG ebenfalls nicht berechtigt. (vgl. Obermaier , Kostenhandbuch 3 RZ 1.262 ff).

Rückverweise