JudikaturLG St. Pölten

21R319/08g – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
02. Dezember 2008

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Steger und Mag. Wessely in den verbundenen Rechtssachen der 1.) zu 4 C 137/08d klagenden Partei Florian B*****, *****, 3104 St. P*****, sowie der

2.) zu 14 C 216/08w klagenden Partei Theresia B*****, *****, ebenda, beide vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher, Mag. Volker Leitner, Mag. Christian Schweinzer, Mag. Georg Burger, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die jeweils beklagte Partei C ***** m.b.H. Co KG, 1020 W*****, *****, vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen € 2.070,-- s.A. (4 C 137/08d) bzw. €

9.570,-- s.A. und Feststellung - Streitwert € 1.000,-- - (14 C 216/08w), über die Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 21.8.2008, 4 C 137/08d und 14 C 216/08w-13, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird in der Hauptsache n i c h t

F o l g e gegeben.

Im Kostenpunkt wird der Berufung hingegen

t e i l w e i s e F o l g e gegeben und die angefochtene

Kostenentscheidung dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten hat wie folgt:

„Der Erstkläger Florian B***** ist schuldig, der Beklagten deren mit € 535,32 (darin € 89,22 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Zweitklägerin Theresia B***** ist schuldig, der Beklagten deren mit € 2.183,40 (darin € 363,90 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Erstkläger ist schuldig, der Beklagten deren mit € 204,50 (darin € 34,08 USt), die Zweitklägerin hingegen ist schuldig, der Beklagten deren mit € 1.073,60 (darin € 178,93 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt in Ansehung der Zweitklägerin insgesamt nicht € 20.000,--.

Die ordentliche Revision in Ansehung der Zweitklägerin ist n i c h t

z u l ä s s i g , hinsichtlich des Erstklägers ist die Revision j e d e n f a l l s u n z u l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelaus- führungen in der Hauptsache für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Urteiles für zutreffend. Die Wiedergabe des Parteienvorbringens, der Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist daher nicht erforderlich, es genügt vielmehr eine kurze Begründung (§ 500 a zweiter Satz ZPO).

Die beiden Kläger bekämpfen die erstgerichtlichen Feststellungen zum Hergang ihres Unfalls. Im Detail wenden sie sich dagegen, dass das Erstgericht feststellte, dass der Erstkläger zu Sturz gekommen sei, indem er aus Unachtsamkeit in nicht feststellbarer Weise über den im Stillstand befindlichen abgestellten Rollständer gestolpert sei und nicht, weil ihm eine Mitarbeiterin diesen vor die Füße geschoben habe. Dabei habe er diesem Ständer einen Impuls gegeben, sodass er sich in Bewegung gesetzt habe. Ob der Rollständer oder der Erstkläger selbst gegen die hinter ihm gehende Zweitklägerin gestoßen sei, könne nicht festgestellt werden, jedenfalls sei aber auch die Zweitklägerin bei diesem Unfall zu Sturz gekommen, wobei nicht festgestellt werden könne, wo genau die Kläger zu Sturz gekommen seien, ob rechts oder links des abgestellten Ständers. Aufgrund der Parteienaussage des Erstklägers und der behaupteten Unglaubwürdigkeit der Aussage der Zeugin Wiedermann hätte festgestellt werden müssen, dass der Erstkläger deshalb zu Sturz gekommen sei, weil ihm von einer dritten Person, deren Identität nicht mehr feststellbar sei, als er durch den Gang gegangen sei, der Rollständer unmittelbar vor die Füße geschoben worden sei; er habe mit dem Fuß in den Rollständer eingehakt und diesem einen Impuls gegeben, sodass er in Bewegung geraten sei, dadurch sei der Erstkläger zu Sturz gekommen und durch den Sturz des Erstklägers und den Impuls gegen den Rollständer dann auch in weiterer Folge die Zweitklägerin. Der Rollständer sei dem Erstkläger von links kommend vor die Füße geschoben worden.

Die Argumentation der Kläger ist aber nicht überzeugend. Die Parteienaussage des Erstklägers selbst vermag die von ihm begehrte Feststellung keineswegs zu tragen. Er hat erzählt, dass er gemeinsam mit seiner Frau ganz hinten ins Geschäft habe gehen wollen, auf Höhe der Kasse sei eine ganze Reihe von Kleiderständern gewesen, in einer Lücke sei ein leerer Kleiderständer quergestanden. Dort habe der Erstkläger vorbeigehen wollen nach hinten, seine Frau zwei Schritte hinter ihm und auf einmal sei er gelegen. Anfangs habe er geglaubt, es habe ihm jemand "das Haxl gestellt", dann sei er auf die rechte Seite gefallen. Er habe an dem Ständer auf Rollen vorbeigehen wollen, und zwar parallel. Im Nachhinein habe er sich erinnert, dass der Ständer links einen halben Meter hineingeschoben worden sei, er habe das alles aber nicht gesehen. Er habe auf Kopfhöhe den Ständer gesehen, auf einmal sei er gelegen. Auf die Frage, ob er im Nachhinein rekonstruiert habe, wie das passiert sei, musste er zugeben, ja, er habe nicht gesehen, dass irgendeine Person den Ständer geschoben habe. Nicht einmal die Parteienaussage des Erstklägers vermag daher die begehrte Feststellung zu tragen. Dass er sich sicher war, dass der Ständer verschoben wurde, mag sein, das konnte aber etwa auch durch das festgestellte Einhaken des Erstklägers in diesen Ständer und den Sturz nach rechts passiert sein. Aus dem Umstand alleine, dass der Ständer dann etwa einen halben Meter verschoben worden war, kann keineswegs zwingend der Schluss gezogen werden, dies sei durch eine Mitarbeiterin der Beklagten veranlasst worden. Auch das Unfallaufnahmeprotokoll Beilage ./2 gibt darauf keinerlei Hinweis, dort heißt es wörtlich: "Kunde stolperte über einen kleinen Silberrolli", dies hat der Erstkläger auch unterschrieben. Die Zweitklägerin konnte zum Grund für den Sturz des Erstklägers überhaupt nichts aussagen, sie wusste auch nicht, wie sie selbst zu Sturz gekommen ist, aus ihrer Aussage ist für den Hergang nichts zu gewinnen. Die Aussage der Zeugin Pamela Wiedermann war durchaus glaubwürdig. Wenn sie ca. 15 bis 20 m von der Sturzstelle entfernt gestanden ist und direkte Sicht auf den Rolli hatte, kann es sehr wohl sein, dass sie gerade hingeschaut und bemerkt hat, dass der Erstkläger mit dem Fuß einhakte und stürzte. Sie war sich jedenfalls sicher, dass Claudia Herndl hinter ihr gewesen war und daher den Rolli nicht bewegt hatte. Eine andere Kundschaft oder einen Kollegen hat sie dort nicht gesehen. Sie war sich sicher, dass der Rolli nicht bewegt worden war. Sie meinte zwar, dass der Rolli parallel zu einem fixen Kleiderständer gestanden war, konnte über Nachfrage und Vorhalt der Aussage der Zeugin Herndl allerdings nicht ausschließen, dass der Rolli vielleicht quergestanden war, sie konnte sich aber ganz sicher daran erinnern, dass der Erstkläger einhakte und dadurch stürzte. Dass die Zeugin meinte, sie bilde sich ein, der Rolli sei parallel gestanden, ist ein Hinweis darauf, dass sie sich hinsichtlich der Position dieses Rollis nicht mehr ganz sicher war (was ihrer Glaubwürdigkeit keinen Abbruch tut, die Position, wie genau dieser Rolli damals stand, war für sie ja nicht in irgendeiner Weise auffällig). Über mehrfache Nachfrage war sie sich aber völlig sicher, dass der Rolli nicht bewegt worden war, sondern der Erstkläger dort einhakte und deshalb zu Sturz kam. Wenn in der Beweisrüge behauptet wird, diese Zeugin habe sich eine Vorfallsvariante eingebildet, so widerspricht das ihrer protokollierten Aussage.

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Vorfall der Zeugin ja ganz offensichtlich nur deshalb in Erinnerung blieb, weil dieses Einhaken des Erstklägers zu seinem Sturz, in der Folge zum Sturz der Zweitklägerin, zu einer Verletzung der beiden und zu einer entsprechenden Aufregung in der Filiale der Beklagten geführt hatte; dass sich die Zeugin hingegen die exakte Position dieses Rollis merkte, ist nicht zu erwarten, weil diese allein ja für sich betrachtet keinerlei Auffälligkeitswert für sie haben musste. Die Ausführungen in der Berufung bieten daher keinen Anlass, von der schlüssig begründeten und nachvollziehbaren Beweiswürdigung der Erstrichterin, die sich auch einen unmittelbaren Eindruck sämtlicher vernommener Personen verschaffen konnte, abzugehen. In der Hauptsache war der Berufung daher nicht Folge zu geben, zumal eine Rechtsrüge nicht erhoben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Im Kostenpunkt ist die Berufung allerdings teilweise berechtigt. Dass in der Anfechtungserklärung die Geschäftszahl des führenden Aktes irrtümlich mit 14 C 137/08d angegeben wurde, ist ein berichtigungsfähiger Mangel, zumal völlig klar ist, was die Kläger begehren, dasselbe gilt für die irrtümliche Angabe der Geschäftszahl des verbundenen Akts mit 4 C 216/08w (statt 14 C 216/08w) in den Rechtsmittelausführungen.

Im führenden Akt steht für den vorbereitenden Schriftsatz vom 19.3.2008 tatsächlich nur einfacher Einheitssatz zu, dies ist kein Fall des § 23 Abs. 6 RATG. Ein Delegationsantrag, dem stattgegeben wird, ist grundsätzlich zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Allerdings sind Delegierungsanträge - mangels Erwähnung in TP 1 RAT - nach der Generalklausel der TP 2 RAT zu entlohnen (RIS-Justiz RW0000107). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass in einem Fall, dass ein Delegierungsantrag durch einen gemeinsamen Schriftsatz der Streitteile eingebracht wird, auch eine Leistung beider Vertreter gegeben ist, die siegreiche Partei also nur Anspruch für einen entsprechenden Teil der Kosten des Delegierungsantrags, im konkreten Fall auf 50 % der Kosten nach TP 2 RAT, somit € 71,25 hat. Für den Delegierungsantrag steht darüber hinaus nach zutreffender Meinung des Kostenrekurses auch nur einfacher Einheitssatz, somit 50 % Einheitssatz zu. Der vom Erstkläger zu leistende Kostenersatz ergibt sich damit richtig mit € 535,32 (inklusive 20 % USt), der von der Zweitklägerin zu leistende in der Höhe von € 2.183,40 (inklusive 20 % USt).

In diesem Umfang war dem Kostenrekurs daher - hinsichtlich der Zweitklägerin nur teilweise - Folge zu geben und die Kostenentscheidung abzuändern wie im Spruch.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Im Berufungsverfahren ist die Beklagte vollinhaltlich durchgedrungen, die Kläger haben daher anteilig nach den jeweiligen Streitwerten die Berufungsbeantwortungskosten zu ersetzen, die in einer den Tarif nicht übersteigenden Höhe verzeichnet worden sind.

Was die Kosten eines "hypothetischen Kostenrekurses" bzw. einer "fiktiven Kostenrekursbeantwortung" betrifft, so sieht sich das Berufungsgericht - nach der Novellierung des § 11 RATG durch das BRÄG 2008 - im Hinblick auf die nach Einführung der Zweiseitigkeit des Kostenrekursverfahrens anfangs noch schwankende, nunmehr aber schon überwiegende Rechtsprechung des OGH zur Frage des Kostenersatzes beim hypothetischen Kostenrekurs veranlasst, seine bisherige Rechtsprechung (s. etwa 36 R 120/02v = RIS-Justiz RSP0000014) zu überdenken. Bydlinski (in Fasching/Konecny2 Rz 6 zu § 50) hat aus der mit dem 2. Euro-JuBeG, BGBl I 2001/98, geänderten Rechtslage - Einführung der Zweiseitigkeit des Kostenrekursverfahrens - bereits abgeleitet, dass eine solche mit einer Berufung in der Hauptsache verbundene Berufung im Kostenpunkt keine Auswirkungen auf die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren haben könne, weil der Erfolg im Kostenpunkt dann nach § 4 RATG iVm § 54 JN, § 43 Abs. 2 ZPO die Erfolgsquote im Berufungsverfahren überhaupt nicht berühre. Es liege dann nur ein kostenrechtlich nicht relevanter Erfolg mit Nebengebühren vor, sodass ein "angenommener Kostenrekurs" dann, wenn auch die Entscheidung in der Hauptsache von einer Partei bekämpft wurde, nicht zu honorieren sei. Obermaier (Kostenhandbuch, Rz 278) bezeichnet diese Auffassung als verfehlt. Das Berufungsgericht hat bislang noch hypothetische Kostenrekurse und auch Kostenrekursbeantwortungen unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung und den Umstand, dass es sich um unterschiedliche Rechtsmittel handelte, honoriert. Der OGH vertritt nunmehr überwiegend (RIS-Justiz RS0119892) die Auffassung, dass für eine erfolgreiche Berufung im Kostenpunkt keine Kosten gebühren, weil die Kostenfrage gemäß § 54 Abs. 2 JN iVm § 4 RATG auf die Bemessungsgrundlage für die Berufung und die Berufungsbeantwortung keinen Einfluss habe. Die Kostenrüge bzw. die Beantwortung der Berufung im Kostenpunkt sei Bestandteil der Berufung bzw. der Berufungsbeantwortung und werde mit den Kosten für diese Schriftsätze abgegolten (so ausdrücklich 9 ObA 14/08m). Die noch in der früheren Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0087844) vom OGH getroffene Differenzierung, wonach ein Berufungswerber, der auch im Kostenpunkt berufen hatte, in der Hauptsache in zweiter Instanz obsiegte, dann aber in der Hauptsache als Revisionsgegner in dritter Instanz verlor, wobei der OGH bei seiner Entscheidung auch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz jenen Argumenten folgte, die er in der Berufung im Kostenpunkt ins Treffen geführt hatte, somit Anspruch auf Ersatz jener Kosten habe, die in zweiter Instanz ihm zuzusprechen gewesen wären, wenn sich der Berufungswerber auf den Kostenpunkt beschränkt hätte, wurde nunmehr ausdrücklich aufgegeben. Das Berufungsgericht schließt sich dieser jetzt überwiegend in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung an. Fragen der Honorierung eines fiktiven Kostenrekurses (den die Kläger im Übrigen nicht einmal verzeichnet haben) stellen sich daher ebensowenig wie einer Honorierung des auch als "Kostenrekursbeantwortung" bezeichneten Schriftsatzes der Beklagten, weil es sich dabei in Wahrheit nur um einen Teil der Berufungsbeantwortung handelt, der nach der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht gesondert zu entlohnen ist. Die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes hinsichtlich der Zweitklägerin orientiert sich an der unbedenklichen Streitwertangabe der Zweitklägerin zum Feststellungsbegehren.

Die ordentliche Revision war insoweit nicht zuzulassen, weil Gegenstand des Berufungsverfahrens ausschließlich Tatsachenfragen bzw. die Kostenentscheidung war und all dies nicht an den OGH herangetragen werden kann (§ 502 Abs. 1 ZPO).

Hinsichtlich des Erstklägers ist die Revision gemäß § 502 Abs. 2 ZPO

jedenfalls unzulässig.

Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6

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