JudikaturLG St. Pölten

21R56/07d – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 2007

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des

Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Steger und Mag.

Nigl in der Rechtssache der klagenden Partei Josef E *****,

vertreten durch Dr. Kurt Lechner, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wider

die beklagte Partei O ***** B.V., *****, ***** EK N*****, vertreten

durch Dr. Oswin Lukesch, Dr. Anton Hintermeier, Mag. Michael Pfleger,

Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen € 4.085,-- s.A., über den Rekurs

des Klägers gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom

16.1.2007, 14 C 290/06z-24, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Soweit der Rekurs gegen den Entscheidungsvorbehalt (Punkt 3. des Spruchs) gerichtet ist, wird er als unzulässig z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Im Übrigen wird dem Rekurs F o l g e gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird in seinen Punkten 1. und 2. dahingehend abgeändert, dass er insoweit zu lauten hat wie folgt:

"Die Einrede der internationalen Unzuständigkeit wird verworfen."

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen dessen mit €

333,12 (darin € 55,52 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist z u -

l ä s s i g .

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte in seiner ursprünglich als Mahnklage eingebrachten, dann verbesserten Klage, die Beklagte zur Zahlung von € 4.085,-- s.A. zu verpflichten. Er habe mit Kaufvertrag vom 3.5.2006 von der Beklagten das Pferd Sebastian Joly um € 4.000,-- gekauft, bei einer unmittelbar nach Übergabe erfolgten Untersuchung sei festgestellt worden, dass es aufgrund einer chronischen Sehnenveränderung, die nicht heilbar sei, für den vereinbarten Gebrauch zu Zwecken des Turniersports nicht verwendbar sei. Der Kläger sei daher vom Vertrag zurückgetreten und fordere die Rückzahlung des Kaufpreises sowie den Ersatz der Tierarztkosten in Höhe von € 85,--. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes gründete der Kläger auf Art. 15 und 16 EuGVVO, er sei Verbraucher, die Beklagte Unternehmerin. Das Erstgericht beraumte die vorbereitende Tagsatzung für den 7.12.2006 an.

Am 6.12.2006 langte beim Erstgericht die Bekanntgabe der Vollmachtserteilung an die Beklagtenvertreter ein, die um Herstellung einer Aktenabschrift ersuchten. Anlässlich der vorbereitenden Verhandlung vom 7.12.2006 bestritt die Beklagte das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete die mangelnde Passivlegitimation der beklagten Partei ein, weil zwischen den Streitteilen kein Vertrag zustandegekommen sei; vielmehr habe Edwin T***** am 16.3.2006 das streitgegenständliche Pferd mit dem Hinweis, es sei nicht gesund, um € 530,-- von der Beklagten gekauft und habe am 3.5.2006 das Pferd auf eigene Rechnung an den Kläger weiterverkauft. Herr T***** sei weder bei der Beklagten beschäftigt noch zum Verkauf bevollmächtigt. Die Beklagte habe auch keine Handlungen gesetzt, aus denen auf eine Bevollmächtigung ihrerseits geschlossen werden könne. Vorsichtshalber wurde auch das Vorliegen der in der Klage genannten Mängel bei Übergabe des Pferdes bestritten. Die Beklagte beantragte diverse Beweismittel zum Beweis ihres Vorbringens, der Klagevertreter erwiderte auf dieses Vorbringen ausführlich und brachte seinerseits ergänzend vor, dass die Übergabe des Pferdes von den Eltern des Edwin T***** an den Sohn des Klägers in München organisiert worden sei. Von der Mutter des Edwin T***** sei ein zweites Pferd gekauft worden. Daraufhin erst wendete die Beklagte die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein, weil Erfüllungsort offensichtlich M***** gewesen sei. Der Kläger erwiderte, es sei lediglich die Übergabe in M***** erfolgt.

Weitere Stellungnahmen der Beklagten zur allfälligen internationalen Unzuständigkeit des Erstgerichts finden sich in diesem Verhandlungsprotokoll nur mehr dahin, dass die Beklagte für den Verkauf von Pferden in Österreich keine Werbung betreibe und der Kläger das Rechtsgeschäft selbst angebahnt habe. Die Erstrichterin beschloss ein Prozessprogramm, befragte den Kläger informativ zu Zuständigkeitsfragen und erstreckte die Tagsatzung sodann zur Abklärung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, bejahendenfalls zur Klärung der Frage der Passivlegitimation auf unbestimmte Zeit. Der Kläger legte im weiteren Urkunden vor und verkündete Edwin T***** den Streit.

Mit dem angefochtenen Beschluss erklärte sich das Bezirksgericht St. Pölten für unzuständig (Punkt 1.), wies die Klage zurück (Punkt 2.), behielt die Zustellung der Streitverkündung des Klägers an Edwin T***** vor (Punkt 3.) und erklärte für den Fall der Rechtskraft des Beschlusses den Schluss der Verhandlung (Punkt 4.). Zur Frage der internationalen Zuständigkeit stellte die Erstrichterin im Wesentlichen fest, dass die beklagte Partei mit Sitz in den Niederlanden kein Angebot in Österreich gestellt und hier auch keine Werbetätigkeit entfaltet habe. Rechtlich schloss die Erstrichterin, dass es sich nicht um einen Verbrauchervertrag gemäß Art. 15 EuGVVO handle, dies ungeachtet der Konsumenteneigenschaft des Klägers, weil die beklagte Partei keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit im Sinn der lit c des Abs. 1 des Art. 15 EuGVVO in Österreich entfaltet habe; die Zuständigkeitsregel des Art. 16 EuGVVO komme daher nicht zur Anwendung.

Diesen Beschluss bekämpft der Kläger - der Anfechtungserklärung nach seinen gesamten Inhalt, der Sache nach nur Punkte 1.-3., - mit seinem Rekurs und dem Antrag, die Entscheidung ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund, weiters dem Gericht die Zustellung der Streitverkündung des Klägers an Edwin T***** aufzutragen.

In der Rekursbeantwortung hat die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig, was den Vorbehalt der Zustellung der Streitverkündung betrifft, im Übrigen ist er im Sinn einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung berechtigt.

Der Punkt 3. des angefochtenen Beschlusses, den der Kläger ausdrücklich anficht, enthält einen Entscheidungsvorbehalt. Die Erstrichterin hat damit nur zum Ausdruck gebracht, dass sie derzeit eine Zustellung der Streitverkündung nicht vornimmt. Durch diesen Entscheidungsvorbehalt ist der Kläger in keiner Weise beschwert, im Rechtsmittelweg kann er von ihm nicht angefochten werden (RIS-Justiz RS0006111).

Insoweit war der Rekurs daher zurückzuweisen.

Im Übrigen ist der Rekurs berechtigt, allerdings nicht aus den im Rekurs genannten Argumenten.

Eine nähere Auseinandersetzung mit Art. 15 Abs. 1 lit c EuGVVO ist hier entbehrlich, weil die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts bereits aufgrund rügeloser Einlassung seitens der Beklagten nach Art. 24 EuGVVO anzunehmen ist. Sofern das Gericht eines Mitgliedsstaats nämlich nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn er sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen oder wenn ein anderes Gericht aufgrund des Art. 22 EuGVVO ausschließlich zuständig ist. Ein Fall einer ausschließlichen Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO liegt hier nicht vor. Betroffen sind dabei Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie Miete und Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben (Z 1), Klagen, die die Gültigkeit, Nichtigkeit oder Auflösung einer Gesellschaft oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben (Z 2), Klagen, die die Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register zum Gegenstand haben (Z 3), Klagen, die die Eintragung oder Gültigkeit von Patenten, Marken, Mustern und Modellen etc. zum Gegenstand haben (Z 4), und letztlich Verfahren, die die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen eines Mitgliedsstaats zum Gegenstand haben (Z 5). Es kann auch nicht davon die Rede sein, dass die Beklagte sich nur eingelassen hat, um die internationale Unzuständigkeit geltend zu machen. Sie hat sich zunächst ausführlich mit einem Sachvorbringen in die vorbereitende Tagsatzung eingelassen, zur mangelnden Passivlegitimation vorgebracht, zur mangelnden Vertretungseigenschaft des Zeugen T***** und auch zu einer allfälligen Anscheinsvollmacht. Erst nach ergänzendem Sachvorbringen des Klägers gab es eine Unzuständigkeitseinrede der Beklagten, wo es heißt, dass das Erstgericht unzuständig sei, weil Erfüllungsort offensichtlich M***** gewesen sei. Das Nichtvorliegen eines Verbrauchervertrags im Sinn des Art. 15 EuGVVO wurde auch dort nicht eingewendet. Selbst wenn man diese Unzuständigkeitseinrede der Beklagten als grundsätzlich allumfassend ansehen wollte, wäre für die Beklagte nichts zu gewinnen. Der Begriff der Einlassung auf das Verfahren ist zwar vertragsautonom zu bestimmen, es kommt also nicht darauf an, welche Einlassungshandlung der Beklagte nach innerstaatlichem Verfahrensrecht hätte setzen können oder sollen, sondern ausschließlich darauf, wie er sich tatsächlich auf das Verfahren eingelassen hat (1 Ob 73/06a; MGA JN/ZPO16, E. 5 zu Art. 24 EuGVVO).

Die Beantwortung der Frage allerdings, bis zu welchem Zeitpunkt der Beklagte die Einrede der Unzuständigkeit erheben kann, richtet sich nach einheitlicher Auffassung nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht (RIS-Justiz RS0109437; MGA JN/ZPO16, a.a.O., E. 8). Die bloße Bekanntgabe, für das Verfahren bevollmächtigt zu sein, kann die Zuständigkeit nicht begründen, darin ist eine rügelose Einlassung noch nicht zu sehen (MGA JN/ZPO16, a.a.O., E. 16). Ob ein schriftlicher Einspruch gegen den bedingten Zahlungsbefehl im bezirksgerichtlichen Mahnverfahren eine zuständigkeitsbegründende Einlassung darstellt, wenn er ein Sachgegenvorbringen mit Beweisanboten enthält, ist strittig (siehe hiezu MGA JN/ZPO16, a. a.O., E. 14, gegenteilig E. 14 a). Jedenfalls tritt die Sacheinlassung in einem solchen Mahnverfahren mit einem vor der mündlichen Streitverhandlung aufgetragenen vorbereitenden Schriftsatz ein (3 Ob 117/99y). Im bezirksgerichtlichen Verfahren heilt die Unzuständigkeit auch jedenfalls durch qualifizierte Sacheinlassung der beklagten Partei bei der ersten mündlichen Streitverhandlung (AnwBl 1997/7390). Art. 24 EuGVVO ist zwar ungeachtet seines Wortlauts dahin auszulegen, dass der Beklagte nicht nur den Mangel der Zuständigkeit geltend machen, sondern sich gleichzeitig hilfsweise zur Sache einlassen kann, ohne deshalb die Einrede der Unzuständigkeit zu verlieren. Es ist daher auch möglich im selben Schriftsatz unabhängig von der Reihenfolge neben dem Vorbringen zur Sache auch die rechtzeitige Einrede der internationalen Unzuständigkeit zu erheben (RIS-Justiz RS0111191). Davon kann hier nach Auffassung des Rekursgerichts aber keine Rede sein. Die Beklagte hat nicht die internationale Zuständigkeit bestritten und hilfsweise zur Sache vorgebracht, sondern ausführlich zur Sache vorgebracht und erst aufgrund eines Gegenvorbringens in einem ganz anderen Zusammenhang die mangelnde Zuständigkeit des Erstgerichts unter Hinweis auf einen ihrer Meinung nach abweichenden Erfüllungsort - der hier ja gar nicht als zuständigkeitsbegründend behauptet war - eingewendet. Es ist also nach Auffassung des Rekursgerichts in diesem Fall von einer rügelosen Einlassung der Beklagten auszugehen, ihre Unzuständigkeitseinrede war daher verspätet und somit zu verwerfen. Im Zuständigkeitsstreit erster Instanz wurden Kosten bis zur Fassung des erstgerichtlichen Beschlusses nicht verzeichnet, eine Kostenentscheidung seitens des Rekursgerichts entfiel daher insoweit. Im Rekursverfahren ist der Kläger mit seinem Rekurs durchgedrungen, er hat daher Anspruch auf Kostenersatz, den er tarifgemäß verzeichnet hat (Zwischenstreit).

Der ordentliche Revisionsrekurs war zuzulassen, weil unter Hinweis auf die bereits zitierte, von der Rechtsprechung nunmehr eingeräumte Möglichkeit, im selben Schriftsatz unabhängig von der Reihenfolge neben dem Vorbringen zur Sache auch die rechtzeitige Einrede der internationalen Unzuständigkeit zu erheben, der Schluss gezogen werden könnte, ähnliches müsse auch dann gelten, wenn in der vorbereitenden Verhandlung zunächst zur Sache vorgebracht und dann die internationale Unzuständigkeit eingewendet wird. Eine höchstgerichtliche Stellungnahme hiezu steht aber - soweit für das Rekursgericht überblickbar - noch aus (§ 528 Abs. 1 ZPO). Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6

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