21R322/04t – LG St. Pölten Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender), Dr. Hintermeier und Dr. Steger (Mitglieder) in der Rechtssache der klagenden Partei Johann S*****, Techniker, ***** Mank, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler, Mag. Harald Mühlleitner, Rechtsanwälte in St. Florian, wider die beklagte Partei Christian B*****, Selbständiger, 3040 Neulengbach, *****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher, Mag. Volker Leitner, Mag. Christian Schweinzer, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Übergabe (Streitwert € 31.340,--), in eventu €
29.101,-- s.A. und Feststellung (Streitwert € 5.000,--), über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse € 1.171,08) gegen das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 13.9.2004, 6 C 2479/03y-8, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird F o l g e gegeben und die Kostenentscheidung des erstgerichtlichen Urteiles (Punkt 3.), die im Umfang eines Zuspruchs von € 6.000,58 mangels Anfechtung unberührt bleibt, im Übrigen dahin abgeändert, dass sie nunmehr wie folgt zu lauten hat:
„3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit € 6.000,58 (darin € 1.000,10 USt) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit € 199,87 (darin € 33,31 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist j e d e n f a l l s
u n z u l ä s s i g .
Text
Begründung:
Mit der am 5.12.2003 beim Bezirksgericht St. Pölten eingebrachten Klage begehrte Johann S***** die Übergabe eines bestimmt bezeichneten Bestandobjektes sowie die Feststellung des aufrechten Bestehens eines Bestandverhältnisses zwischen den Streitparteien. Das Erstgericht schrieb am 11.12.2003 die vorbereitende Tagsatzung für den 10.2.2004 aus. Nach Erstattung eines vorbereitenden Schriftsatzes von Beklagtenseite am 16.1.2004 übermittelte der Kläger am 23.1.2004 einen vorbereitenden Schriftsatz (samt Urkundenvorlage), in dem u.a. ein Eventualbegehren (Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche aus einem angeblich zusagewidrigen Verhalten resultierende Schäden) enthalten war. Darauf replizierte wieder der Beklagte mit einem am 4.2.2004 beim Erstgericht überreichten Schriftsatz (ON 5). In der - ausschreibungsgemäß durchgeführten - vorbereitenden Tagsatzung vom 10.2.2004 beantragte der Kläger die Zurückweisung des Schriftsatzes ON 5 unter Hinweis darauf, dass dieser erst am 5.2.2004 in der Kanzlei der Klagevertreter eingelangt sei; der Beklagte verwies darauf, dass der vorangegangene Schriftsatz des Klägers erst am 23.1.2004 in der Kanzlei der Beklagtenvertreter eingelangt sei und eine gewisse Frist zur Beantwortung dieses Schriftsatzes angemessen erscheine. In weiterer Folge kam auch der Schriftsatz ON 5 zum Vortrag bzw. zur Verlesung.
Mit Urteil vom 13.9.2004 hat das Bezirksgericht St. Pölten das Klagebegehren und das zuletzt formulierte Eventualbegehren vollinhaltlich abgewiesen (Punkte 1. und 2.) und den Kläger zum Ersatz der gesamten Verfahrenskosten im verzeichneten Ausmaß von €
7.171,66 verpflichtet (Punkt 3.).
Die Kostenentscheidung hat das Erstgericht auf § 41 ZPO gegründet. Ergänzend hat es noch ausgeführt, ein 5 Tage vor der Streitverhandlung bei Gericht eingelangter Schriftsatz, dessen Gleichschrift dem Gegenvertreter zugleich direkt zugestellt worden sei, sei noch zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geeignet, weshalb der Schriftsatz des Beklagtenvertreters ON 5, bei Gericht am 4.2.2004 und bei den Klagevertretern am 5.2.2004 eingelangt, zu honorieren sei (= mit € 1.171,08).
Gegen diese Kostenentscheidung, und zwar in Ansehung des Honorars für den Schriftsatz ON 5, richtet sich der Kostenrekurs des Klägers, der unter Geltendmachung des Rekursgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beantragt, die erstgerichtliche Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Beklagten lediglich ein Kostenbetrag von €
6.000,58 zugesprochen werde.
Der Beklagte hat in seiner Rekursbeantwortung den Antrag gestellt, dem Kostenrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rekurs kommt Berechtigung zu.
Gemäß § 257 Abs. 3 ZPO (in der hier anzuwendenden Fassung der ZVN 2002) können einander die Parteien in der Klage oder Klagebeantwortung noch nicht enthaltene Anträge, Angriffs- und Verteidigungsmittel, Behauptungen und Beweise, welche sie geltend machen wollen, durch besonderen, spätestens eine Woche vor der vorbereitenden Tagsatzung bei Gericht und beim Gegner einlangenden, vorbereitenden Schriftsatz mitteilen. Bis zu diesem Zeitpunkt können die Parteien auch Anträge im Sinn des § 229 ZPO mittels Schriftsatzes stellen. Das neue Modell für die mündliche Streitverhandlung im Gerichtshofverfahren einschließlich der Einleitung der Streitverhandlung nach § 257 ZPO soll nach dem deklarierten Willen des Gesetzgebers auch auf das bezirksgerichtliche Verfahren Anwendung finden (MTK ZPO9, Anm. zu § 440); die Übernahme der Regelungen betreffend vorbereitende Schriftsätze im Gerichtshofverfahren (§ 258 ZPO aF) in das bezirksgerichtliche Verfahren wurde schon vor der ZVN 2002 aus § 431 Abs. 1 ZPO abgeleitet (MGA JN/ZPO15, E. 1, 2 zu § 431 ZPO).
Zur Bestimmung des § 257 Abs. 3 ZPO besagen die Gesetzesmaterialien insbesondere folgendes:
„Dazu gehört aber auch die korrespondierende Pflicht der Parteien, ihre vorbereitenden Schriftsätze bis spätestens eine Woche vor Verhandlungsbeginn dem Gericht und einander mitzuteilen ... Unzulässige - weil erst innerhalb der einwöchigen Vorbereitungsfrist bei Gericht oder beim Gegner eingelangte - Schriftsätze sind auch weiterhin entsprechend der ständigen Rechtsprechung durch das Gericht zurückzuweisen. Sie mögen zwar dennoch zur Information des Gerichts und allenfalls auch des Gegners beitragen können, sind aber nicht mehr so zeitgerecht, um dem Gegner eine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne der §§ 40 ff ZPO hinreichende Vorbereitung zu ermöglichen, und daher selbst dann, wenn sie aus verfahrensökonomischen Gründen vom Gericht zugelassen werden sollten, jedenfalls nicht von der Kostenersatzpflicht nach §§ 41 ff ZPO erfasst. Durch die neue (starre) Befristung vorbereitender Schriftsätze soll der schon mit der Prozessförderungspflicht in § 178 Abs. 2 ZPO und der verschärften Zurückweisungsmöglichkeit von Vorbringen in § 179 ZPO zum Ausdruck gebrachte allgemeine Verfahrensgrundsatz verstärkt werden, dass eine wirksame - weil tunlichst schnell erfolgende - Rechtsdurchsetzung bzw. Rechtsverteidigung einer möglichst frühzeitigen Entscheidung der Parteien über den Verfahrensgegenstand und die zur Klärung angebotenen Beweismittel bedarf, um die Verwirklichung der Ziele der vorbereitenden Tagsatzung nicht zu gefährden" (962 Blg NR XXI. GP 33; vgl. MTK a.a.O. Anm. zu § 257). Zu dieser neuen Rechtslage hat das Rekursgericht bereits ausgesprochen, dass ein vorbereitender Schriftsatz, der erst 6 Tage vor der anberaumten und stattgefundenen vorbereitenden Tagsatzung beim Erstgericht einlangte, im Sinne des § 257 Abs. 3 ZPO unzulässig und somit ungeachtet des Umstandes, dass der Erstrichter ihn offenbar aus prozessökonomischen Gründen angenommen hat, nicht zu honorieren war (hg. 21 R 136/04i). An dieser Auffassung hält das Rekursgericht fest; die vom Erstgericht zitierte, zur alten Rechtslage ergangene Judikaturlinie (MGA a.a.O. E. 197 zu § 41 ZPO u.a.) ist überholt und nicht mehr anwendbar. Sämtliche in der Rekursbeantwortung vorgetragenen Argumente sind nicht stichhältig:
Entgegen der Meinung des Beklagten wollte der Gesetzgeber eindeutig eine starre Grenze ziehen. Der Gesetzgeber hat auch klar zum Ausdruck gebracht, dass eine im Einzelfall erfolgte Verwertung (Verlesung, Annahme, etc.) eines verspäteten vorbereitenden Schriftsatzes jedenfalls keinen diesbezüglichen Kostenersatzanspruch begründet. Letztlich gehen auch die Überlegungen des Beklagten zur Notwendigkeit einer Replik (insbesondere auf das Eventualklagebegehren) ins Leere. Wenn nämlich der Gesetzgeber - wie aufgezeigt wurde - bewusst eine starre Befristung einführen wollte, so ist es unabdingbar, dass eben der Schriftsatzwechsel zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschnitten wird und es demzufolge einen „letzten" zulässigen Schriftsatz geben muss, auf den nicht mehr mittels eines weiteren Schriftsatzes, sondern nur mehr in der vorbereitenden Tagsatzung selbst zu replizieren ist. Wollte man dem Replik-Argument des Beklagten beitreten, so würde man damit die Befristungsregelung des § 257 Abs. 3 ZPO völlig unterlaufen. Das in diesem Zusammenhang eingeforderte rechtliche Gehör ist durch die Möglichkeit des Gegenvortrags in der vorbereitenden Tagsatzung ausreichend gewahrt.
Aus allen diesen Erwägungen war daher in Stattgebung des Kostenrekurses des Klägers die erstgerichtliche Kostenentscheidung wie im Spruch ersichtlich abzuändern.
Gemäß den §§ 41 und 50 ZPO iVm § 11 RATG hat der Beklagte dem Kläger die Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs. 2 Z 3 ZPO jedenfalls
unzulässig.
Landesgericht St. Pölten
3100 St. Pölten, Schießstattring 6