JudikaturLG St. Pölten

10R36/04b – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
29. April 2004

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten als Rekursgericht hat durch den Präsidenten HR Dr. Leitzenberger (Vorsitzender) sowie die Richter Dr. Brenner und Dr. Jungblut in der Sachwalterschaftssache Maria B*****, geb. *****, *****, 2540 Bad Vöslau, *****, über den Rekurs des Sachwalters gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 9.3.2004, 1 P 92/03v-34, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird F o l g e gegeben, der angefochtene Beschluss, der in seinen Punkten 1., 2., 4. und 5., hinsichtlich des Zuspruches eines Teilbetrages von € 2.327,96 sowie hinsichtlich der Abweisung eines Mehrbegehrens von € 2.853,24 mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist, im Übrigen, somit hinsichtlich der Abweisung eines Mehrbegehrens von € 689,88, a u f g e h o b e n und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Maria B***** leidet nach zwei sogenannten Gehirnschlägen an einer halbseitigen Lähmung sowie einer Störung des Sprachzentrums und ist dadurch nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 12.9.2002, 1 P 249/02t-4, wurde zunächst ihr Lebensgefährte Hermann D***** zum einstweiligen Sachwalter für das Verfahren sowie für dringende Angelegenheiten, darunter auch die Einkommens- und Vermögensverwaltung, bestellt. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 28.11.2002, 1 P 249/02t-16, wurde schließlich Rechtsanwalt Dr. Herbert E***** zum Sachwalter für die Einkommens- und Vermögensverwaltung sowie Vertretung der Betroffenen gegenüber Behörden, Sozialversicherungsträgern und privaten Vertragspartnern betraut.

Der Sachwalter hatte sich zunächst mit dem Sozialhilfeträger wegen der Kosten der Tragung eines Pflegeheims auseinanderzusetzen. Dabei wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass die Betroffene über beträchtliches Sparvermögen verfügte, welches ihm vom Vorsachwalter nicht bekanntgegeben worden war. Erst aufgrund eigener Nachforschungen bei den Kreditinstituten konnten diverse Sparbücher ausfindig gemacht werden, die schließlich teilweise vom Vorsachwalter auch übergeben wurden. Dabei musste aber festgestellt werden, dass bei einem Sparbuch ein Betrag von € 6.600,-- behoben wurde, welcher vom Vorsachwalter mittlerweile an den nunmehrigen Sachwalter ausgefolgt wurde, sowie dass ein weiteres Sparbuch aufgelöst worden war. Hinsichtlich dieses Sparbuches wurde der Vorsachwalter aufgefordert, Rechnung zu legen bzw. den Geldbetrag auszufolgen, eine endgültige Erledigung steht noch aus.

Darüber hinaus war es zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Betroffenen gekommen, es kam zu einem Dekubitus, der eine Amputation des linken Unterschenkels notwendig machte. Schließlich erfolgte noch eine Verlegung der Betroffenen in ein anderes Pflegeheim. Weiters hatte der Sachwalter diverse Umschichtungen der Sparbücher vorzunehmen und diese teilweise zur Abdeckung von Pflegekosten heranzuziehen.

Mit Schriftsatz vom 17.2.2004 (ON 33) legte der Sachwalter Rechnung über seine Tätigkeit ab Übernahme der Sachwalterschaft im November 2002 bis 31.12.2003. Die Einnahmen-Ausgabenrechnung weist für 2002 einen Überhang der Einnahmen von € 3.048,33, für 2003 jedoch einen Überhang der Ausgaben von € 4.761,17 aus. In den angeschlossenen Kontoblättern sind Pensionseingänge der PVA ersichtlich, wobei allerdings aus den Kontoblättern nicht festgestellt werden kann, ob die dort ausgewiesenen Beträge die gesamte Pension der Betroffenen darstellen, oder ein Teil unmittelbar an den Sozialhilfeträger fließt, sowie ob in den ausgewiesenen Pensionseinkünften das Pflegegeld enthalten ist oder nicht.

Gleichzeitig mit seiner Rechnungslegung beantragte der Sachwalter die Zuerkennung einer Entlohnung in Höhe von € 5.871,08 inkl. € 968,-- USt und € 63,08 an Barauslagen. Er beantragte konkret einen Betrag von € 3.870,-- an 8 % der Einnahmen sowie € 970,-- aufgrund des verwalteten Vermögens, jeweils zuzüglich USt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss nahm das Erstgericht die Pflegschaftsrechnung zur Kenntnis (Punkt 1.), stellte die Zusammensetzung des Vermögens der Betroffenen fest (Punkt 2.), bestimmte die Entschädigung des Sachwalters mit € 2.327,96 inkl. €

377,48 USt sowie € 83,08 Barauslagen, wobei es das Mehrbegehren von €

3.543,12 abwies (Punkt 3.), übertrug gleichzeitig die Zuständigkeit an das Bezirksgericht Baden (Punkt 4.) und trug dem Sachwalter auf, die Jahresabrechnung für das Jahr 2004 bis 30.4.2005 vorzulegen (Punkt 5.). Den Punkt 3. des Spruches begründete das Erstgericht damit, dass gemäß § 266 Abs. 2 ABGB dem Sachwalter 5 % der Einkünfte zustünden, wobei es allerdings nur 5 % "der um € 10.000,-- gekürzten Einnahmen", und damit einen Betrag von € 961,10 zuerkannte; weiters erkannte das Erstgericht 2 % der um € 10.000,-- gekürzten Vermögenswerte, das sind € 926,30 zu, sowie zu diesen Beträgen 20 % USt, und die Barauslagen des Sachwalters, die in der Begründung mit €

63,08 angeführt wurden (im Spruch scheint offenbar irrtümlich ein Betrag von € 83,08 auf). In seiner Begründung führt das Erstgericht weiters aus, trotz der umfangreichen Tätigkeiten des Sachwalters habe im Hinblick auf § 266 Abs. 2 ABGB dem Anspruch nicht zur Gänze Folge gegeben werden können.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Punkt 3. des Beschlusses richtet sich der rechtzeitig erhobene Rekurs des Sachwalters mit dem Antrag, den Punkt 3. dahingehend abzuändern, dass ihm eine weitere Entschädigung von €

689,88 zuerkannt werden möge.

Der Rekurs ist im Sinne einer Aufhebung der Abweisung des Mehrbegehrens im Umfang des in Anfechtung gezogenen Mehrbetrages berechtigt. Ein endgültiger Abspruch über das Begehren ist aber aus mehreren Gründen noch nicht möglich.

Zunächst ist zu beachten, dass der Sachwalter eine Entschädigung von 8 % der Einkünfte begehrt hat. Ein derartiger Anspruch kann sich nicht auf § 266 Abs. 2 ABGB stützen, da, wie das Erstgericht zutreffend ausführt, diese Bestimmung nur einen Zuspruch von 5 % vorsieht. Gemäß § 266 Abs. 3 ABGB kann aber bei besonders umfangreichen und erfolgreichen Bemühungen das Gericht die Entschädigung auch höher als nach Abs. 2 1. Satz bemessen, jedoch nicht höher als 10 von 100 der Einkünfte. Der vom Sachwalter gestellte Antrag, ihm 8 % der Einkünfte zuzuerkennen, gründet sich also offensichtlich auf § 266 Abs. 3 ABGB. Mit dieser Bestimmung hat sich das Erstgericht in seinem Beschluss überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Es trifft zwar zu, dass der Sachwalter mit seinem Bericht kein detailliertes Leistungsverzeichnis vorgelegt hat. Aus seinen vorangegangenen Berichten ergibt sich jedoch durchaus ein erheblicher Umfang der Tätigkeiten, der über das durchschnittliche Maß einer Sachwalterschaft hinausgeht. Auch das Erstgericht hat in seinem Beschluss zum Ausdruck gebracht, dass es die Tätigkeit des Sachwalters als umfangreich ansieht. Damit wäre grundsätzlich eine Entschädigung nach § 266 Abs. 3 durchaus ins Auge zu fassen. Dabei ist allerdings die Bestimmung des § 271 ABGB zu beachten. Widerstreiten einander in einer bestimmten Angelegenheit die Interessen der nicht voll handlungsfähigen Person und jene ihres Vertreters, so hat das Gericht der Person zur Besorgung dieser Angelegenheiten einen besonderen Kurator zu bestellen. Gemäß Abs. 2 bedarf es der Bestellung eines Kurators nicht, wenn eine Gefährdung der Interessen der nicht voll handlungsfähigen Person nicht zu besorgen ist. Dies gilt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnungen im Verfahren über Ansprüche nach § 266 Abs. 1 und 2 ABGB. § 266 Abs. 3 ABGB wird in dieser Aufzählung jedoch nicht genannt. Daraus ergibt sich der eindeutige Wille des Gesetzgebers, dass bei der Bestimmung der Entschädigung des Sachwalters in Durchschnittsfällen, in denen eine Entschädigung nach § 266 Abs. 2 ABGB festgesetzt wird, die Beiziehung eines Kollisionskurators nicht erforderlich ist, wohl aber, wenn gemäß § 266 Abs. 3 ABGB eine darüber hinausgehende Entschädigung beansprucht wird.

Da der Antrag des Sachwalters eindeutig auf eine Entschädigung gemäß § 266 Abs. 3 ABGB gerichtet war, wäre jedenfalls die Beiziehung eines Kollisionskurators erforderlich gewesen. Schon aus diesem Grund kann daher das Rekursgericht nicht abschließend über den Rekurs entscheiden.

Darüber hinaus erweist sich aber auch die Entscheidungsgrundlage als unzureichend. Das Erstgericht hat bei der Ermittlung der Einnahmen und Ausgaben aus den Kontoaufstellungen lediglich die Bareinzahlungen (im Jahr 2002 € 5.600,--) sowie einen Betrag aus einer Sparbuchauflösung im Jahr 2003 in Höhe von € 9.506,40 herausgerechnet, und auf diese Art und Weise die Einnahmen ermittelt. Dies ist jedenfalls insoweit unvollständig, als Zinsengewinne auf den Sparbüchern, die zweifellos Einnahmen der Betroffenen darstellen, unberücksichtigt blieben, während andererseits in den Kontoaufstellungen Rückerstattungen offensichtlich zu viel bezahlter Physiotherapiekosten enthalten sind, die nicht als Einkünfte der Betroffenen zu bezeichnen sind. Bei den Pensionseinkünften ist - wie oben bereits dargelegt - aus den Kontoaufstellungen nicht ersichtlich, ob es sich dabei um die gesamte Pension oder nur einen freibleibenden Teil handelt, und ob darin das Pflegegeld enthalten ist. Die vom Sachwalter in seinem Rekurs angeführten Beträge über die Pension abzüglich des Pflegegeldes lassen sich mit den in der Pflegschaftsrechnung ausgewiesenen Pensionseinkünften nicht in Übereinstimmung bringen. Hier wird noch eine Klarstellung der Sachverhaltsgrundlage notwendig sein.

Das Erstgericht hat bei seiner Beschlussfassung die Einnahmen noch um € 10.000,-- gekürzt. Warum das Erstgericht diese Kürzung vorgenommen hat, ist für das Rekursgericht nicht nachvollziehbar. Gemäß § 266 Abs. 2 ABGB ist bei der Festlegung einer Entschädigung, die sich am Wert des Vermögens des Betroffenen orientiert, von diesem Vermögen ein Betrag von € 10.000,-- abzuziehen. Bei der Festlegung der Entschädigung in Höhe von 5 % von den Einkünften fehlt hingegen eine derartige Bestimmung. Es entspricht zwar nach der Kenntis des Rekursgerichtes der Praxis des NÖ Landesvereins für Sachwalterschaft, einen derartigen Abzug vorzunehmen, eine gesetzliche Grundlage dafür besteht jedoch nicht. Vielmehr ist der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Abzug der hievon zu entrichtenden gesetzlichen Steuern und Abgaben als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, wobei Bezüge, die kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen (Pflegegeld) nicht als Einkünfte zu berücksichtigen sind.

Der Sachwalter begehrt für die ihm zuerkannte Entschädigung weiters 20 % USt; das Erstgericht hat auch die USt zuerkannt. Dies entspricht aber nicht dem Gesetz. In der älteren Judikatur wurde ausgesprochen, dass die zuerkannte Belohnung (dort: eines Verlassenschaftskurators) auch die USt umfassen müsse; inwieweit dabei der Endbetrag der als angemessen erachteten Belohnung um die USt vermehrt werde, oder ob ein Betrag verlangt und zugesprochen werde, der die USt bereits enthalte, sei als reine Berechnungsfrage nicht von Bedeutung (EFSlg. 59.880). § 266 ABGB nimmt nicht ausdrücklich auf die USt Bezug. Zu beachten ist allerdings der Zweck der Bestimmung. Es geht dem Gesetzgeber darum, den Entschädigungsanspruch in Relation zum Einkommen und Vermögen des Betroffenen zu begrenzen. Diese gesetzgeberische Zweckbestimmung würde unterlaufen, wenn zusätzlich zur zuerkannten Entschädigung dann auch noch Beträge aus dem Titel Umsatzsteuer oder aus anderen Gründen zuerkannt werden könnten. Es trifft zwar zu, dass dadurch Sachwalter, die USt abzuführen haben, schlechter gestellt sind als Sachwalter, auf die das nicht zutrifft; umgekehrt wären aber bei anderer Betrachtungsweise Betroffene, die durch einen USt-pflichtigen Sachwalter vertreten werden, schlechter gestellt als solche, die einen Sachwalter haben, der keine USt zu entrichten hat. Das Sachwalterrecht orientiert sich grundsätzlich vorrangig am Wohl des Betroffenen. Ausgehend von der Zweckbestimmung der gesetzlichen Regelung kann daher nicht zusätzlich zur (Höchst )Entschädigung, die § 266 ABGB regeln will, die USt zuerkannt werden (so auch LGZ Linz, 15 R 3/04y).

Dem Rekurs war daher Folge zu geben, der Beschluss in seinem angefochtenen Teil aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6

Rückverweise