JudikaturLG St. Pölten

10R69/00z – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
22. März 2000

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten als Rekursgericht hat durch den Vizepräsidenten HR Dr. Leitzenberger als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Weitzenböck und Dr. Steinhauer in der Pflegschaftssache des am 11.11.1992 geborenen mj. Maximilian P*****, Schüler, ***** St. Pölten, *****, vertreten durch seine Mutter Christiane P*****, Physiotherapeutin, ebendort, über den Rekurs des Vaters Dr. Tomasz T*****, Marketingmanager, ***** Wörgl, *****, vertreten durch Dr. Günter Tews, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 21.9.1999, 2 P 125/98d-39, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird als verspätet z u r ü c k - g e w i e s e n .

Der Revisionsrekurs ist j e d e n f a l l s u n z u l ä s s i g .

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Bezirksgericht St. Pölten die Gebühren der Sachverständigen Dr. Angelika G*****für die Erstattung des Gutachtens ON 36 mit S 8.196,-- bestimmt, die Auszahlung dieses Betrages aus Amtsgeldern angeordnet und ausgesprochen, dass der Vater zum Ersatz dieser Kosten verpflichtet ist.

Der vom Vater gegen seine Verpflichtung zum Kostenersatz erhobene Rekurs ist verspätet.

Der angefochtene Beschluss wurde dem Vater am 12.10.1999 persönlich zugestellt, obwohl dieser mit Schriftsatz vom 20.5.1999, ON 34, die Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes angezeigt hatte. Da ein Rechtsanwalt im Zweifel auch als Zustellungsbevollmächtigter im Sinne des § 9 ZustG anzusehen ist, an den alle Schriftstücke adressiert werden müssen, war diese persönliche Zustellung unzulässig und unwirksam. Gemäß § 9 Abs 1 zweiter Satz ZustG gilt jedoch die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsanwalt Dr. Tews hat dem Rekursgericht auf Anfrage mitgeteilt, dass er zwar das Original des angefochtenen Beschlusses nie erhalten hat, dass ihm der Beschluss aber am 18.10.1999 von seinem Klienten gefaxt wurde. Dies ist durch eine Kopie der ersten Seite des Telefaxes auch belegt; aus der Faxleiste ergibt sich das Sendedatum 18.10.1999.

Die Bestimmung des § 9 Abs 1 ZustG soll eine Partei, die dem Gericht einen Zustellungsbevollmächtigten bekanntgegeben hat, davon befreien, sich persönlich um gerichtliche Zustellungen kümmern zu müssen. Eine trotzdem an die Partei selbst gerichtete Zustellung wird daher als rechtsunwirksam angesehen. Allerdings sieht § 9 Abs 1 zweiter Satz ZustG eine Möglichkeit der Heilung vor, wenn das Schriftstück doch noch dem Zustellungsbevollmächtigten zukommt. So hat das OLG Wien zu 12 R 106/85 (REDOK 1482) entschieden, dass ein derartiger Zustellmangel in dem Zeitpunkt heilt, in dem die Partei das ihr zugestellte Schriftstück ihrem Vertreter übergibt. Dieser, auf den Wortlaut des Gesetzes gestützten Rechtsansicht schließt sich auch das Rekursgericht an.

Im Zeitalter der modernen Telekommunikation kann jedoch der Begriff der Übergabe nicht auf eine körperliche Übergabe von Hand zu Hand eingeschränkt werden. Nach dem Sinn der angeführten Bestimmung kann es nur darum gehen, dem Zustellungsbevollmächtigten die volle Kenntnis vom Inhalt des zugestellten Schriftstückes zu verschaffen, damit er in die Lage versetzt wird, entsprechende Schritte einzuleiten, etwa auch ein Rechtsmittel zu ergreifen. Diese Kenntnis kann er nicht nur durch körperliche Übergabe, sondern auch durch briefliche Übersendung oder durch Übermittlung per Telefax oder E-Mail erlangen. In all diesen Fällen wird der Empfänger genauso gestellt, als hätte das Gericht die Sendung nachträglich korrekt an den Zustellungsbevollmächtigten adressiert. Es kann daher für die Heilung der Zustellung nach § 9 Abs 1 zweiter Satz ZustG keinen Unterschied machen, ob das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten im Original oder in Form einer (Fern )Kopie zugekommen ist.

Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall die Zustellung des angefochtenen Beschlusses an Rechtsanwalt Dr. Tews mit 18.10.1999 als vollzogen anzusehen war. Damit hat auch die 14-tägige Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen. Der erst am 4.1.2000 zur Post gegebene Rekurs ist daher bei weitem verspätet. Weder dem Rechtsmittel, noch dem sonstigen Akteninhalt ist zu entnehmen, dass der Vater oder sein Anwalt an der rechtzeitigen Erhebung des Rekurses gehindert gewesen wären.

Eine Bedachtnahme auf den Rekurs ungeachtet der verstrichenen Frist im Sinne des § 11 Abs 2 AußStrG kommt nicht in Frage, weil eine Abänderung des bekämpften Ausspruches in dem vom Vater gewünschten Sinne mit einem Nachteil für die Mutter verbunden wäre. Der Ausspruch über die Ersatzpflicht nach § 2 Abs 2 GEG ist Teil einer Entscheidung über die Sachverständigengebühren, gegen die gemäß § 14 Abs 2 Z 3 AußStrG ein Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof jedenfalls unzulässig ist.

Landesgericht St. Pölten

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