JudikaturLG St. Pölten

7R75/98d – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
18. Mai 1998

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter Dr. Cutka (Vorsitzender) sowie Dr. Hintermeier und Dr. Steger in der Rechtssache der klagenden Partei M. H. A***** Ges.m.b.H., *****, 3100 St. Pölten, vertreten durch Dr. Franz Amler, Dr. Michael Schwarz, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagte Partei Artemis-Ernestine F*****, 3100 St. Pölten, vertreten durch Dr. Karl Prisching, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen S 1.940,-- s.A., über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 28.1.1998, 7 C 1388/96a-18, gemäß § 492 Abs.1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird F o l g e gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem klagsabweisenden Teil als unbekämpft unberührt bleibt, wird im übrigen dahingehend abgeändert, daß es insgesamt zu lauten hat wie folgt:

"Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen S 1.940,-- samt 12 % Zinsen seit 21.12.1995 zu bezahlen sowie die Kosten des Verfahrens zu ersetzen, wird a b g e w i e s e n .

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen ihre mit S 4.784,64 (darin S 797,44 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen."

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten ihre mit S 1.675,68 (darin S 249,28 USt und S 180,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist j e d e n f a l l s u n z u - l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte den Klagsbetrag von S 1.940,-- unter dem Code 01 (Lieferung, Kaufpreis) aus einer nicht näher präzisierten Rechnung; Zinsen in Höhe von 12 % seien vereinbart worden.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte Abweisung der Klage und wendete ein, weder den Auftrag zur Abschleppung ihres Fahrzeuges erteilt zu haben noch Grund für eine Abschleppung gegeben zu haben. Die Klägerin sei nicht aktiv klagslegitimiert, weil der Abschleppauftrag von einer gewissen Frau Beatrix L***** erteilt worden sei und sie selbst mit der Klägerin in keinerlei Vertragsverhältnis stehe. Im übrigen sei zu Unrecht abgeschleppt worden, weil die Beklagte Wohnungsnachbarin der Beatrix L***** in der E*****straße 44 und Mieterin des unmittelbar neben dem Parkplatz der Genannten befindlichen Parkplatzes sei. Für Frau L***** sei es ohne weiteres möglich gewesen, sie auf andere Art und Weise zu veranlassen, den Parkplatz zu räumen. Auch am 20.12.1995 habe die Beklagte ihr Fahrzeug auf ihrem eigenen Parkplatz abgestellt; aufgrund des Schneematsches seien an diesem Tag die Bodenmarkierungen gar nicht zu erkennen gewesen. Frau L***** habe das gerechtfertigte Maß der Selbsthilfe durch Erteilung des Abschleppauftrages an die Klägerin erheblich überschritten bzw. schikanös die Abschleppung veranlaßt.

Lediglich aus dem Beweisergebnis, insbesondere den vorgelegten Urkunden, läßt sich erkennen, daß die Klägerin ihre aktive Klagslegitimation auf eine Inkassozession der Forderung der Beatrix L***** auf Ersatz von Abschleppkosten stützt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht der Klage im wesentlichen stattgegeben (lediglich das den gesetzlichen Zinssatz übersteigende Zinsenbegehren wurde - rechtskräftig - abgewiesen). Es ging von den auf den Seiten 2 und 3 wiedergegebenen Feststellungen aus, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß eine Inkassozession der Forderung der Beatrix L***** auf Ersatz der Abschleppkosten an die Klägerin erfolgt sei; dies sei nach österreichischem Recht zulässig. Die Beklagte habe sich im übrigen durch Unterschriftsleistung auf der Beilage ./A verpflichtet, die Abschleppkosten zu bezahlen.

Gegen den stattgebenden Teil dieses Urteiles richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin hat beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auszugehen ist von den für das Berufungsgericht bindenden (§ 501 Abs.1 ZPO) Feststellungen des Erstgerichtes, wonach die Beklagte am Abend des 20.12.1995 irrtümlich ihr Fahrzeug auf dem Privatparkplatz von Beatrix L***** mit der Nummer 111 abgestellt habe. Die Nummer des Parkplatzes sei für die Beklagte bei gehöriger Achtsamkeit allerdings durchaus erkennbar gewesen. Festgestellt wurde weiters, daß Beatrix L***** aufgrund des Umstandes, daß sie nicht wußte, wem das Fahrzeug gehörte, die Klägerin beauftragt habe, es abzuschleppen.

Ob Beatrix L***** es möglich und zumutbar gewesen wäre, nähere Erkundigungen darüber einzuholen, wem der auf ihrem Parkplatz abgestellte PKW gehört, hat das Erstgericht nicht festgestellt, worauf die Berufungswerberin zutreffend hinweist.

Im Ergebnis kommt dieser Frage aber keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Aufgrund der vom Erstgericht - unbekämpft - festgestellten Inkassozession einer etwaigen Forderung der Beatrix L***** auf Ersatz von Abschleppkosten an die Klägerin steht der Beklagten nämlich das Recht zu, sämtliche Einwendungen gegen diese Forderung auch gegenüber der Klägerin geltend zu machen (§ 1396 ABGB). Tatsächlich hat sich die Beklagte auch bereits im Verfahren 1. Instanz darauf berufen, daß die Selbsthilfemaßnahme der Beatrix L***** überschießend und daher unzulässig gewesen sei.

Die Klägerin hat diesem Vorbringen kein entsprechendes Tatsachensubstrat entgegengesetzt.

Tatsächlich stellt sich das Abschleppen eines fremden Fahrzeuges von einem Privatgrundstück als Akt der Selbsthilfe im Sinn der §§ 344, 19 ABGB dar. Diese ist zur Abwehr eines rechtswidrigen Zustandes aber nur ausnahmsweise dann erlaubt, wenn staatliche Hilfe zu spät käme und die Wiederherstellung oder Erhaltung des rechtmäßigen Zustandes mit angemessenen, d.h. unbedingt notwendigen, Mitteln geschieht (EvBl 1981/119; MietSlg XXX/17; MietSlg 40.001). Der sich auf ein Selbsthilferecht Berufende ist dafür behauptungs- und beweispflichtig, rechtmäßig gehandelt zu haben (EvBl 1981/119).

Zur Frage der Grenzen der gebotenen Selbsthilfe wird vom OGH etwa in ständiger Rechtsprechung vertreten, die eigenmächtige Räumung eines Bestandobjektes sei als Akt unzulässiger Selbsthilfe zu beurteilen, wenn damit bloß der rechtswidrige Zustand beseitigt werden solle (EvBl 1981/119; 1988/46 u.a.). Auch die abstrakte Möglichkeit der Behinderung von Feuerwehrfahrzeugen dadurch, daß ein Fahrzeug in der Feuerwehrauffahrtzone eines Hauses behindernd abgestellt wird, rechtfertigt nach der Entscheidung MietSlg 40.001 noch nicht die Annahme einer drohenden Gefahr für Menschen oder Eigentum und berechtigt daher nicht zur Selbsthilfe durch Veranlassung der Abschleppung.

Selbst Messiner (in ZVR 1983, 108 f), welcher - im Gegensatz zur

überwiegenden Rechtsprechung - die Entfernung des schuldhaft

verbotswidrig abgestellten Fahrzeuges im Regelfall als im Rahmen "angemessener Gewalt" (§ 344 ABGB) liegend für zulässig erachtet, weist zur Rechtfertigung der Selbsthilfemaßnahme darauf hin, daß zumindest ein in absehbarer Zeit zu erwartender konkreter Bedarf auf Benützung des bestimmten Parkplatzes nachgewiesen werden müsse (FN 3).

Auch Gaisbauer (ImmZ 1993/149 f) vertritt die Ansicht, daß aus der Tatsache des unbefugten Abstellens allein (die sicherlich eine Besitzstörung darstellt) nicht schon die Berechtigung hergeleitet werden kann, dieses Fahrzeug abzuschleppen oder abschleppen zu lassen und vom Fahrzeugbesitzer die Kosten hiefür zu verlangen. Das Abschleppen von Kraftfahrzeugen, die auf Privatgrund rechtswidrig parken, hält dieser Autor nur in gleicher Abwägung wie nach § 3 Abs.1 zweiter Satz StGB für zulässig. Nach dieser strafrechtlichen Norm ist eine (Notwehr )Handlung nicht gerechtfertigt, wenn es offensichtlich ist, daß dem Angegriffenen bloß ein geringer Nachteil droht und die Verteidigung, insbesondere wegen der Schwere der zur Abwehr nötigen Beeinträchtigung des Angreifers, unangemessen ist (vgl. hiezu auch Reischauer in Rummel I **2 § 19 ABGB Rz 18).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin weder behauptet noch nachgewiesen, daß Beatrix L***** ihr Fahrzeug nicht anderweitig abstellen hätte können; ihre Selbsthilfemaßnahme ist daher als rechtswidrig anzusehen.

Die Kosten der rechtswidrigen Selbsthilfemaßnahme hat aber jedenfalls nicht die Beklagte zu tragen.

Daß die Beklagte sich (etwa durch die vom Erstgericht genannte Beilage ./A) zur Bezahlung der Abschleppkosten unmittelbar gegenüber der Klägerin verpflichten wollte, hat die Klägerin gar nicht behauptet. Nach dem Urkundeninhalt liegt ein konstitutives Anerkenntnis tatsächlich auch nicht vor; die Beklagte hat ja lediglich bestätigt, daß das Fahrzeug durch die Entfernung und Aufbewahrung keinerlei Schäden erlitten hat und daß sie einen Zahlschein mit einem Hinweis auf die durchzuführende Einzahlung des Betrages übernommen hat. Daß die Beklagte sich durch die Unterfertigung dieser Urkunde zur Bezahlung der Abschleppkosten verpflichten wollte, kann schon nach dem Wortsinn ausgeschlossen werden.

Der Berufung war daher Folge zu geben und das Urteil im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung abzuändern.

Gemäß § 41 ZPO hat die Klägerin der Beklagten daher die der Höhe nach richtig verzeichneten Kosten 1. Instanz, gemäß §§ 50, 41 ZPO auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Diesbezüglich ist die Beklagte aber darauf hinzuweisen, daß ein dreifacher Einheitssatz gemäß § 23 Abs.10 RATG idF WGN 1997 in Berufungsverfahren, in denen (wie hier) § 501 Abs.1 ZPO anzuwenden ist, nicht in Betracht kommt.

Gemäß § 502 Abs.2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig.

Landesgericht St. Pölten

Rückverweise