54R340/98h – LG Salzburg Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht Salzburg hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie Dr. Hemetsberger und Dr. Mayrbäuerl in der Außerstreitsache des Antragstellers F*****R*****, *****, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, gegen die Antragsgegnerin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17 - 19, wegen Zuerkennung einer Entschädigung gemäß der zweiten Waffengesetznovelle 1994, über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Hallein vom 13.8.1998, 5 Nc 96/97b - 7, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen :
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund in der Sache zu entscheiden.
Der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs 1 Außerstreitgesetz ist zulässig.
Begründung:
Text
Der Antragsteller begehrt, ihm S 5.000,-- als Entschädigung für seine abgegebene Waffe im Sinne der zweiten Waffengesetznovelle 1994 zuzuerkennen. Er bringt dazu vor, bereits seit 1992 im Besitz einer Pumpgun gewesen zu sein. Anfangs August 1995 habe er erfahren, daß
auch bezüglich Pumpguns die Eintragung in die Waffenbesitzkarte erforderlich sei. Als er am 8.8.1995 bei der Bezirkshauptmannschaft den entsprechenden Antrag gestellt habe, sei ihm dies verweigert worden, weil er es verabsäumt gehabt hätte, den entsprechenden Antrag in der gesetzlich vorgegebenen Frist, welche am 30.6.1995 geendet hätte, zu stellen. Sein Antrag sei daher nicht behandelt worden. Ein daraufhin gemäß § 36 Waffengesetz beim Bezirksgericht Hallein eingeleitetes Verfahren sei zwar gemäß § 90 StPO eingestellt worden, jedoch sei ein Verfahren zur Einziehung der Pumpgun eingeleitet und in der Hauptverhandlung vom 3.3.1997 auch die Einziehung ausgesprochen worden. Daraufhin habe der Antragsteller seine Waffe am 7.7.1997 freiwillig beim Gendarmerieposten Kuchl abgegeben. In der Folge habe der Antragsteller bei der Bezirkshauptmannschaft Hallein einen Antrag auf Zuerkennung einer Entschädigung für seine Waffe gestellt, allerdings habe die Bezirkshauptmannschaft diesen Antrag zurückgewiesen, weil auf den vorliegenden Fall die zweite Waffengesetznovelle 1994 nicht mehr anwendbar gewesen sei. Da gegen diesen Bescheid eine Berufung unzulässig sei, stehe dem Antragsteller gemäß der zweiten Waffengesetznovelle 1994 zu, beim für ihn zuständigen Bezirksgericht eine Entscheidung über seinen Entschädigungsanspruch zu begehren. Er beantrage daher ihm als Entschädigung für die abgegebene Waffe S 5.000,-- zuzusprechen.
Das Erstgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß den Antrag zurückgewiesen, weil im gegenständlichen Fall die Bezirkshauptmannschaft Hallein den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen habe. Die Bezirkshauptmannschaft Hallein habe demnach keinen Entschädigungsbescheid erlassen. Mangels Erlassung eines Entschädigungsbescheides könne der Antragsteller auch nicht die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung im außerstreitigen Verfahren beim Bezirksgericht begehren.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Antragstellers mit dem Begehren, ihn ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.
Der Rekurs ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Soweit sich der Rekurswerber darauf beruft, daß ein Enteigneter jedenfalls ein Recht auf eine Entscheidung durch das Gericht hat und sichergestellt sein müsse, daß dieses Recht dem Enteigneten immer zur Verfügung stehe, ist ihm grundsätzlich zuzustimmen. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 13.979; Beschluß des VfGH vom 1.12.1994, B 478/92) sowie auch des Verwaltungsgerichtshofes (JBl 1990, 739; Erkenntnis vom 30.5.1996, 95/06/0245; VwSlg 13.517 A/1991 ua) sind Entscheidungen auf Gewährung einer Entschädigung für eine Eigentumsbeschränkung oder auf Zuerkennung einer Enteignungsentschädigung Entscheidungen über "zivilrechtliche Ansprüche" ("civil rights") iS des Artikel 6 Abs 1 EMRK. Gemäß dieser Bestimmung muß über "civil rights" von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhendem Gericht ("Tribunal") entschieden werden. In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 11.762/1988 jedoch folgendes dargelegt :
"Der Verfassungsgerichtshof hält die Feststellung für notwendig, daß er mit dem EGMR (Fall Le Compte, EuGRZ 1981, 553) unter dem Aspekt des Artikels 6 Abs 1 EMRK nichts dagegen einzuwenden findet, daß auch über zivilrechtliche Ansprüche nach Art einer Enteignungsentschädigung vorerst eine Verwaltungsbehörde entscheidet, sofern nur danach ein Gericht die Befugnis besitzt, über die Enteignungsentschädigung einschließlich der Entschädigungshöhe aufgrund einer eigenen Tatsachenfeststellung zu entscheiden".
Verdeutlichend führt der Verfassungsgerichtshof in VfSlg Nr. 13.979/1994 noch aus, daß in der Regel die durch eine sukzessive Kompetenz in diesem Zusammenhang begründete Zuständigkeit des Gerichtes eine umfassende sei. Sie bestehe nicht allein dann, wenn die Verwaltungsbehörde eine Entschädigung in bestimmter Höhe zuerkannt habe sondern auch dann, wenn sie das Bestehen eines Entschädigungsanspruches dem Grunde nach verneint, den Entschädigungsantrag demnach abgewiesen habe. Das Verfassungsgericht folgt dabei der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der in mehreren Entscheidungen (zB VwSlg 13.142A/1990) judizierte, daß die "Festsetzung" bzw "Festlegung" der Entschädigung auch die in der Abweisung des Entschädigungsbegehrens ihren Ausdruck findende "Null-Festsetzung" umfasse. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes seien daher die Entschädigungsbestimmungen verfassungskonform dahin auszulegen, daß in der Frage der Bemessung der Entschädigung die Anrufung des Gerichtes gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde unabhängig davon zulässig sei, ob über den Antrag auf Gewährung einer Entschädigung dem Grunde nach (und zwar abweisend) oder der Höhe nach (also einen Teil des geltend gemachten Anspruches zuerkennend) abgesprochen worden sei. In VwSlg 13.517A/1991 ergänzt der Verwaltungsgerichtshof auch noch, daß nur diese Sicht auch dem Gebot des Artikel 94 B-VG standhalte, wonach die Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt sei. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stehe es nämlich dem (einfachen) Gesetzgeber grundsätzlich frei, ob er eine Angelegenheit der Justiz oder der Verwaltung zur Entscheidung zuweise, solange ein Zusammenwirken beider Gewalten beim Zustandekommen ein und derselben Entscheidung vermieden werde und auf Gesetzesebene eindeutig klargestellt sei, ob und wann die eine oder andere Gewalt zuständig sei. Ein Gesetz, das die Behandlung derselben Sache durch Vollziehungsorgane verschiedenen Typs ermögliche, ohne selbst objektive Voraussetzungen dafür aufzustellen, wann die Zuständigkeit des einen und wann die des anderen Vollzugsorganes gegeben sei, widerspreche dem Artikel 94 B-VG, dies insbesondere dann, wenn ein und dieselbe Rechtsfrage je nach den zufälligen Umständen des konkreten Einzelfalles entweder vom Gericht oder von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden wäre. Dieser Fall läge jedoch dann vor, wenn die jedenfalls zuerst anzurufende Verwaltungsbehörde die Wahl hätte, eine (noch so geringe) Entschädigungssumme festzusetzen, weil dann danach nur die Anrufung des Gerichtes über gerade jene Rechts- und Tatfragen zulässig wäre, die bei gänzlicher Verneinung des Anspruches dem Verwaltungsrechtszug zur Entscheidung zugewiesen wären. Es läge somit im Belieben der Verwaltungsbehörde, in Zweifelsfragen durch die Bejahung zumindest eines (wenn auch noch so geringen) Teilanspruches die Zuständigkeit des Gerichtes oder durch die gänzliche Verneinung des Anspruches jene der Verwaltungsbehörden für das weitere Verfahren herbeizuführen, ohne daß eine vom Willen der Behörde unabhängige Grenzziehung durch das Gesetz vorläge. Gerade dies widerspräche aber nicht nur dem dem Artikel 94 B-VG, sondern auch dem aus Artikel 83 Abs 2 B-VG abzuleitenden Grundsatz, daß die zuständige Behörde im vorhinein durch Gesetz festgelegt werden müsse.
Im Verwaltungsweg sind daher nur Entscheidungen anfechtbar, die zu einer Enteignung führen; über die Entschädigung selbst haben jedoch immer - letztlich im Wege der sukzessiven Kompetenz - die ordentlichen Gerichte zu entscheiden.
Der Oberste Gerichtshof hat zu 2 Ob 569/91 (nv - siehe aber RIS - Justiz RS 0045643 bzw E 27997) allerdings entschieden, daß in einem Fall der verwaltungsbehördlichen Verweigerung einer Entschädigung dem Grunde nach die ordentlichen Gerichte nicht angerufen werden können. Dieser Beschluß ist für die vorliegende Entscheidung jedoch deswegen nicht maßgeblich, weil einerseits das Höchstgericht dabei die neueste Entwicklung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes noch nicht berücksichtigen konnte und andererseits die damals maßgebliche Bestimmung des § 28 Abs 4 des OÖ Naturschutzgesetzes nach seinem Wortsinn eine andere Auslegung, als jene die das Höchstgericht gefunden hat, offenbar nicht zugelassen hat.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der zweiten Waffengesetznovelle jedoch diese Einschränkung, die der OGH im vorzitierten Fall zu beachten glauben mußte, jedenfalls nicht. Die hier maßgebliche Bestimmung lautet :
"........ die Behörde hat ...... auf Antrag ..... mittels Bescheides
eine angemessene Entschädigung zuzuerkennen ...... Eine Berufung
gegen diesen Bescheid ist unzulässig. Doch steht es dem bisherigen Eigentümer frei, binnen einem Monat nach Zustellung des Entschädigungsbescheides die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung im außerstreitigen Verfahren bei dem Bezirksgericht seines allgemeinen Gerichtsstandes zu begehren. Mit Anrufung des Gerichtes tritt die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Entschädigung außer Kraft .....".
Legt man diese Bestimmung im Sinne der wiedergegebenen
höchstgerichtlichen Judikatur verfassungskonform aus, so kann dies
nur bedeuten, daß von einer umfassenden Zuständigkeit des Gerichtes
in dem Sinn auszugehen ist, daß es sowohl angerufen werden kann, wenn
die Verwaltungsbehörde eine Entschädigung in bestimmter Höhe
zuerkannt hat, als auch dann, wenn sie das Bestehen eines
Entschädigungsanspruches dem Grunde nach verneint hat. Die Wendung im
Artikel II Abs 3 der zweiten Waffengesetznovelle 1994 "..... steht es
dem bisherigen Eigentümer frei .... die Entscheidung über die Höhe
der Entschädigung im außerstreitigen Verfahren ..... zu begehren"
kann nicht so einschränkend ausgelegt werden, wie dies der Oberste Gerichtshof zu § 28 Abs 4 des OÖ Naturschutzgesetzes getan hat, als er dort eine Nullbemessung zum Anlaß genommen hat, die Anrufung der ordentlichen Gerichte für nicht zulässig zu erachten (2 Ob 569/91). Bestärkt wird im gegenständlichen Fall das Rekursgericht dadurch, daß das Gesetz selbst bestimmt, daß eine Berufung gegen den Entschädigungsbescheid der Verwaltungsbehörde unzulässig ist. Damit stellt der Gesetzgeber wesentlich deutlicher als in vielen anderen Entschädigungsbestimmungen klar, daß für die Festsetzung der Entschädigung (letztlich im Wege der sukzessiven Kompetenz) nur die ordentlichen Gerichte letztentscheidend im Sinne des Artikel 6 Abs 1 EMRK zuständig sein können.
Natürlich ist diese Anrufung des Gerichtes jedoch nur dann möglich, wenn die Verwaltungsbehörde tatsächlich über den Entschädigungsanspruch, wenn auch abweislich, entschieden hat. Nun hat im vorliegenden Fall der Antragsteller selbst in seinem Entschädigungsantrag vorgebracht, die Bezirkshauptmannschaft Hallein hätte mit Bescheid vom 11.12.1997 den Entschädigungsantrag zurückgewiesen. In einem solchen Fall käme es tatsächlich nicht zu einer sukzessiven Kompetenzverschiebung, weil eine Sachentscheidung der Verwaltungsbehörde, die erst die Anrufung des Gerichtes ermöglichen würde, gar nicht vorläge. Allerdings ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid, den sich das Erstgericht vor seiner Zurückweisung hat vorlegen lassen, daß sich die Bezirkshauptmannschaft Hallein tatsächlich sachlich mit dem Entschädigungsanspruch auseinandergesetzt hat und ihn deswegen verneint hat, weil die Entschädigungsbestimmung des Artikel 2 der zweiten Waffengesetznovelle 1994 auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar sei. Inhaltlich liegt daher sehr wohl eine den Entschädigungsanspruch abweislich behandelnde Entscheidung der Verwaltungsbehörde vor, sodaß auch diesbezüglich - wenn auch vom Antragsteller in seinem Antrag unrichtig benannt - eine inhaltliche (negative) Entscheidung über den Entschädigungsantrag vorliegt, die durch Anrufung des Gerichtes zur Gänze außer Kraft getreten ist.
Der angefochtene Beschluß war daher ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.
Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, weil keine Rekurskosten verzeichnet worden sind.
Da eine gesicherte Rechtsprechung zur Frage der sukzessiven Kompetenz bei einer Nullbemessung einer Enteignungsentschädigung nicht vorliegt, ja das Rekursgericht von dem in RIS - Justiz zu RS 0045643 veröffentlichten Leitsatz abweicht, war nach § 14 Abs 1 Außerstreitgesetz der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.