21R507/96x – LG Salzburg Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht Salzburg als Rekursgericht hat durch seinen Vizepräsidenten Dr.Bitschnau als Vorsitzenden sowie Dr.Gitschthaler und Dr.Juhasz als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers LAND S*****, vertreten durch den Magistrat der Landeshauptstadt S*****, Jugendamt, *****, wider seinen Gegner Helmuth R*****, Angestellter, ***** wegen Kostenersatzforderung gemäß § 40 JWG infolge Rekurses des Gegners gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 24.09.1996, GZ 3 P 1883/95h-119, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefaßt:
Spruch
Aus Anlaß des Rekurses wird der angefochtene Beschluß als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.
B e g r ü n d u n g:
Text
Mit dem angefochtenen Beschluß verpflichtete das Erstgericht durch seinen Rechtspfleger den Gegner als Vater des Markus R*****, geboren am 10.07.1977, zur Bezahlung von S 8.420,-- an Kosten der vollen Erziehung des damals noch minderjährigen Markus für die Zeit vom 09.11.1995 bis 31.01.1996 an den Antragsteller als Jugendwohlfahrtsträger.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der fristgerechte und als Einspruch bezeichnete Rekurs des Gegners mit dem erkennbaren Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses in Richtung Antragsabweisung.
Aus Anlaß des Rekurses war der angefochtene Beschluß als nichtig aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist ein Antrag des Landes S***** als Jugendwohlfahrtsträger auf Verpflichtung des Gegners als Vater des damals noch minderjährigen Markus zur Leistung eines Kostenersatzes nach § 33 JWG, über welchen gemäß § 40 JWG das Pflegschafts- (Vormundschafts-) gericht im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden hat, und zwar unabhängig vom Alter des Kindes. Bei dem geltend gemachten Anspruch handelt es sich nach der Rechtsprechung des OGH dabei jedoch nicht um Unterhaltsansprüche, sondern vielmehr um einen davon zu unterscheidenden Ersatzanspruch des Jugendwohlfahrtsträgers (vgl. ÖA 1992, 163, EvBl 1993/149 = NRsp 1993/127, ÖA 1994, 31).
Wie bereits erwähnt hat nach § 40 JWG das Pflegschafts- (Vormundschafts-) gericht im Verfahren außer Streitsachen über derartige Anträge zu entscheiden, wobei dies unabhängig vom Alter des Kindes sein soll. Daraus folgt jedoch zwangsläufig, daß unter Pflegschafts- (Vormundschafts-) gericht auch das ehemalige Pflegschafts- (Vormundschafts-) gericht gemeint sein kann. § 40 JWG enthält daher einerseits eine Zwangszuständigkeit des (ehemaligen) Pflegschafts- (Vormundschafts-) gerichtes und darüber hinaus eine ausdrückliche Anordnung der anzuwendenden Verfahrensvorschriften. Nach Auffassung des Senates kann daraus jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß es sich bei der Erledigung derartiger Anträge jedenfalls um eine Pflegschaftssache handelt, enden doch Pflegschaftsangelegenheiten grundsätzlich mit Erreichung der Volljährigkeit durch den Pflegebefohlenen.
Aus Art. 87 und 87a B-VG ergibt sich, daß die Gerichtsbarkeit grundsätzlich von Richtern auszuüben ist, wobei die Besorgung einzelner und genau zu bezeichnender Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit I.Instanz in Zivilrechtssachen besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bundesangestellten übertragen werden kann (Rechtspfleger). In Durchführung dieser verfassungsrechtlichen Bestimmungen ordnen die §§ 16 - 22 RpflG Wirkungskreise für Rechtspfleger an, wobei der Wirkungskreis in Pflegschaftssachen grundsätzlich die Geschäfte in Pflegschaftssachen (einschließlich der Vormundschafts- und Sachwalterschaftssachen) umfaßt (§ 19 Abs.1 RpflG). Allerdings bleiben gemäß Abs.2 Z.5 leg.cit. dem Richter ua die Entscheidungen über den Ersatz zu Unrecht geleisteten vorläufigen Unterhalts gemäß § 399b EO sowie über den Ersatz zu Unrecht gewährter Unterhaltsvorschüsse auf Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes und über die unmittelbare Rückzahlungspflicht an den Bund vorbehalten.
Richtig ist, daß dieser Senat bislang (unausgesprochen) von einer Zuständigkeit des Rechtspflegers zur Entscheidung über Anträge gemäß § 40 JWG mit der Überlegung ausgegangen ist, im Hinblick auf die Formulierung des § 40 JWG (arg: Pflegschaftsgericht) liege eine Pflegschaftssache vor, auf welche keiner der dem Richter vorbehaltenen Ausnahmetatbestände zutreffen könnte. Im Hinblick auf die Entscheidung des LGZ Graz vom 19.07.1995 (RpflGA 8447), wonach die Entscheidung über den Rückersatz der Kosten der vollen Erziehung gemäß § 40 JWG Richtersache sei, sah sich dieser Senat jedoch veranlaßt, die Frage neuerlich zu prüfen, ob sich aus einer Zusammenschau der bereits dargelegten Rechtsgrundlagen tatsächlich eine Zuständigkeit des Rechtspflegers über die bereits mehrfach erwähnten Anträge gemäß § 40 JWG erschließen läßt:
Es wurde bereits erwähnt, daß nach Auffassung dieses Senates jedenfalls in jenen Fällen, in denen zum Zeitpunkt der Antragstellung durch den Jugendwohlfahrtsträger Volljährigkeit des ursprünglich der vollen Erziehung unterworfenen Kindes vorgelegen hat, nicht von einer Pflegschaftssache gesprochen werden kann, hat diese doch mit Erreichen der Volljährigkeit geendet. Damit können derartige Fälle von vorne herein nicht dem § 19 Abs.1 RpflG unterstellt werden. Es handelt sich dabei vielmehr um ein eigenes Verfahren des Jugendwohlfahrtsträgers gegen den (ursprünglich) Minderjährigen und/oder seinen Unterhaltspflichtigen, welche vom ehemaligen Pflegschafts- (Vormundschafts-) gericht im Verfahren außer Streitsachen zu erledigen ist. Damit ist aber jedenfalls die Erledigung derartiger Anträge Richtersache.
Der Senat geht aber darüber hinaus auch dann davon aus, daß Anträge des Jugendwohlfahrtsträgers gemäß § 40 JWG nicht vom Rechtspfleger, sondern vom zuständigen Richter zu erledigen sind, wenn - wie hier - der Antrag bereits vor Erreichen der Volljährigkeit des ursprünglich sich in voller Erziehung befindlichen Kindes gestellt wurde. Dazu ist zunächst einmal festzuhalten, daß die vorstehenden Überlegungen, ob überhaupt eine Pflegschaftssache iSd § 19 RpflG gegeben ist, zwar nicht für Minderjährige zu gelten haben, sodaß aus diesem Grund Rechtspflegerzuständigkeit gegeben sein könnte. Allerdings ist dann auf § 19 Abs.2 Z.5 RpflG Bedacht zu nehmen, wonach dem Richter (auch in Pflegschaftssachen) Entscheidungen über den Ersatz zu Unrecht geleisteten vorläufigen Unterhalts gemäß § 399b EO sowie über den Ersatz zu Unrecht gewährter Unterhaltsvorschüsse auf Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichtes und über die unmittelbare Rückzahlungspflicht an den Bund vorbehalten bleiben. Mit dem LGZ Graz (RpflGA 8447) muß wohl von einer Analogiefähigkeit dieser Bestimmung ausgegangen werden, sind doch die Beurteilungskriterien für den Kostenersatz nach § 33 JWG den erwähnten Bestimmungen sehr ähnlich. Dabei bedarf es nach Auffassung dieses Senates auch keiner weiteren Erörterung, ob Ausnahmebestimmungen überhaupt analogiefähig sind, weil dem B-VG ja grundsätzlich die Ausübung der Gerichtsbarkeit durch Richter zugrunde liegt und Rechtspfleger nur in Ausnahmefällen tätig werden können. Damit stellt sich gewissermaßen § 19 Abs.2 RpflG als Ausnahme von der Ausnahme dar, sodaß hier Analogiefähigkeit angenommen werden kann.
Aufgrund dieser Überlegungen vermag der Senat daher seine bisherige Auffassung nicht aufrecht zu erhalten und geht nunmehr in Übereinstimmung mit dem LGZ Graz davon aus, daß die Entscheidung über den Rückersatz von Kosten der vollen Erziehung gemäß § 40 JWG Richtersache ist, und zwar unabhängig davon, ob der entsprechende Antrag vom Jugendwohlfahrtsträger noch vor Erreichen der Volljährigkeit des Kindes oder danach gestellt wurde.
Da der angefochtene Beschluß jedoch vom Erstgericht durch seinen Rechtspfleger gefaßt wurde, war er mangels vorschriftsmäßiger Besetzung des erkennenden Gerichtes als nichtig aufzuheben (§ 477 Abs.1 Z.2 ZPO, der nach ständiger Rechtsprechung auch in Verfahren außer Streitsachen anzuwenden ist). Das Erstgericht wird nunmehr - durch seinen zuständigen Richter - eine neuerliche Entscheidung zu fällen haben. Mangels Geltung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes im Verfahren außer Streitsachen konnte jedoch die Nichtigerklärung des vorangegangenen Verfahrens unterbleiben.
Trotz Fehlens einer einschlägigen Judikatur des OGH konnte im Hinblick darauf, daß rekursgegenständlich eine Kostenfrage und überdies lediglich ein Betrag von S 8.420,-- ist, ein Rechtskraftvorbehalt gemäß § 14 Abs.4 AußStrG nicht ausgesprochen werden.
Landesgericht Salzburg