22R116/24z – LG Korneuburg Entscheidung
Kopf
Im Namen der Republik
Das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag. Jarec, LL.M. und Mag. Rak in der Rechts-sache der klagenden Partei A***** G***** GmbH , vertreten durch Stanonik Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei D***** L***** AG , vertreten durch Siemer – Siegl – Füreder Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 600,-- s.A. , infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 05.04.2024, 3 C 158/24x-14 (Berufungsinteresse: EUR 300,--), in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 211,63 (darin EUR 35,27 USt.) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwor-tung zu Handen der Beklagtenvertreter zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Fluggast M***** B***** verfügte über eine bestätigte Buchung für die Flüge [a] OS 129 ab Wien 02.09.2022, 10:10 Uhr, an Frankfurt 02.09.2022, 11:40 Uhr, und [b] LH 418 ab Frankfurt 02.09.2022, 13:10 Uhr, an Washington 02.09.2022, 16:00 Uhr . Der Flug LH 418 wurde annulliert und der Fluggast auf den Flug UA 933 ab Frankfurt 02.09.2022, 17:10 Uhr, an Washington 02.09.2022, 20:00 Uhr (planmäßige Ankunft) umgebucht und auch befördert. Der Flug UA 933 erreichte Washington jedoch bereits um 19:47 Uhr .
Mit der am 17.04.2023 beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien im Europäischen Mahnverfahren eingebrachten und in weiterer Folge an das Erstgericht überwiesenen Klage begehrte die Klägerin den Zuspruch von EUR 600,-- (ohne Zinsen) und brachte vor, dem Fluggast stehe eine "Entschädigung" [ richtig: ein Ausgleichsanspruch gemäß Art 7 Abs 1 EU-FluggastV] von EUR 600,-- zu. Dieser habe die Forderung mit Abtretungserklärung vom 19.10.2022 wirksam an sie abgetreten; sie habe die Abtretung angenommen.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren zunächst dem Grunde und der Höhe nach, beantragte die Abweisung der Klage; brachte dann jedoch vor, sie sei dazu berechtigt, die Ausgleichsleistung um 50 % zu kürzen, weil der Fluggast sein Endziel nicht später als vier Stunden nach planmäßiger Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges erreicht habe. Tatsächlich habe der Flug UA 933 Washington um 19:47 Uhr erreicht; die Verspätung sei somit unter vier Stunden gelegen. Der Klägerin stehe daher nur eine Ausgleichsleistung von EUR 300,-- zu; dieser Betrag werde anerkannt.
Die Klägerin replizierte, dass für das Kürzungsrecht nicht die tatsächlichen, sondern die planmäßigen Flugzeiten maßgeblich seien. Der Fluggast habe mit der Ersatzbeförderung sein Endziel planmäßig mit einer Verspätung von vier Stunden erreicht.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte, der Klägerin EUR 300,-- zu zahlen, das Mehrbegehren von EUR 300,-- wies es ab. Es folgerte aus dem unstrittigen Sachverhalt und dem Anerkenntnis der Beklagten, dass der Anspruch auf Ausgleichsleistung nach Art 5 iVm Art 7 EU-FluggastVO nur der Höhe nach strittig sei. Nach Art 7 Abs 2 lit c EU-FluggastVO könne das ausführende Unternehmen die Ausgleichszahlung um 50 % kürzen, wenn den Fluggästen eine anderweitige Beförderung mit einem Alternativflug angeboten werde, dessen Ankunftszeit bei Flügen über eine Entfernung von mindestens [ richtig: mehr als] 3.500 km nicht später als vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges liege. Die (unstrittige) planmäßige Ankunftszeit liege exakt vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit des eigentlich gebuchten Fluges; die (ebenfalls unstrittige) tatsächliche Ankunft sei sogar nur 3:47 Stunden nach der planmäßigen des annullierten Fluges erfolgt. Eine mehr als vier Stunden später erfolgte Ankunft mit der Ersatzbeförderung sei nicht ableitbar.
Gegen den abweisenden Teil dieses Urteiles richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Die Berufungswerberin hält der Rechtsansicht des Erstgerichtes entgegen, der EuGH habe ausgeführt, dass Ausgleichszahlungen gekürzt werden könnten, wenn die Verspätung bei einem Flug unter vier Stunden bleibe; dazu beruft sich die Berufungswerberin auf eine Literaturstelle ( Maruhn in Schmid , BeckOK Fluggastrechte-VO, Art 7 Rz 22.1 [ohne Nennung der Auflage]), die in der aktuellen Auflage nicht enthalten ist, sowie auf die Rechtsprechung des erkennenden Senates (22 R 40/16m) wonach es einer Verspätung von unter vier Stunden bedürfe, um den Einwand des Kürzungsrechtes zu entsprechen. Auf die tatsächliche Ankunftszeit der Ersatzverbindung sei nicht abzustellen.
Dem hält die Berufungsgegnerin entgegen, dass es völlig unklar sei, auf welcher Basis die Berufungswerberin zur Ansicht komme, dass für die Berechnung des Ausgleichsanspruches die geplante Ankunftszeit der Alternativbeförderung ausschlaggebend sei. Auch der OGH sei in seiner Rechtsprechung stets davon ausgegangen, dass die tatsächliche Ankunftszeit relevant sei und nicht die geplante.
Bereits das Erstgericht erörterte in der vorbereitenden Tagsatzung, dass im Zusammenhang mit dem Kürzungsrecht des Luftfahrtunternehmens die Frage strittig sei, ob es auf die tatsächliche oder auf die planmäßige Flugzeit der Ersatzbeförderung ankomme. Dies mag zwar umstritten sein, ist jedoch im konkreten Fall nicht von rechtlicher Relevanz: Nach dem klaren Wortlaut des Art 7 Abs 2 EU-FluggastVO kann der Anspruch auf Ausgleichsleistung halbiert werden, wenn der Fluggast mit der alternativen Beförderung sein Endziel bei Langstreckenflügen nicht später als vier Stunden erreicht ( Keiler in Staudinger/Keiler, Fluggastrechte-VO Art 7 Rz 24). Auch mit dieser Formulierung der Kommentierung wird nicht mehr als Verordnungstext wiedergegeben, wonach die Verspätung nicht größer als vier Stunden sein darf, um das Kürzungsrecht zuzubilligen; daraus ist der Schluss zu ziehen, dass eine vierstündige Verspätung der Inanspruchnahme des Kürzungsrechtes nicht entgegensteht.
Soweit sich die Berufungswerberin allenfalls auf Maruhn in Schmid , BeckOK Fluggastrechte-VO 31 , Art 7 Rz 35 bezieht, der – offenbar irrtümlich – von einer Verspätung von "unter vier Stunden" spricht und sich dabei auf LG Korneuburg 09.06.2016, 22 R 40/16m (= RRa 2017, 94) beruft, kann dies keineswegs den Standpunkt der Berufungswerberin stützen; die maßgebliche Passage in diesem Urteil (Seite 9) lautet: "...wenn die Verspätung nicht mehr als vier Stunden beträgt".
Zu guter Letzt sei darauf hingewiesen, dass die von der Berufungswerberin ins Treffen geführte "Rechtsprechung des EuGH" für das Berufungsgericht nicht auffindbar war; mangels näherer Hinweise, um welchen Fall es sich gehandelt haben könnte, konnte die Argumentation der Berufungswerberin nicht nachvollzogen werden. Gleiches gilt allerdings auch für die von der Berufungsgegnerin ins Treffen geführte "ständige Rechtsprechung des OGH".
Darauf, ob auf die planmäßige oder die tatsächliche Ankunftszeit des Ersatzfluges abzustellen ist, kommt es vorliegend nicht an, weil sowohl die tatsächliche Ankunftszeit als auch die planmäßige Ankunftszeit der Ersatzbeförderung derart gelagert sind, dass der Fluggast sein Endziel mit einer Verspätung von nicht mehr als vier Stunden gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit des annullierten Fluges erreichte, weshalb das Erstgericht den Ausgleichsanspruch zutreffend um die Hälfte gekürzt hat.
Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1 ZPO, 50 Abs 1 ZPO.
Die Revision ist nach § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.