JudikaturLG Korneuburg

22R6/24y – LG Korneuburg Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2024

Kopf

Beschluss

Das Landesgericht Korneuburg als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag. Mühleder und Mag. Rak in der Rechtssache der klagenden Partei A***** G***** GmbH , vertreten durch Stanonik Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei T***** H***** Y***** , vertreten durch Dr. Mehmet Saim Akagündüz, Rechtsanwalt in Wien, wegen (zuletzt) Kosten , infolge Rekurses der klagenden Partei gegen die in Urteilsform ergangene Kostenentscheidung des Bezirksgerichtes Schwechat vom 08.11.2023, 26 C 361/23t-6 (Rekursinteresse: EUR 630,48), in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 203,95 (darin EUR 33,99 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu Handen des Beklagtenvertreters zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Der Fluggast G***** D***** verfügte über eine bestätigte Buchung für die von der Beklagten durchzuführende Flugverbindung TK 1888 von Wien nach Istanbul am 01.09.2022 und TK 38 von Istanbul nach Johannesburg am 02.09.2022. Der Flug TK 38 ( Anmerkung: im Protokoll vom 24.10.2023, ON 5.3 sowie im erstinstanzlichen Urteil, ON 6 offenbar irrtümlich als TK 39 bezeichnet ) hätte planmäßig um 08:20 Uhr (UTC) in Johannesburg ankommen sollen, tatsächlich kam er jedoch erst um 12:13 Uhr (UTC) an. Der Fluggast trat seine Forderung aus dem gegenständlichen Flug gegen die Beklagte an die Klägerin ab; diese nahm die Abtretung auch an. Die Flugstrecke von Wien nach Johannesburg beträgt mehr als 3.500 km.

Mit Klage vom 12.05.2023 beantragte die Klägerin den Zuspruch einer Ausgleichszahlung von EUR 600,-- gemäß Art 5 Abs 1 lit c iVm Art 7 Abs 1 lit c der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (EU-FluggastrechteVO). Sie habe die Beklagte mit Schreiben vom 26.03.2023 aufgefordert, die zustehende Ausgleichszahlung zu leisten. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 27.03.2023 geantwortet, dass die Verspätung wegen eines Flugzeugwechsels aufgrund von Schäden in der Luft aufgetreten sei. Sie habe im selben Schreiben ausgeführt, dass sie die geforderte Bezahlung nicht leisten werde. Die Klagsführung sei daher notwendig.

Nachdem die Beklagte im Schriftsatz vom 03.08.2023 eingewendet hatte, dass sie berechtigt sei, die Ausgleichszahlung gemäß Art 7 Abs 2 lit c EU-FluggastrechteVO um 50 % zu kürzen, weil der Fluggast sein Endziel nicht später als vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erreicht habe, und sie eine Ausgleichszahlung von EUR 300,-- anerkenne, schränkte die Klägerin das Klagebegehren mit Schriftsatz vom 10.10.2023 auf den Ersatz der Prozesskosten ein; einerseits weil die Beklagte vom Kürzungsrecht Gebrauch gemacht habe, andererseits weil sie die Ausgleichszahlung von EUR 300,-- [zwischenzeitig] geleistet habe.

Die Beklagte beantragte durchwegs die Abweisung des jeweils gegenständlichen Klagebegehrens. Sie habe ungeachtet der kostenersatzrechtlichen Folgen der Überklagung die Verfahrenskosten gemäß § 45 ZPO nicht zu ersetzen, weil sie kein Aufforderungsschreiben erhalten und den Anspruch vor Streiteinlassung anerkannt habe.

Mit dem angefochtenen Urteil verhielt das Erstgericht die Beklagte zum Kostenersatz an die Klägerin von EUR 34,-- (zur Gänze privilegierte Barauslagen). Es traf die auf der Seite 2 der Urteilsausfertigung ON 6 ersichtlichen Feststellungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. In rechtlicher Hinsicht folgerte es, dass die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 26.03.2023 zur Zahlung einer Ausgleichsleistung von EUR 600,-- aufgefordert und die Beklagte mit E-Mail vom 27.30.2023 eine Zahlung abgelehnt habe. Diese habe somit grundsätzlich Veranlassung zur Klagsführung gegeben. Dass das Kürzungsrecht ausdrücklich eingewandt werden müsse, stelle keine prozessuale Besonderheit dar, die ein Abgehen vom sonst im Prozesskostenrecht vorrangig verankerten Erfolgsprinzip rechtfertigen würde. § 45 ZPO sei daher auch in der vorliegenden Konstellation nicht analog anzuwenden. Im Ergebnis habe die Klägerin im ersten Verfahrensabschnitt bis zur Klagseinschränkung zur Hälfte obsiegt. Aus diesem Grund sei auch im zweiten Abschnitt von einem gleichteiligen Obsiegen auszugehen. Die Verfahrenskosten seien daher in beiden Abschnitten nach § 43 Abs 1 ZPO gegenseitig aufzuheben. Eine Ausnahme bilde nach § 43 Abs 1 dritter Satz ZPO nur die Pauschalgebühr, deren Hälfte die Beklagte der Klägerin zu ersetzen habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass die Beklagte verpflichtet werde, ihr die mit EUR 664,48 bestimmten Kosten dieses Verfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin moniert, dass die Klagseinschränkung aufgrund der Zahlung von EUR 300,-- sowie des von der Beklagten im Prozess geltend gemachten Kürzungsrechts gemäß Art 7 Abs 2 EU-FluggastrechteVO erfolgt sei. Im außergerichtlichen Schreiben der Beklagten habe sich kein Hinweis darauf befunden, dass sie von ihrem Kürzungsrecht Gebrauch machen werde. Es habe daher zu keinem Zeitpunkt eine Überklagung vorgelegen, sondern das Kürzungsrecht stehe erst ab dessen Geltendmachung zu. Vor diesem Zeitpunkt habe der geltend gemachte Anspruch zur Gänze zu Recht bestanden, weil das Kürzungsrecht nur über Einrede zu beachten sei. Im ersten Verfahrensabschnitt (bis zur Klagseinschränkung auf Kosten) sei daher von ihrem gänzlichen Obsiegen auszugehen, auch nach Klagseinschränkung habe sie zur Gänze obsiegt, sodass ihr der volle Kostenersatzanspruch zustehe.

Der Argumentation der Rekurswerberin überzeugt nicht:

Zutreffend ist, dass die Kürzung des Ausgleichsanspruchs gemäß Art 7 Abs 2 EU-FluggastVO nur über entsprechenden Einwand des in Anspruch genommenen Luftfahrtunternehmens eintreten kann und daher ohne entsprechenden Einwand von den Gerichten nicht von amtswegen wahrzunehmen ist ( Führich in Führich/Staudinger, Reiserecht 7 § 42 Rn 5; Keiler in Staudinger/Keiler, FluggastrechteVO Art 7 Rz 27, Maruhn in BeckOK FluggastrechteVO 31 Art 7 Rz 34).

Wie das Erstgericht unter Berufung auf Judikatur des Landesgerichtes Korneuburg bereits richtig aufzeigte, stellt der Umstand, dass dieser Einwand ausdrücklich erhoben worden sein muss, aber keine prozessuale Besonderheit dar, die ein Abgehen vom sonst im Prozesskostenrecht vorrangig verankerten Erfolgsprinzip rechtfertigen würde. So sind unzählige andere anspruchsvernichtende Umstände nur über entsprechenden Einwand wahrzunehmen, wie etwa Preis- oder Mietzinsminderungsrechte, die Irrtumsanfechtung oder die Verkürzung über die Hälfte, ohne dass dies zu einer analogen Anwendung des eine Ausnahme vom Erfolgsprinzip darstellenden § 45 ZPO führen würde (LG Korneuburg 22 R 59/20m, 22 R 202/20s).

Auch wenn die Beklagte ihr Kürzungsrecht vorprozessual nicht geltend gemacht hatte, so waren der Klägerin die Umstände, welche die Beklagte zur Anspruchskürzung berechtigten – nämlich die das Ausmaß von vier Stunden nicht übersteigende Ankunftsverspätung – bereits bei Klagseinbringung bekannt, sodass auch aus diesem Grund keine besondere Schutzwürdigkeit der Rekurswerberin erkennbar ist, die ein Abgehen vom Erfolgsprinzip rechtfertigen würde.

Die Argumentation der Rekurswerberin, die darauf abzielt, das „hohe Schutzniveau“ der EU-FluggastVO (ErwGr 1 zur VO) auch auf das innerstaatliche Prozesskostenrecht durchschlagen zu lassen, überzeugt schon systematisch nicht.

Im Ergebnis hat daher die Rekurswerberin im ersten Verfahrensabschnitt (bis zur Klagseinschränkung) zur Hälfte obsiegt, sodass die Verfahrenskosten gegeneinander aufzuheben sind (§ 43 Abs 1 ZPO). Davon ausgenommen ist gemäß § 43 Abs 1 Satz 3 ZPO die Pauschalgebühr.

Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin hat sie allerdings auch nach Klagseinschränkung auf Kosten nicht voll obsiegt: Wird das Klagebegehren auf Kosten eingeschränkt, ist die Frage, ob das Klagebegehren berechtigt erhoben wurde, als Vorfrage zu lösen ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka ZPO 5 §§ 237 f Rz 12). Da der Klagsanspruch im ersten Verfahrensabschnitt zur Hälfte zu Recht bestanden hat, ist auch im zweiten Abschnitt von einem gleichteiligen Obsiegen auszugehen.

Im Ergebnis sind daher sämtliche Verfahrenskosten erster Instanz gegeneinander aufzuheben (§ 43 Abs 1 ZPO); davon ausgenommen ist gemäß § 43 Abs 1 Satz 3 ZPO die Pauschalgebühr, deren Hälfte die Beklagte der Rekurswerberin zu ersetzen hat.

Dem Rekurs war somit nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung für das Rekursverfahren gründet auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Österreichische USt ist entgegen dem Grundfall zu RS0114955 zuzusprechen, weil der Beklagtenvertreter – wie zuletzt aus dem Rubrum der Rekurs- beantwortung ersichtlich – seine Leistungen zugunsten der österreichischen Zweigniederlassung der Beklagten erbringt und diese daher im Inland zu versteuern sind (vgl § 3a Abs 6 UStG 1994; OLG Wien 4 R 177/23p)

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

Rückverweise