22R219/21t – LG Korneuburg Entscheidung
Kopf
Beschluss
Das Landesgericht Korneuburg als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Dr. Futterknecht, LL.M., BSc und Mag. Rak in der Rechtssache der klagenden Partei A***** G***** GmbH, vertreten durch Stanonik Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei L***** GmbH , vertreten durch Brenner Klemm Rechtsanwälte in Wien, wegen zuletzt Prozesskosten , infolge Rekurses der beklagten Partei gegen die in Urteilsform ergangene Kostenentscheidung des Bezirksgerichts Schwechat vom 27.04.2021, 26 C 363/20g-8 (Rekursinteresse: EUR 958,50), in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben, die angefochtene Kostenentscheidung aufgehoben und an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Fluggast D***** B***** verfügte zur Buchungsnummer P88LYX über eine bestätigte Buchung bei der Beklagten für den Flug OE 1313 von Rom nach Wien am 25.06.2019. Der Flug wurde von der Beklagten durchgeführt, kam jedoch aus einem von der Beklagten zu verantwortenden Umstand mit einer drei Stunden übersteigenden Verspätung in Wien an. Der Fluggast trat seine Ansprüche auf Zahlung einer Ausgleichsleistung hinsichtlich des zur Buchungsnummer P99LYX gebuchten Fluges am 25.06.2019 an A***** Limited ab, welche diese Abtretung annahm und die Forderung am 01.07.2020 an die Klägerin abtrat, welche diese Forderungsabtretung ihrerseits annahm. Die Flugstrecke von Wien nach Rom umfasst nicht mehr als 1.500 Kilometer. Am 15.12.2020 erhielt die Klägerin eine Zahlung der Beklagten von EUR 250,--.
Mit der beim Erstgericht am 19.10.2020 eingebrachten Mahnklage begehrte die Klägerin gemäß Art 7 EU-FluggastVO die Zahlung von EUR 250,-- und brachte dazu über den zuvor dargestellten außer Streit stehenden Sachverhalt hinaus vor, sie habe die Beklagte mit anwaltlichem Mahnschreiben vom 01.07.2020 von der Abtretung in Kenntnis gesetzt und zur Zahlung aufgefordert. Das Mahnschreiben sei am 06.07.2020 an die E-Mail-Adresse c*****.com ersendet worden. Die Beklagte haben den Erhalt des Mahnschreibens per E-Mail vom 07.07.2020 bestätigt. Es sei keine weitere Reaktion auf das Mahnschreiben gefolgt, insbesondere keine Aufforderung, die Abtretung nachzuweisen. Sie sei somit zur Klagsführung genötigt gewesen und sei diese nach mehr als drei Monaten des Zuwartens jedenfalls gerechtfertigt gewesen. Im vorbereitenden Schriftsatz vom 25.02.2020 schränkte sie das Klagebegehren auf Kosten ein.
Die Beklagte anerkannte den Ausgleichsanspruch von EUR 250,-- im Einspruch und brachte vor, sie hätte den Betrag auch bereits zur Anweisung gebracht. Sie habe jedoch nach Erhalt des Aufforderungsschreibens durch die Klägerin um Übermittlung der Vollmacht des Fluggastes ersucht. Den ersten Kundendienst der Beklagten würden Mitarbeiter in Polen übernehmen. Diese seien mit der juristischen Terminologie nicht vertraut, sodass sie in der Antwort-E-Mail auf das Aufforderungsschreiben der Klägerin lediglich die Vorlage einer Vollmacht verlangt hätten. Gemeint sei jedoch gewesen, dass die Klägerin ihre Aktivlegitimation nachweise. Ohne Vorlage einer entsprechenden Vollmacht könne sie den Anspruch schon aus datenschutzrechtlichen, aber auch aus zivilrechtlichen Gründen nicht bearbeiten. Die Klägerin sei diesem Ersuchen nicht nachgekommen, weshalb die Beklagte keinen Anlass zur Klagsführung gegeben habe.
Mit der angefochtenen , in Urteilsform ergangenen Kostenentscheidung vom 27.04.2021 erkannte das Erstgericht die Beklagte schuldig, der Klägerin die mit EUR 453,90 (darin enthalten EUR 45,-- Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen. Abgesehen von dem eingangs wiedergegebenen, außer Streit stehenden Sachverhalt stellte das Erstgericht folgenden Sachverhalt fest:
„Mit E-Mail vom 6.7.2020, der Beklagten am selben Tag zugestellt, übermittelte die Klagevertreterin ein Aufforderungsschreiben an die Beklagte, in welchem sie darauf hinwies, dass der Anspruch des Fluggastes D***** B***** auf Zahlung einer Ausgleichsleistung hinsichtlich des zur Buchungsnummer P88LYX gebuchten Flugs OE 1313 am 25.6.2019 von Rom nach Wien an die Klägerin abgetreten worden sei; aufgrund der Annullierung des Flugs OE 1313 forderte sie die Beklagte weiters auf, eine Ausgleichsleistung in Höhe von EUR 250,-- samt Vertretungskosten in Höhe von EUR 56,94 bis zum 29.7.2020 auf ihr Kanzleikonto zu zahlen. Inkassozessionen von Fluggästen stellen das Kerngeschäft der Klägerin dar, weshalb die Parteien laufend wegen Ansprüchen von Fluggästen der Beklagten in Kontakt stehen.“
In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht, Voraussetzung für die Anwendung des § 45 ZPO sei, dass die Beklagte zur Klageführung keinen Anlass geboten habe, die Beklagte den Klagsanspruch unverzüglich anerkenne und ihn unverzüglich erfülle. Bei Leistungsklagen sei die Veranlassung zur Klagsführung in der Regel zu bejahen, wenn der Anspruch trotz Fälligkeit nicht erfüllt worden sei. Dem Schuldner müsse im Fall einer Zession zwar grundsätzlich zugebilligt werden, vom Zessionar einen Nachweis für die behauptete Abtretung anzufordern, bevor er eine Zahlung annimmt. Da jedoch die Beklagte die Vorlage einer Vollmacht gefordert habe, habe die Klägerin nicht davon ausgehen müssen, dass die Beklagten tatsächlich um Vorlage der Abtretungserklärung ersucht habe und im Falle deren Vorlage zahlungsbereit gewesen wäre. Der Anspruch sei am 30.07.2020 fällig gewesen und somit von der Beklagten trotz Fälligkeit nicht erfüllt worden.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass die Klägerin verpflichtet werde, der Beklagten die Verfahrenskosten von EUR 504,60 zu ersetzen.
Die Klägerin beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Sinne des vom Abänderungsantrag umfassten Aufhebungsantrags berechtigt.
Die Rekurswerberin begehrt die Abänderung der angefochtenen Kostenentscheidung dahin, dass der ihr auferlegte Kostenersatz von EUR 453,90 entfallen soll und ihr Kosten von EUR 504,60 zugesprochen werden mögen. Das Rekursinteresse ist die Summe des Begehrens, das aberkannt werden soll und des Begehrens, das zugesprochen werden soll, sohin EUR 958,50.
Die Rekurswerberin moniert zunächst, die mit am 04.03.2021 eingebrachten vorbereitenden Schriftsatz vorgenommene Klagseinschränkung sei in Anbetracht der Tatsache, dass die Zahlung bereits am 15.12.2020 erfolgt sei, nicht bei erster Gelegenheit erfolgt. Zudem sei es der Beklagten zuzubilligen, die Klagevertreter um Übermittlung eines Nachweises der Aktivlegitimation zu ersuchen (welche gegenständlich auf eine Abtretung gründe). Die weiteren Ausführungen, wonach das Erstgericht den Umstand, es handle sich bei den in Polen im Kundendienst tätigen Mitarbeitern nicht um Juristen, völlig außer Acht gelassen habe und dass aus dem Schreiben eindeutig hervorgehe, die Beklagte hätte den Nachweis der Aktivlegitimation begehrt, gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sodass die Rechtsrüge diesbezüglich nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RIS-Justiz RS0043312).
Nach dem Wortlaut des § 45 ZPO darf der Beklagte zur Klagsführung keinen Anlass geboten haben und muss dieser den Klagsanspruch unverzüglich anerkannt haben. Nur wenn beide Voraussetzungen kumulativ zutreffen, kann § 45 ZPO angewendet und dem obsiegenden Kläger die Kostenlast auferlegt werden ( M. Bydlinski in Fasching / Konecny , Zivilprozessgesetze 3 § 45 ZPO, Rz 1). Bei Leistungsklagen ist die Veranlassung zur Klageführung in der Regel zu bejahen, wenn der Anspruch trotz Fälligkeit nicht erfüllt wurde, wobei eine zusätzliche Mahnung in der Regel nicht erforderlich ist ( M. Bydlinski in Fasching / Konecny , Zivilprozessgesetze 3 § 45 ZPO, Rz 3). Zudem genügt bei Leistungsklagen zur Anwendung des § 45 ZPO nicht die bloße Anerkennung, es bedarf der Erfüllung (RIS-Justiz RW0000701).
Anders als für die Rückerstattung der Flugscheinkosten gemäß Art 8 Abs 1 lit a erster Spiegelstrich EU-FluggastVO ergibt sich für Ausgleichsansprüche nach Art 7 keine Leistungsfrist aus der Verordnung selbst. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist es in Ermangelung einer entsprechenden unionsrechtlichen Regelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats, die Verfahrensmodalitäten für Klagen festzulegen, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten den Äquivalenz- und den Effektivitätsgrundsatz wahren (EuGH 22.11.2012, C-139/11 Moré/KLM Rz 25). Damit ist auch hinsichtlich der Zahlungsfrist für Ansprüche nach Art 7 EU-FluggastVO auf nationales Recht zurückzugreifen.
Zur Frage, welches Sachrecht auf den zwischen den Klägern einerseits und der Beklagten andererseits abgeschlossenen Luftbeförderungsvertrag anzuwenden ist, haben die Parteien jedoch kein Tatsachenvorbringen erstattet (§ 271 Abs 2 ZPO). Aus der Beilage ./A ergibt sich, dass der Passagier, dessen Ansprüche an die Klägerin abgetreten wurde, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei hat. Da bis dato von den Parteien keine Rechtswahl behauptet wurde, wäre das anzuwendende Recht somit nach Art 5 Abs 2 Rom-I-VO zu bestimmen. Da dieser Aspekt jedoch bislang mit den Parteien nicht erörtert wurde (RIS-Justiz RS0037300), war es unumgänglich, die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung eine neuerliche Entscheidung aufzutragen. Es wird im weiteren Verfahren mit den Parteien zu erörtern haben, ob allenfalls die Anwendbarkeit österreichischen Rechts nach Art 3 Rom-I-VO vereinbart wurde, und sodann Feststellungen zu treffen haben, aus denen sich die Fälligkeit des gegenständlichen Anspruchs und die damit verbundenen Frage der Veranlassung zur Klageführung klären lässt.
Wenngleich die Rekurswerberin nur einen Abänderungsantrag stellte, enthält dieser auch einen Aufhebungsantrag (vgl OGH 5 Ob 207/02f).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.