22R172/21f – LG Korneuburg Entscheidung
Kopf
Beschluss
Das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag. Jarec, LL.M. und Mag. Rak in der Rechtssache der klagenden Partei A***** G***** GmbH , vertreten durch Stanonik Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei L***** GmbH , vertreten durch Brenner Klemm, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 500,-- s.A., infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 26.01.2021, 26 C 109/20d-10, in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Fluggäste U**** N***** und S***** P***** verfügten über eine bestätigte Buchung für den von der Beklagten durchgeführten Flug OE 2308 ab Stuttgart (STR) 27.11.2019, 11:35 Uhr, an Mailand-Bergamo (BGY) 27.11.2019, 12:40 Uhr. Der Flug startete um 15:32 Uhr und landete um 16:34 Uhr. Die Fluggäste traten ihre Ansprüche auf Ausgleichsleistung am 08.01.2021 an die im deutschen Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Klägerin ab, diese nahm die Abtretungen an. Die Flugstrecke von Stuttgart nach Mailand-Bergamo beträgt nach der Großkreisberechnung nicht mehr als 1.500 km.
Mit der beim Erstgericht am 12.06.2020 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von EUR 500,-- (ohne Zinsen) und brachte vor, es seien keine außergewöhnlichen und insbesondere wetterbedingten Umstände oder sonstige Ausschlussgründe nach der EU-FluggastVO vorgelegen. Nebel im November trete in mitteleuropäischen Breiten sehr oft auf. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Krakau davon eine Ausnahme darstellen sollte. Weshalb die Beklagte erst um 10:38 Uhr Ortszeit am Ausweichflughafen Kattowitz gelandet sei, sei nicht ersichtlich. Die vermeintlich außergewöhnlichen Wetterumstände seien zum geplanten Abflugzeitpunkt bekannt gewesen. Zum verspäteten Abflug des (Vorvor-)Fluges OS 2360 gäbe es kein Vorbringen. Zum Zeitpunkt der geplanten Landung des Fluges OE 2360 hätten am Flughafen Krakau Sichtweiten von 600 bis 800 Meter geherrscht, die Sichtweiten hätten sich verbessert. Die Beklagte habe nicht dargetan, weshalb die Überstellung des Fluggerätes nach Stuttgart zur Durchführung des Fluges nicht möglich gewesen sei. Die Überstellung eines Fluggerätes und der damit zusammenhängende Leerflug seien genau der Fall, den die Rechtsprechung wohl meine, wenn sie die Beischaffung eines Ersatzfluggerätes anführe. Es sei nicht vorgebracht worden, mit welchen Kosten die Durchführung des Leerfluges verbunden wäre und wie diese in Relation zum Umsatz der Beklagten stünde, damit beurteilt werden könnte, ob diese Maßnahme der Beklagten unzumutbare Opfer abverlangt hätte. Während des ersten Lockdowns im Frühling 2020 habe die Beklagte Leerflüge durchgeführt und nahezu gar keine Umsätze gemacht.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, dass für den Flug OE 2308 das Fluggerät OE-LOW vorgesehen gewesen sei. Dieses habe die Flüge OE 2360 und 2361 von Stuttgart nach Krakau und zurück durchzuführen gehabt. Der Abflug des Fluges OE 2360 sei um 07:35 Uhr geplant gewesen und tatsächlich erst um 07:53 Uhr erfolgt. Die Ankunft in Krakau sei für 09:05 Uhr geplant gewesen. Aufgrund des im geplanten Landezeitpunkt in Krakau herrschenden dichten Nebels, der eine sichere Landung nicht zugelassen hätte, habe der Flug nach Kattowitz ausweichen müssen. Die Entscheidung, nicht am Flughafen Krakau zu landen, habe auf der Entscheidung des Kapitäns beruht. Diese sei aufgrund der nautischen Entscheidungsgewalt des Piloten nicht zu hinterfragen. Das Fluggerät habe auf die Verbringung der Fluggäste des Fluges OE 2361 von Krakau nach Kattowitz und die Startfreigabe der Flugsicherung warten müssen. Der Abflug sei um 14:40 Uhr und die Landung in Stuttgart um 16:10 Uhr erfolgt. Um weitere Verspätungen hintanzuhalten, habe sie ihren Flugplan neu organisiert. Um den Flug OE 2308 durchzuführen zu können, sei die Anmietung eines Flugzeuges einer Fremdairline, der Ryanair D.A.C erfolgt. Die Bestätigung von Ryanair D.A.C habe sie um 10:17 Uhr erhalten. Der Flug OE 2309 habe nahezu plangemäß durchgeführt werden können. Der Abflug in Bergamo sei für 13:05 Uhr geplant gewesen, das Fluggerät sei um 13:17 Uhr „airborne“ gewesen. Die Ankunft in Stuttgart sei um 14:06 Uhr statt wie geplant um 14:05 Uhr erfolgt. Anschließend sei der hier gegenständliche Flug OE 2308 mit dem Fluggerät der Ryanair D.A.C durchgeführt worden. Die Durchführung eines Leerfluges von Bergamo nach Stuttgart, um zuerst den Flug OE 2308 durchzuführen, wäre auch angesichts des Umstandes, dass das Fluggerät nach Durchführung des Fluges OE 2309 von Bergamo nach Stuttgart wieder an seine Basis nach Bergamo hätte verbracht werden müssen und damit ein Leerflug von Stuttgart aus erforderlich gewesen wäre, wirtschaftlich nicht zumutbar gewesen. Die umgekehrte Durchführung der Rotation OE 2308/OE 2309 sei die einzig zumutbare Maßnahme gewesen. Eine Umbuchung der Passagiere des Fluges OE 2308 wäre nicht tunlich gewesen, da andernfalls ein Leerflug von Stuttgart nach Bergamo hätte durchgeführt werden müssen, um das angemietete Fluggerät wieder an seine Basis nach Bergamo überstellen zu können, was mit hohen Kosten für die Beklagte verbunden gewesen wäre. Überdies wären durch die Umbuchung weitere Kosten für die Beklagte entstanden, was zu einer finanziellen Mehrfachbelastung durch die Anmietung des Flugzeuges bzw. den durchzuführenden Leerflug zuzüglich der Kosten für die Umbuchung geführt hätte. Dies wäre der Beklagten aus wirtschaftlicher Sicht keinesfalls zumutbar gewesen. Es würden für die Verspätung jedenfalls außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO vorliegen. Die Beklagte habe zu dem Zeitpunkt, in dem sie die Anmietung eines Ersatzflugzeuges Ryanair D.A.C vorgenommen habe, nicht gewusst, dass die Verspätung des klagsgegenständlichen Fluges größer als drei Stunden sein würde.
Weiters verwies die Beklagte auf das zu 18 C 16/20v am Bezirksgericht Schwechat anhängige Verfahren, in dem für 17.02.2021 eine Beweistagsatzung anberaumt worden sei, und regte die Unterbrechung des gegenständlichen Verfahrens bis zum rechtskräftigen Ausgang des Parallelverfahrens zu 18 C 16/20v an.
Die Klägerin äußerte sich nicht zum Unterbrechungsantrag.
In der vorbereitenden Tagsatzung vom 03.12.2020 erörterte das Erstgericht mit den Parteien das vorgetragene Sach- und Rechtsvorbringen. Auf den Unterbrechungsantrag ging es nicht ein.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt und folgerte aus dem vorgetragenen Sachverhalt, dass gemäß Art 5 Abs 1 lit c iVm Art 7 Abs 1 lit a EU-FluggastVO einem Fluggast bei der Annullierung eines Fluges über eine Entfernung von 1.500 km oder weniger ein Ausgleichsanspruch von EUR 250,-- gebühre. Nach der Rechtsprechung des EuGH seien dabei Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruches den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt und könnten einen Ausgleichsanspruch ebenfalls geltend machen, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden würden. Eine Ausgleichsleistung sei nach Art 5 Abs 3 der Verordnung nicht zu leisten, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen nachweisen könne, dass die Annullierung oder Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Selbst wenn am Flughafen Krakau dichter Nebel geherrscht habe, der zu einer Umleitung des Fluges OE 2360 geführt habe und diese Umstände als außergewöhnlich qualifiziert würden, könnte sich die Beklagte von der Pflicht zur Zahlung einer Ausgleichsleistung nur dann befreien, wenn sie behaupte und beweise, dass sich die außergewöhnlichen Umstände oder deren Folgen nicht durch der Situation angemessenen Maßnahmen hätten vermeiden lassen, sohin solche, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die entsprechenden außergewöhnlichen Umstände aufgetreten seien, für die Beklagte insbesondere in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht tragbar gewesen seien. Sie habe zu behaupten und nachzuweisen, dass es ihr auch unter Einsatz aller ihr zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht möglich gewesen wäre, ohne angesichts ihrer Kapazitäten zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer die außergewöhnlichen Umstände, die große Verspätung oder deren Folgen zu vermeiden. Die Beklagte habe zwar letztlich unsubstanziiert vorgebracht, dass die Verbringung eines Ersatzflugzeuges eine größere als dreistündige Verspätung zur Folge gehabt hätte. Es erschließe sich jedoch nicht, ob sie auch versucht habe, ein Ersatzflugzeug allenfalls von einem anderen Anbieter als ihrer Muttergesellschaft anzumieten, das sich bereits am Flughafen Stuttgart befunden habe. Das Luftfahrtunternehmen habe auch bei einer drei Stunden nur knapp überschreitenden Verspätung darzulegen, ob und welche Umbuchungsmöglichkeiten bestanden hätten, die den Fluggast früher an sein Endziel gebracht hätten. Die Beklagte habe eine Umbuchung der Fluggäste nach ihrem eigenen Vorbringen gar nicht geprüft, sondern ihren Flugplan geändert. Das Vorbringen, der Leerflug von Stuttgart nach Mailand-Bergamo sei mit hohen Kosten verbunden gewesen, reiche nicht aus, Leerflüge seien nicht jedenfalls unzumutbar; das Luftfahrtunternehmen habe vorzubringen, warum ihm ein Leerflug im Einzelfall unzumutbar wäre. Die Beklagte habe nicht konkret dargelegt, mit welchen Kosten der Leerflug und eine Umbuchung der Passagiere des Fluges OE 2308 verbunden gewesen wären, und in welcher Relation diese Kosten zu der Kapazität gestanden hätten. Das Vorbringen sei nicht ausreichend, um davon ausgehen zu können, dass die Umbuchung der Fluggäste des Fluges OE 2308 auf andere Flüge ein nicht tragbares Opfer für die Beklagte dargestellt hätte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist mit ihren hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag berechtigt .
Die Berufungswerberin steht auf dem Standpunkt, dass die Sichtweiten in Krakau, die zu einer Ausweichlandung geführt hätten, einen außergewöhnlichen Umstand begründen. Bereits dadurch sei eine zumutbare Maßnahme ergriffen worden. Sie habe, um den Flugplan aufrecht zu erhalten, ein Ersatzfluggerät angemietet; andere Maßnahmen wären für sie nicht wirtschaftlich und nicht zumutbar gewesen.
Die Berufungsgegnerin hält dem entgegen, dass das Erstgericht nicht abschließend geprüft habe, ob der von der Berufungswerberin behauptete Nebel beim Landeversuch des Vorvorfluges OE 2360 in Krakau einen außergewöhnlichen Umstand dargestellt hätte und verweist darauf, dass das Auftreten von Nebel im Herbst in mitteleuropäischen Breiten häufig vorkomme; dieses Wetterphänomen könne schon aufgrund seiner Art keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen. Zu den zumutbaren Maßnahmen trägt die Berufungsgegnerin vor, die Berufungswerberin habe überhaupt keine Angaben machen können, welchen Aufwand die Anmietung einer Ersatzmaschine verursacht hätte und warum die Durchführung eines Leerfluges wirtschaftlich nicht zumutbar sei.
Die Berufungswerberin ist insoweit im Recht, als sie in einem ausreichenden Ausmaß einen Sachverhalt vortrug, der – würde er vom Erstgericht so festgestellt – einen auf dem Vorvorflug eingetretenen außergewöhnlichen Umstand darstellen würde, der unmittelbar ursächlich für die große Ankunftsverspätung des gegenständlichen Fluges war.
Das Erstgericht hat sich nicht näher mit dem Vorbringen der Beklagten in der vorbereitenden Tagsatzung auseinandergesetzt, mit dem sich die Beklagte auf die nautische Entscheidungsgewalt des Piloten stützte. Grundsätzlich kann die Entscheidung des Piloten, dass eine Landung des Flugzeuges wegen schlechter Wetterbedingungen zu gefährlich ist, wegen der nautischen Entscheidungsgewalt des Piloten nur eingeschränkt auf grobe Fehler überprüft werden. Ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein Unvermögen des Piloten oder für den Einsatz eines ungeeigneten Fluggerätes, kann sich das Luftfahrtunternehmen gemäß Art 5 Abs 3 EU-FluggastVO entlasten, wenn die Verspätung – hier des Folgefluges – auf das Unterbleiben der planmäßigen Landung zurückzuführen ist. Im Dienste der Flugsicherheit getroffene Pilotenentscheidung sollen im Allgemeinen nicht der Einhaltung von Flugplänen und – daraus folgend – der Vermeidung von Ausgleichsansprüchen geopfert werden (RKO0000019). Zur nautischen Entscheidungsgewalt gehört auch der Umstand, welchen Ausweichflughafen die Piloten im konkreten Fall in Anspruch nehmen (LG Korneuburg 03.11.2020, 22 R 225/20y = RKO0000028; 05.01.2021, 22 R 293/20y).
Nach dem vorgetragenen, jedoch vom Erstgericht nicht überprüften Sachverhalt ist auch der unmittelbare ursächliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieses am Vorvorflug eingetretenen Umstandes und der Verspätung des gegenständlichen Fluges zu bejahen (EuGH Urteil vom 22.04.2021 in der Rechtssache C-826/19 Austrian Airlines Rn 56).
Insgesamt war das von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren erstattete Tatsachenvorbringen ausreichend, um es als hinreichenden Sachverhaltsvortrag zum Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes als Ursache für die Verspätung des klagsgegenständlichen Fluges zu werten.
Zu Recht haben sich die Streitteile und das Erstgericht in weiterer Folge mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Beklagte einen ausreichenden Sachverhaltsvortrag zum Ergreifen sämtlicher ihr zumutbaren Maßnahmen erstattet hat oder nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist das ausführende Luftfahrtunternehmen von der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung an einen Fluggast befreit, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung des Fluges bzw. dessen um drei Stunden oder mehr verspätete Ankunft auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, und es bei Eintritt eines solchen Umstandes die der Situation angemessenen Maßnahmen ergriffen hat, in dem es alle ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel eingesetzt hat, um zu vermeiden, dass dieser Umstand zur Annullierung oder großen Verspätung des betreffenden Fluges führt, ohne dass jedoch von ihm angesichts der Kapazitäten seines Unternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer verlangt werden könnten (siehe zuletzt Beschluss vom 14.01.2021 in der Rechtssache C-264/20 Airhelp Rn 28). Dazu gehört auch der Rückgriff auf ein Ersatzflugzeug (Beschluss Airhelp Rn 32). Die Durchführung eines Leerfluges wird vom erkennenden Senat grundsätzlich als zumutbare Maßnahme angesehen (LG Korneuburg 10.09.2020, 22 R 153/20k).
Die Beklagte hat sich im erstinstanzlichen Verfahren auf zwei Faktoren gestützt, um zu untermauern, dass die Durchführung eines Leerfluges zur Vermeidung der großen Ankunftsverspätung des gegenständlichen Fluges ihr nicht zumutbar war. Zum einen verwies sie auf den Kostenaufwand des Leerfluges, zum anderen auf die Notwendigkeit, nach Durchführung des gegenständlichen Fluges mit dem Ersatzfluggerät einen weiteren Leerflug durchführen zu müssen (vorbereitender Schriftsatz ON 5, Punkte 15. und 22.). Die Klägerin replizierte im erstinstanzlichen Verfahren darauf, dass weder die Kosten der Durchführung des Leerfluges noch deren Relation zum Umsatz der Beklagten aus dem Vorbringen erkennbar sei.
Der erkennende Senat teilt die Rechtsprechung des EuGH, der von nicht tragbaren Opfern spricht und den Einsatz aller zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel verlangt (Hervorhebungen durch den erkennenden Senat). Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass sämtliche Maßnahmen sowohl zur Vermeidung der außergewöhnlichen Umstände selbst, zur Vermeidung einer daraus resultierenden Annullierung bzw. großen Verspätung oder zur Vermeidung der unerwünschten Folgen für den einzelnen Fluggast (vgl. RKO0000014) mit einem nicht unerheblichen Kostenaufwand verbunden sind. Diese Kosten sind nach der Rechtsprechung des EuGH den Kapazitäten des Luftfahrtunternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt gegenüberzustellen.
Wie die Berufungswerberin zutreffend aufzeigt, reicht das dazu von ihr im erstinstanzlichen Verfahren erstattete Vorbringen aus, um zum Ergebnis zu gelangen, dass damit hinreichende Behauptungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH aufgestellt wurden. Die von der Beklagten behauptete Maßnahme führte dazu, dass OE 2309 als Vorflug annähernd pünktlich durchgeführt werden konnte; der gegenständliche Flug mit fast vier Stunden Verspätung. Selbst bei Durchführung zweier Leerflüge hätte der gegenständliche Flug immer noch zwei Stunden Verspätung aufgewiesen; der Flug OE 2309 hätte hingegen eine zweistündige Verspätung erlitten. Auch ohne konkretes Vorbringen der Beklagten zu dem mit einem Leerflug verbundenen Aufwand ist davon auszugehen, dass die Durchführung von zwei Leerflügen (von der vermeidbaren Umweltbelastung abgesehen) einen ganz erheblichen organisatorischen und finanziellen Aufwand erfordert, dem der – a priori einzuschätzende (vgl Iglseder , Der fehlerfreie Umgang mit dem außergewöhnlichen Umstand, ZVR 2021, 260) – Nutzen für alle betroffenen Fluggäste gegenüberzustellen ist (vgl die den zum Rechtssatz RKO0000017 ergangenen Entscheidungen zugrunde liegende Wertung). In Anbetracht des Umstands, dass bei regulärer Rotation die Fluggäste beider Flüge eine Verspätung von rund zwei Stunden erlitten hätten, während die reverse operation bewirkte, dass ein Flug mit rund vier Stunden Verspätung, der andere aber so gut wie pünktlich durchgeführt wurde, ist auch ohne Kenntnis des exakten Aufwands für zwei Leerflüge in deren Durchführung ein untragbares Opfer zu erblicken.
Der Berufung war daher Folge zu geben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
Das Erstgericht wird sich im fortgesetzten Verfahren daher mit dem wechselseitigen Vorbringen auseinanderzusetzen und die angebotenen Beweise aufzunehmen haben. Sollte der Beklagten gelingen, ihr Vorbringen zum Einsatz der Maschine der Ryanair unter Beweis zu stellen, wird es dem Klagebegehren nicht deshalb stattzugeben haben, weil die Beklagte diesbezüglich nicht alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.