22R210/21v – LG Korneuburg Entscheidung
Kopf
Im namen der republik
Das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Dr. Futterknecht, LL.M., BSc und Mag. Rak in der Rechtssache der klagenden Partei J***** S***** , vertreten durch Dr. Friederike Wallentin-Hermann, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei L***** GmbH , vertreten durch Brenner Klemm Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 449,17 s.A., infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Schwechats vom 19.03.2021, 4 C 185/20v-12, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass es insgesamt zu lauten hat:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 357,09 samt 4 % Zinsen ab 03.07.2020 zu zahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, einen Betrag von EUR 92,08 samt 4 % Zinsen ab 03.07.2020 zu zahlen, wird abgewiesen.
3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 513,27 (darin EUR 77,01 USt und EUR 51,20 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 186,50 (darin EUR 21,08 USt und EUR 60,-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Berufung zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Der Kläger verfügte über eine bestätigte Buchung für einen Flug der Beklagten von Wien nach Madrid und retour mit folgenden Flugdaten: Hinflug mit der Flugnummer OE 2965 am 17.04.2020 und Rückflug mit der Flugnummer OE 1307 am 19.04.2020. Der Flug wurde von der Beklagten vor dem 09.03.2020 annulliert.
Mit der beim Erstgericht am 08.07.2020 eingebrachten Mahnklage begehrte der Kläger die Zahlung von EUR 449,17 samt Zinsen und brachte dazu zusammengefasst vor, er habe für sich, Dr. C***** S***** und S***** P*****-S***** den Flug OE 2965 am 17.04.2020 von Wien nach Madrid und den Flug OE 1307 am 19.04.2020 von Madrid nach Wien, jeweils der Beklagten, gemäß Buchungsbestätigung M9HRMQ gebucht und dafür EUR 449,17 bezahlt. Die Ansprüche von Dr. C***** S***** und S***** P*****-S***** seien an ihn abgetreten und die Abtretung von ihm angenommen worden. „Der Flug“ sei von der Beklagten annulliert worden. Er habe die vollständige Erstattung der Flugscheinkosten gemäß Art 8 der VO (EG) Nr. 261/2004 (EU-FluggastVO) gewählt. Die Beklagte sei bereits vor Klagseinbringung von ihm selbst am 09.03.2020 durch einen Anruf bei der Muttergesellschaft der Beklagten um Rückerstattung des Ticketpreises ersucht worden. Die Rückerstattung sei grundsätzlich an den Flugpassagier zu leisten. Es bestehe bei einem Telefonat des Flugpassagiers bei der Hotline die Möglichkeit, dass die Beklagte nachfrage, auf welche Kontoverbindung die Rückerstattung erfolgen solle. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit einer gerichtlichen Hinterlegung des Ticketpreises. Trotz Zahlungsaufforderung, etwa mit Schreiben vom 25.06.2020, sei keine Zahlung an den Kläger geleistet worden. Es werde bestritten, dass am 09.03.2020 eine Überweisung in Höhe von EUR 357,06 erfolgt sei. Die Beklagte habe Kenntnis vom Vermittlungsunternehmen und der Vermittlungsprovision gehabt. Es sei der Beklagten bekannt, dass ihre Flüge bei Vermittlern bzw über Buchungsportalen gebucht werden können und diese den Fluggästen auch Provisionen dafür in Rechnung stellen. Eine Buchung über die Systeme der Beklagten sei auch über ein Buchungsportal möglich.
Die Beklagte bestritt den Klagsanspruch dem Grunde und der Höhe nach und brachte zusammengefasst vor, sie habe die Ticketkosten von EUR 357,06 bereits zur Gänze am 09.03.2020 und somit vor Klagseinbringung an den Kläger rückerstattet, und zwar auf eine auf J***** S***** lautende American Express Kreditkarte, die zur Bezahlung des gegenständlichen Fluges verwendet worden sei. Zum Zeitpunkt des Telefonats am 09.03.2020 sei der Buchungsvorgang bereits abgeschlossen und der Betrag von EUR 357,06 bereits dem Konto, das bei der Buchung bekannt gegeben worden sei, gutgeschrieben gewesen. Ihr seien keine anderen Zahlungsdaten vorgelegen, weshalb die Erstattung des Flugpreises nur auf selbiges Zahlungsmittel habe erfolgen können, das auch bei der Flugbuchung verwendet worden sei. Sofern der Kläger mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden gewesen sein sollte, hätte er die Flugbuchung direkt bei ihr vornehmen müssen und sich nicht einer Buchungsplattform bedienen dürfen. Da die Klage am 08.07.2020 bei Gericht eingebracht und ihr der bedingte Zahlungsbefehl am 27.07.2020 zugestellt worden sei, sei die Bezahlung der Klagsforderung mehrere Wochen vor Klagseinbringung erfolgte.
Ein darüber hinausgehender Betrag stehe nicht zu. Der Betrag von EUR 449,17 erkläre sich offensichtlich durch Gebühren, welche durch die verwendete Buchungsplattform „B*****“ aufgeschlagen wurden. Diese seien jedoch von der Beklagten weder eingehoben worden, noch seien sie ihr überhaupt bekannt. Bei der Buchung sei für sie nicht ersichtlich gewesen, dass die Buchung des Fluges durch ein Vermittlungsunternehmen und nicht durch den Flugpassagier selbst erfolgt sei. Die Buchungsplattform „B*****“ stehe in keinem Vertragsverhältnis zu ihr. Ihre Flüge seien ausschließlich über ihre Homepage oder über ihre Buchungshotline buchbar. Sie blockiere regelmäßig die IP-Adressen von Buchungsplattformen, die Flugbuchungen bei ihr vornehmen und bei denen nicht ersichtlich ist, dass nicht der Passagier selbst buche. Die Vornahme von derartigen Buchungen lasse sich jedoch aufgrund der einfachen Abänderbarkeit von IP-Adressen nicht gänzlich verhindern. Es sei ihr nicht zuzurechnen, wenn für die Bezahlung eine Kreditkarte verwendet wurde, die B*****.com zuzurechnen sei. Sie habe kein Aufforderungsschreiben vom Kläger bzw Klagevertreter erhalten und sohin auch keinen Anlass zur Klagsführung gegeben.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze ab und stellte über den eingangs festgehaltenen, außer Streit stehenden Sachverhalt hinaus fest:
Der Kläger buchte für sich, seine Ehegattin Dr. C***** S***** und seinen Sohn S***** P*****-S***** am 07.02.2020 über die Internet-Buchungsplattform B***** Flüge bei der Beklagten am 17.04.2020 mit der Flugnummer OE 2965 von Wien nach Madrid und retour am 19.04.2020 mit der Flugnummer OE 1307.
Der Kläger bezahlte für diese Flüge insgesamt EUR 449,17 mittels Paypal an die Buchungsplattform B*****.
In weiterer Folge buchte die Buchungsplattform B***** bei der Beklagten die gegenständlichen Flüge am 17.04.2020 (OE 2965) von Wien nach Madrid und retour am 19.04.2020 (OE 1307), wobei sie die Buchung unter dem Namen des Klägers und der Mitreisenden vornahm. Der von der Beklagten verrechnete Ticketpreis für diese Flüge betrug EUR 357,09 und B***** überwies diesen Ticketpreis von einer American Express Kreditkarte mit den Endziffern 3447, lautend auf J***** S***** an die Beklagte. B***** wies bei dieser Buchung nicht darauf hin, dass die Buchung tatsächlich durch sie als Buchungsportal erfolgte. Für die Beklagte stellte sich diese Buchung so dar, als wäre sie von den Reisenden selbst vorgenommen worden und nicht über einen Reiseveranstalter oder -vermittler. Der Beklagten war nicht bekannt, dass die Buchung und die Zahlung durch B***** bzw. ein dieser zugehöriges Konto erfolgt war. Im Zuge der Buchung wurde von der Buchungsplattform B***** auch die E-Mailadresse J*****.S*****892@fasttrackdream.com hinterlegt.
Am 06.03.2020 wurden die Flüge der Beklagten am 17.04.2020 mit der Flugnummer OE 2965 und am 19.04.2020 mit der Flugnummer OE 1307 von Wien nach Madrid und retour annulliert. Der Kläger erhielt am 06.03.2020 von der Beklagten eine SMS (in englischer Sprache) mit der Verständigung von der Annullierung der Flüge und der Mitteilung, dass er wahlweise die Rückerstattung des Ticketpreises beantragen oder auf einen anderen Flug umbuchen könne, wobei diese SMS einen Link mit weiteren Informationen enthielt. Der Kläger versuchte daraufhin am 06.03. und 09.03.2020 mit dem Büro von B***** Kontakt aufzunehmen, konnte jedoch niemanden erreichen. Über Anraten des VKI rief der Kläger am Vormittag des 09.03.2020 bei der R***** Hotline an und erreichte eine Angestellte, die alle Daten der Flüge des Klägers aufrufen konnte und der gegenüber der Kläger telefonisch bekanntgab, dass er die Rückerstattung des Ticketpreises wünsche. Über eine Kontonummer wurde bei diesem Telefonat nicht gesprochen, der Kläger gab auch keine bekannt. Der Kläger verfügte zu keinem Zeitpunkt über eine American Express Kreditkarte.
Am 09.03.2020 veranlasste die Beklagte die Rücküberweisung des Ticketpreises in der Höhe von EUR 357,09 auf die Kontoverbindung, die bei der Buchung angegeben und von welcher der Ticketpreis an die Beklagte überwiesen worden war, nämlich eine American Express Kreditkarte mit den Endziffern 3447. Bei dieser Kreditkarte handelte es sich um die einzige der Beklagten im Zeitpunkt der Rücküberweisung bekannte Kontoverbindung. Der von der Beklagten am 09.03.2020 überwiesene Betrag langte ca ein bis zwei Tage später, somit am 10. oder 11.03.2020 auf dem Kreditkartenkonto ein.
Dass die Beklagte die Rückerstattung auf ein anderes Konto vornehmen sollte, als bei der Buchung angegeben, wurde dieser nicht mitgeteilt.
Die Beklagte hat keine Verträge mit Vermittlungs- oder Buchungsplattformen, insbesondere nicht mit B*****.
Der Beklagten ist seit einiger Zeit bekannt, dass Buchungsplattformen unter dem Namen von Passagieren Flüge buchen, ohne offenzulegen, dass sie als Buchungsplattformen bzw. Vermittler tätig sind und hierbei auch oftmals eigens von der Buchungsplattform generierte E-Mailadressen, die nicht die der Passagiere sind, hinterlegt werden. Die Beklagte versucht durch die Sperre von IP-Adressen solcher Unternehmen derartige Buchungen zu verhindern, wobei diese IP-Adressen aber rasch geändert werden können. Mittlerweile hat die Beklagte Formulare für Passagiere, die über Drittanbieter gebucht habe, geschaffen, auf denen Passagiere eigene Kontodaten bekanntgeben können.
Die Mitreisenden Dr. C***** S***** und S***** P*****-S***** traten ihre Ansprüche auf Ticketrückerstattung an den Kläger ab und nahm dieser die Abtretung an.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, gemäß Art 8 Abs 1 lit a erster Teilstrich iVm Art 5 Abs 1 lit a EU-FluggastVO könne der Fluggast im Fall der Annullierung die binnen sieben Tage zu leistende vollständige Erstattung der Flugscheinkosten nach dem in Art 7 Abs 3 leg cit genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, wählen. Gemäß Art 7 Abs 3 leg cit würden Zahlungen durch Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggastes, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen erfolgen.
Da die Beklagte die Rücküberweisung des Ticketpreises auf die einzige ihr zu diesem Zeitpunkt bekannte Kontoverbindung, nämlich eine American Express Karte lautend auf J***** S*****, veranlasste und diese ein bis zwei Tage nach dem 09.03.2020 auf dem Kreditkartenkonto eingelangt sei, habe die Beklagte innerhalb der siebentägigen Frist die Rückerstattung vorgenommen. Der Beklagten sei nicht mitgeteilt worden, dass die Ticketkosten auf ein anderes als bei der Buchung bekanntgegebenes Konto rückzuüberweisen wäre. Die Beklagte habe daher davon ausgehen können und entspreche es auch der Verkehrssitte, dass sie die Rückerstattung im selben Wege vornimmt, wie die Zahlung erfolgt ist. Es habe für die Beklagte keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Rückzahlung nicht direkt an den Fluggast erfolgte, sondern an ein von diesem zwischengeschaltetes Buchungsportal. Dieses sei aber alleine der Sphäre des Klägers, der sich dieses Portals bedient hat, zuzurechnen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben.
In ihrer Berufungsbeantwortung beantragt die Beklagte, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist teilweise berechtigt .
1. Schuldbefreiende Zahlung der Beklagten
Bei der Abwicklung der Rückerstattung ist die unionsrechtliche Vorgabe des Art 7 Abs 3 EU-FluggastVO zu beachten, auf den die Unterstützungsleistung der Ticketkostenrückerstattung nach Art 8 Abs 1 lit a EU-FluggastVO verweist. Demnach hat die Erstattung durch „Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggastes, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen“ zu erfolgen. Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob die genannte Bestimmung der EU-FluggastVO normiert, auf welche Art und Weise die Unterstützungsleistung nach Art 8 Abs 1 schuldbefreiend geleistet werden können, insbesondere in Form einer „Rückbuchung auf eine Kreditkarte“. Keiler führt diesbezüglich aus, dass eine Rückbuchung via Zahlungsdienst auf die Art und Weise, die bei der Zahlung selbst verwendet wurde (Kreditkarte, PayPal, Ideal, Click Buy, etc.) möglich sein sollte ( Keiler in Staudinger/Keiler , FluggastrechteVO, Art 8 Rz 25). In weiterer Folge kommt er zum Ergebnis, eine Rückbuchung im Rahmen des Zahlungsdienstes, mit dem der Passagier die Flugbuchung beglichen hatte, sei nicht vorgesehen, sollte jedoch für beide Seiten akzeptabel sein ( Keiler in Staudinger/Keiler , FluggastrechteVO, Art 8 Rz 28). Führich führt nach Wiedergabe des Verordnungstextes aus, dass damit der Fluggast keinen Gutschein akzeptieren müsse ( Führich in Führich / Staudinger , Reiserecht 8 , § 42 Rz 18). Nach Maruhn beziehe sich das im zweiten Halbsatz normierte Erfordernis des Einverständnisses nach der Struktur und dem klaren Wortlaut des Abs 3 ausschließlich auf die Andienung des Reisegutscheines ( Maruhn in Schmid , BeckOK FluggastrechteVO [18. Edition, Stand 01.07.2021] Art 7 Rz 12).
Die Erwägungsgründe der EU-FluggastVO stützen das zuletzt genannte Verständnis zwar nicht, es finden sich jedoch im Wortlaut der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Verbraucherrechte-Richtlinie) Anhaltspunkte dafür. Art 13 Abs 2 Verbraucherrechte-Richtlinie sieht vor, dass der Unternehmer die Rückzahlung unter Verwendung des Zahlungsmittels vornimmt, das vom Verbraucher bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt wurde, es sei denn, mit dem Verbraucher wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart. Nach Erwägungsgrund 46 der Verbraucherrechte-Richtlinie soll die Erstattung nicht in Form eines Gutscheines erfolgen, es sei denn, der Verbraucher hat für die ursprüngliche Transaktion Gutscheine verwendet oder diese ausdrücklich akzeptiert. Auf diesen Erwägungsgrund bezieht sich auch die nationale Umsetzung durch den neu geschaffenen § 14 FAGG. Der Regierungsvorlage zufolge zielt die Regelung über die Rückzahlung mit demselben Zahlungsmittel, das auch der Verbraucher für seine Zahlung verwendete, vor allem darauf ab, der Erstattung der geleisteten Zahlungen in Form von Gutscheinen einen Riegel vorzuschieben (ErlRV 89 BlgNR XXV. GP 36). Dies wird auch als Identitätsgebot bezeichnet und erfasst einerseits dieselbe Währung und andererseits dieselbe Zahlungsweise. Zahlungen per Kreditkarte sind auf das Kreditkartenkonto gutzuschreiben ( Schwarzenegger in Schwimann / Kodek , ABGB 4 , § 14 FAGG, Rz 11; Geiger in Keiler/Klauser , Österreichisches und Europäisches Verbraucherrecht, § 14 FAGG, Rz 7).
Wenngleich die Verbraucherrechte-Richtlinie und auch die konkrete Umsetzung des Art 13 in das nationale Recht (§ 14 FAGG) naturgemäß einen anderen Zweck als die EU-FluggastVO verfolgen, kommt das Berufungsgericht insgesamt zum Ergebnis, dass das Unionsrecht einer Ticketkostenrückerstattung auf das seinerzeit vom Fluggast verwendete Kreditkartenkonto auch ohne schriftliches Einverständnis des Fluggastes grundsätzlich nicht entgegensteht. Die Vorgangsweise der Beklagten ist – aus unionsrechtlicher Sicht – somit nicht schon deshalb nicht als schuldtilgend anzusehen, weil ein schriftliches Einverständnis des Klägers zur Verwendung des seinerzeitigen Kreditkartenkontos nicht vorliegt. Da jedoch die EU-FluggastVO keine weitergehenden Regelungen zur Frage, wann eine Zahlung schuldbefreiend ist, enthält, ist diesbezüglich auf nationales Recht zurückzugreifen.
Da sich im konkreten Fall aufgrund der Parteien und des Vorbringens keine Anhaltspunkte für einen Auslandsbezug stellen, ist die Frage der schuldbefreienden Zahlung nach österreichischem Recht zu beurteilen. Gemäß § 907a ABGB ist eine Geldschuld am Wohnsitz oder an der Niederlassung des Gläubigers zu erfüllen, indem der Geldbetrag dort übergeben oder auf ein vom Gläubiger bekanntgegebenes Bankkonto überwiesen wird. Die Wahl der Überweisung als gesetzliche Erfüllungsmöglichkeit hat somit zwei Voraussetzungen, und zwar dass a) der Gläubiger b) ein Bankkonto bekanntgegeben hat.
§ 907a ABGB wurde durch das Zahlungsverzugsgesetz (BGBl I 50/2013) eingeführt, welches grundlegende Fragen des Regelungskonzepts der Zahlung von Geldschulden, insbesondere den Erfüllungsort und die Art der Erfüllung, neu regelte (ErläutRV 2111 BlgNR XXIV GP 10). Der Gesetzgeber führt in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage aus, es setze diese Art der Erfüllung faktisch voraus, dass dem Schuldner eine Bankverbindung des Gläubigers bekannt ist. Es mache dabei keinen Unterschied, ob die schuldnerische Kenntnis von der Bankverbindung des Gläubigers auf einer ausdrücklichen Bekanntgabe durch den Gläubiger oder darauf beruht, dass der Gläubiger dieses Bankkonto etwa auf seinen Geschäftsdokumenten anführt. Der Schuldner habe freilich nach allgemeinem Zivilrecht keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass ihm der Gläubiger eine Bankverbindung nenne. Wenn der Gläubiger dies unterlasse, habe der Schuldner nur die Wahl zwischen Barzahlung und Übermittlung des Geldbetrages (ErläutRV 2111 BlgNR XXIV GP 13).
Nach Reischauer muss sich, wer nicht zur Kontobekanntgabe verpflichtet ist, auch Überweisungen auf eines seiner Konten nicht bieten lassen. Es könne nicht Sinn des § 907a ABGB sein, einen Schuldner schon allein deshalb zur Überweisung auf ein Gläubigerkonto zu berechtigen, weil ihm das Konto auf irgendeinem Weg bekannt geworden sei. Die Kontobekanntgabe müsse sich an den Schuldner richten. Der Gläubiger habe nach allgemeinem Recht Dispositionsfreiheit; sei es aus reiner Willkür, sei es, weil er ein bestimmtes Geschäft nicht über ein Bankkonto abgewickelt haben will, sei es, weil er zu einer unter mehreren Banken besondere Kontakte pflegen will, etwa weil die Zahlungen auf einem bestimmten Kreditkonto eingehen sollen und nicht auf irgendeinem, etwa weil dort die Sollzinsen besonders hoch sind ( Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 907a ABGB, Rz 14). Jedenfalls bei Einverständnis des Gläubigers könne der Schuldner mit schuldbefreiender Wirkung auf ein bestimmtes Konto (bestimmte Konten) überweisen oder einzahlen. Ein Einverständnis des Gläubigers erfolge vor allem durch Mitteilung der Kontonummer, sei es durch Bekanntgabe auf Geschäftspapieren, Rechnungen oder Übersendungen von Erlagscheinen. Bei Mitteilung von Kontonummern auf Geschäftspapier, Rechnungen etc könne man schon aufgrund der Verkehrssitte auf das Einverständnis des Gläubigers vertrauen ( Reischauer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 907a ABGB, Rz 15).
Kietaibl/Ladler führen in diesem Zusammenhang aus, eine Überweisung setze die Bekanntgabe einer Kontoverbindung durch den Gläubiger voraus, wobei eine Kontoangabe auf der Geschäftskorrespondenz oder eine Übersendung von Zahlscheinen ausreiche. Eine persönlich an den Schuldner gerichtete Bekanntgabe sei nicht erforderlich. Der Schuldner könne aus mehreren bekanntgegebenen Konten frei wählen. Leiste der Schuldner unberechtigt auf ein Gläubigerkonto (zB vereinbarte Barzahlung; Überweisung auf ein anderes als das vom Gläubiger angegebene Konto), so trete (sofern der Gläubiger die Gutschrift nicht genehmigt) keine schuldbefreiende Wirkung ein, dem Schuldner würden allerdings Bereicherungsansprüche gegen den Gläubiger zustehen. § 907a ABGB begründe keinen Anspruch des Schuldners auf Bekanntgabe einer Kontoverbindung. Nennt der Gläubiger kein Bankkonto, entfalle auch das Wahlrecht des Schuldners, was dieses wieder deutlich relativiere ( Kietaibl/Ladler in Kletecka/Schauer , ABGB-ON 1.04 § 907a Rz 20 f).
Auch nach Stabentheiner werde ein konkludentes Einverständnis des Gläubigers zur Zahlung mittels Buchgeld etwa dann angenommen, wenn dieser seine Bankverbindung dem Schuldner bekanntgibt oder etwa auf seinen Geschäftspapieren, auf der Rechnung oder auf den übermittelten Zahlscheinen anführt. Gleiches könne etwa bei einem über die Website eines Unternehmers abgeschlossenen Fernabsatzgeschäft dann angenommen werden, wenn auf der Website die Kontoverbindung angegeben sei, und nicht explizit eine andere Zahlungsart, wie etwa Kreditkartenzahlung, verlangt werde. Auch aus der wiederholten, widerspruchslosen Annahme von Buchgeld könne sich eine konkludente Zustimmung des Gläubigers zu dieser Erfüllungsart ergeben. Wenn Einzahlung auf ein Konto vereinbart worden sei, sei – wegen der für den Gläubiger vollkommen gleichwertigen Verschaffung von Buchgeld – auch eine Überweisung schuldbefreiend. Die Bekanntgabe des Bankkontos müsse nicht notwendigerweise schon bei Vertragsabschluss geschehen; auch eine nachträgliche Bekanntgabe berechtige den Schuldner zur Erfüllung durch Überweisung auf das Konto. Wenn der Gläubiger dem Schuldner jedoch nicht zumindest im Sinn eines konkludenten Einverständnisses eine Bankverbindung bekannt gegeben habe, komme eben eine Erfüllung durch Banküberweisung nicht in Betracht und das Wahlrecht des Schuldners reduziere sich auf die verschiedenen Unterarten der „Übergabe“ ( Stabentheiner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , ABGB, § 907a Rz 28 f).
Es ist daher zu prüfen, ob die Zahlung des Flugpreises mittels Kreditkarte der Bekanntgabe eines Kontos iSd § 907a ABGB zum Zweck der Rückerstattung des Flugpreises gleichzuhalten ist.
Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen legt § 863 ABGB einen strengen Maßstab an (RIS-Justiz RS0014146). Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn waren. Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt (RIS-Justiz RS0013947).
Im konkreten Fall ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Erstattung der Flugscheinkosten auf jene Kreditkarte tätigte, mit welcher die ursprüngliche Flugbuchung bezahlt wurde. Zum Zeitpunkt der Flugbuchung war der Kläger jedoch Schuldner und die Beklagte Gläubigerin. Es konnte zu diesem Zeitpunkt daher der Kläger der Beklagten gar kein Bankkonto in seiner Eigenschaft als Gläubiger bekanntgeben, weil der gegenständliche Anspruch erst mit Annullierung des Fluges entstanden ist. Lediglich die Zahlung einer Schuld lässt nicht den Schluss zu, dass der ursprüngliche Schuldner damit für den Fall eines möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt entstehenden Anspruchs gegen den ursprünglichen Gläubiger konkludent eine Zustimmung zur Verwendung dieses Zahlungsmittels erteilt.
Dazu kommt, dass der Anspruch gemäß Art 8 Abs 1 lit a erster Spiegelstrich EU-FluggastVO nicht unmittelbar am Beförderungsvertrag anknüpft, den der Besteller mittels Kreditkarte an den Unternehmer gezahlt hat. Es handelt sich um keinen aufgrund des Wegfalls des Beförderungsvertrags entstandenen Kondiktionsanspruch des Bestellers, sondern um einen Anspruch des Fluggastes (der mit dem Besteller und/oder Zahler des Beförderungsentgelts nicht ident sein muss).
Ein auf irgendeinem Weg bekannt gewordenes Zahlungsmittel berechtigt den Gläubiger – wie oben ausgeführt – nicht, darauf schuldbefreiend zu überweisen. Bei der Übung des redlichen Verkehrs (Verkehrssitte) ist das Verständnis in den beteiligten Verkehrskreisen maßgeblich (OGH 3 Ob 7/13w mwN). Dass zwischen den konkret beteiligten Verkehrskreisen, nämlich Fluggästen und Luftfahrtunternehmen, eine Verkehrssitte dahin besteht, dass Ansprüche auf Ticketkostenrückerstattung auf jenes Zahlungsmittel erfolgen, mit denen das Flugticket ursprünglich gezahlt wurde, wurde nicht vorgebracht und dementsprechend auch nicht festgestellt.
Insofern die Beklagte vorbringt, ihr sei keine andere Kontoverbindung bekannt gewesen, hätte sie entweder beim Kläger – in seiner nunmehrigen Eigenschaft als Gläubiger – nachfragen bzw durch den anderen in § 907a Abs 1 ABGB genannten Grundtyp der Erfüllung, nämlich Übergabe am Wohnsitz des Klägers zahlen müssen. Die Geldschuld nach § 907a ABGB ist als Bringschuld ausgestaltet. Der Gläubiger ist – wie bereits ausgeführt – nicht verpflichtet, ein Bankkonto bekanntzugeben (vgl ErläutRV 2111 BlgNR XXIV GP 13).
Darüber hinaus ist festzuhalten, dass es sich bei einer Kreditkarte nicht um ein Bankkonto handelt. Die Verwendung des Begriffes „Bankkonto“ gründe nach Stabentheiner in der Überlegung des Gesetzgebers, dass es um die Neuformulierung einer Gesetzesbestimmung im ABGB ging, die aus sich heraus möglichst unmissverständlich und dem allgemeinen Sprachgebrauch angenähert sein sollte. Die Übernahme bank- oder zahlungsdienstrechtlicher Terminologie in das ABGB wäre demnach nicht empfehlnenswert und wäre im Sprachstil des ABGB ein Fremdkörper ( Stabentheiner , Die Neuregelung der Geldschuld durch das Zahlungsverzugsgesetz, JBl 2013, 205 [214]). Wenngleich § 907a ABGB nicht die Terminologie der bank- oder zahlungsdienstrechlichen Normen übernommen hat, so ergibt sich aus diesen Bestimmungen dennoch, dass es sich bei einer Kreditkarte nicht um ein Bankkonto handeln kann. § 1 Abs 1 Z 6 BWG regelt sonderrechtlich die Ausgabe und Verwaltung von Zahlungsmitteln wie Kreditkarten, Bankschecks und Reiseschecks ( Laurer/Kammel in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka , BWG 4 § 1 Rz 8). Beim Kreditkartengeschäft tritt an die Stelle der Barzahlung ein abstrakter Zahlungsanspruch des Vertragsunternehmens gegen die Kreditkartengesellschaft. Dieser abstrakte Anspruch findet seine Grundlage im Anweisungsrecht. In der Vereinbarung zwischen Kreditkartengesellschaft und Vertragsunternehmen wird festgelegt, dass die Kreditkartengesellschaft schon im Voraus künftige Anweisungen des berechtigten Karteninhabers gegenüber dem Vertragsunternehmen annimmt. Unterschreibt der Karteninhaber beim Vertragsunternehmen unter Vorlage seiner Kreditkarte seinen Rechnungsbeleg, so erteilt er damit eine konkrete Anweisung, die aufgrund der antizipierten Annahme der Kreditkartengesellschaft zugleich eine abstrakte Zahlungspflicht der Kreditkartengesellschaft gegenüber dem Vertragsunternehmen entstehen lässt (RIS-Justiz RS0121043). Die Kreditkartennummer stellt somit lediglich die Nummer einer als Zahlungsmittel ausgegebenen Karte dar, nicht jedoch ein Bankkonto. Die Zahlung erfolgt zwischen der Kreditkartengesellschaft und dem Vertragsunternehmen.
In Anbetracht der klaren Regelung des § 907a Abs 1 ABGB scheidet mangels planwidriger Gesetzeslücke auch eine analoge Anwendung des § 14 Abs 1 zweiter Satz FAGG aus.
Da somit im konkreten Fall a) kein Bankkonto bekanntgegeben wurde und b) die Kreditkarte vom Kläger bzw von B***** nicht in der Eigenschaft des Klägers als Gläubiger verwendet wurde, erfolgte die Zahlung zunächst nicht schuldbefreiend. Dass die Rückzahlung auf die bei der Buchung verwendet Kreditkarte mit dem Kläger in Abweichung der gesetzlichen Regelung des § 907a ABGB vereinbart worden wäre (vgl dazu Stabentheiner , JBl 2013, 205 [212]), brachte die Beklagte nicht vor. Da auch kein Vorbringen erstattet wurde, dass die auf die Kreditkarte gutgeschriebene Zahlung an den Kläger weitergeleitet wurde, liegt kein sekundärer Feststellungsmangel darin, dass das Erstgericht trotz des Vorliegens entsprechender Beweisergebnisse keine Feststellung getroffen hat, dass eine solche Weiterleitung (durch B*****) nicht erfolgt ist.
2. Höhe des Erstattungsbetrags
Der Preis des Flugscheines, der zur Ermittlung des einem Fluggast vom Luftfahrtunternehmen im Fall der Annullierung eines Fluges geschuldeten Erstattungsbetrags heranzuziehen ist, umfasst nur dann nicht die Differenz zwischen dem vom Fluggast gezahlten und dem vom Luftfahrtunternehmen erhaltenen Betrag in Höhe der Provision eines als Vermittler zwischen ihnen tätig gewordenen Unternehmens, wenn diese ohne Wissen des Luftfahrtunternehmens festgelegt wurde (EuGH Rs C-601/17).
In Anbetracht der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zum Ablauf der gegenständlichen Flugbuchung sowie den nicht bestehenden Verträgen mit Vermittlungs- oder Buchungsplattformen, gab es für die Beklagte keinen konkreten Anhaltspunkt, davon auszugehen, dass die Buchung durch eine Vermittlungs- oder Buchungsplattform erfolgte. Es kann somit zwangsläufig die Provision im konkreten Fall nur ohne Wissen der Beklagten festgelegt worden sein, weshalb der Klagsanspruch nur in Höhe des tatsächlich von der Beklagten erhaltenen Betrags zu Recht besteht.
3. Die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Verfahrens (einschließlich der Berufungsanmeldung) beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, jene des Berufungsverfahrens auf §§ 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Einwendungen gemäß § 54 Abs 1a ZPO gegen das Kostenverzeichnis, das auch keine offenkundigen Unrichtigkeiten enthält, wurden keine erhoben.
4. Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.