25R50/10w – LG Korneuburg Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht Korneuburg als Rekursgericht hat durch seine Richter Präsident HR Dr. Tschugguel als Vorsitzenden sowie Vizepräsidentin Dr. Zemanek und Dr. Siegl in der Sachwalterschaftssache Elfriede E*****, infolge Rekurses der Sachwalterin Dr. Beatrix W*****, Rechtsanwältin, H*****, ***** Wien, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 06.10.2010, 6 P 45/09y-24, in nicht öffent- licher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1.) Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Pkt. 5.) des Beschlusses ON 24 dahingehend abgeändert, dass er wie folgt zu lauten hat:
„5. Die Entschädigung der Sachwalterin Dr. Beatrix W***** für den Zeitraum 03.08.2009 bis 01.10.2010 wird mit € 586,-- bestimmt. Der Antrag auf Ermächtigung zur Behebung dieses Betrages vom Konto der Betroffenen wird jedoch – derzeit – abgewiesen.
2.) Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung
Rechtsanwältin Dr. Beatrix W***** wurde mit Beschluss des BG Klosterneuburg vom 03.08.2009 zur einstweiligen Sachwalterin und schließlich mit Beschluss vom 08.10.2009 zur Sachwalterin von Elfriede E***** bestellt. Sie erstattete im Oktober 2009 Antrittsbericht und im Oktober 2010 Jahresbericht, wobei sich folgendes ergibt:
Die Betroffene verfügt im Abrechnungszeitraum über Pensionseinkünfte netto ohne Pflegegeld von € 11.731,15, inklusive Pflegegeld von € 17.292,06. Am Konto befinden sich am 04.10.2010 € 2.077,27. Über sonstiges Vermögen verfügt die Betroffene nicht. Beim Pflegeheim besteht ein erheblicher Kostenrückstand. Da sie derzeit nur Pflegegeld der Stufe 2 bezieht ist eine Förderung des Heimaufenthaltes nicht möglich. Die bisherigen Bemühungen der Sachwalterin durch Antragstellung auf Erhöhung des Pflegegeldes und auch Einbringung einer diesbezüglichen Klage blieben (noch) erfolglos. Die Sachwalterin besucht die Betroffene regelmäßig, verwaltet ihr Einkommen und ihr Pflegegeld und hat erreicht, dass die Betroffene, obwohl die Kosten derzeit nicht gedeckt sind, weiter im Heim bleiben darf und wird sich weiter um eine Erhöhung der Pflegestufe und damit die Förderung des Heimaufenthaltes bemühen.
Die Sachwalterin erstattete Jahresbericht über ihre umfangreiche Tätigkeit und legte Rechnung, die mit Pkt. 2.) des angefochtenen Beschlusses bestätigt wurde. Mit dem lediglich angefochtenen Pkt. 5.) des Beschlusses ON 24 wurde der Antrag der Sachwalterin auf Zuerkennung einer Entschädigung von € 586,-- abgewiesen.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Sachwalterin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass ihr der beantragte Entschädigungsbetrag von € 586,-- zugesprochen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist teilweise berechtigt.
Ausgehend von einem Nettoeinkommen (ohne Pflegegeld) von € 11.731,15 beantragte die Sachwalterin die 5 %ige Normalentschädigung nach § 276 ABGB.
Das Erstgericht begründete die Abweisung dieses Antrages im Wesentlichen unter Hinweis auf § 276 Abs 4 ABGB, wonach Ansprüche nach dieser Bestimmung insoweit nicht bestehen, als dadurch die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen gefährdet wäre. Es verwies dabei auf einschlägige Rechtsprechung, wonach eine derartige Gefährdung etwa dann vorliege, wenn finanzielle Reserven für außerordentliche existenznotwendige Auf- wendung über Gebühr geschmälert würden. Es sei vielmehr eine angemessene Rücklage zu bilden, wobei einen Anhaltspunkt für dieses „Schonvermögen“ die Sozialhilfegesetze der Bundesländer bieten würden und nach dem Niederösterreichischen Sozialhilfegesetz sind rund € 10.000,-- als nicht verwertbares Vermögen anzusehen.
Die Sachwalterin verwies in ihrem Rekurs insbesondere darauf, dass es ihrer Tätigkeit zu verdanken sei, dass die Betroffene weiter im Heim bleiben dürfe und schließlich habe sie weder Kosten für die Klagsschrift noch die Fahrtkosten für die Besuche bei der Betroffenen verrechnet.
Tatsächlich ist seit geraumer Zeit anerkannt, dass die Übernahme einer Sachwalterschaft keine allgemeine Bürgerpflicht darstellt und somit grundsätzlich nicht unentgeltlich zu führen ist (Grüblinger, Der Entgeltanspruch des Sachwalters für Sachleistungen, EF-Z 2008/100 [174]). Der Gesetzgeber brachte in den Materialien zum KindRÄG 2001 zum Ausdruck, dass durch die Neuregelung in den §§ 266f ABGB (aF) ein finanzieller Anreiz für die Übernahme von Sachwalterschaften geschaffen werden soll (Erläut RV 366 BlgNR 21 GP). Durch das SWRÄG 2006 (BGBl I 2006/290) wurden die Entschädigungsansprüche der Sach- walter und Kuratoren neu geregelt, indem generell alle zentralen Fragen des Sachwalterrechtes in einem eigenen neuen fünften Hauptstück des Ersten Teils des ABGB ge- regelt sind (Tschugguel in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 vor §§ 268ff Rz 1). § 276 ABGB idF SWRÄG 2006 regelt Entschädigung, Entgelt und Aufwandersatz von Sachwaltern und Kuratoren mit einer „Normalentschädigung“ von 5 % der reinen Einkünfte pro Jahr und einer erhöhten Ent- schädigung bei besonders umfangreichen und erfolgreichen Bemühungen des Sachwalters sowie einer Vermögensent- schädigung von 2 % des € 10.000,-- übersteigenden Vermögens des Pflegebefohlenen (Abs 1). Abs 2 des § 276 ABGB sieht einen (zusätzlichen) Entgeltanspruch für spezifische Fachleistungen vor und Abs 3 den Barauslagenersatz. Schließlich zieht § 276 Abs 4 ABGB jedoch im Interesse des Pflegebefohlenen eine Grenze, wonach Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 insoweit nicht bestehen, als dadurch die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen gefährdet wäre.
Wann dies der Fall ist, ist umstritten. Der Betrag, der zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse dient, ist immer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessen. Er kann nicht mit dem unpfändbaren Freibetrag nach der EO gleichgesetzt werden und auch die Bezugnahme auf die Richtsätze für Alleinunterstützte in den einzelnen Sozialhilfegesetzen erscheint problematisch (Barth/ Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts 2 123). Ausführlich beschäftigt sich mit der Problematik des § 276 Abs 4 ABGB Grüblinger (Der Entgeltanspruch des Sachwalters für Fachleistungen, EF-Z 2008/100), wobei deren Ausführungen nicht nur für den Entgeltanspruch nach Abs 2 sondern auch für den Entschädigungsanspruch nach Abs 1 gelten. Wann also ist die Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Pflegebefohlenen durch die Zuerkennung eines Ent- schädigungsanspruches gefährdet? Geht es nach Grüblinger um die Entnahme von Einkünften (und nicht um die Ver- wertung von Vermögen) ist auf die Lebensumstände und Lebensbedürfnisse des Betroffenen Bedacht zunehmen, sodass im Einzelfall eine Bezugnahme auf das Existenz- minimum möglich erscheint. Dabei wird aber zu differenzieren sein, ob die betroffene Person in einem Heim untergebracht und damit versorgt ist oder ob sie in einer eigenen Wohnung lebt und ihre gesamten Einkünfte für Miete, Energiekosten und Lebensmittel benötigt. Im hier zu beurteilenden Fall geht es aber (auch) darum, ob ein geringfügig angesparter „Vermögenswert“ von knapp über € 2.000,-- am Konto der Betroffenen durch die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs geschmälert werden kann. Damit ist die Frage nach der Grenze der Verwertbarkeit des Vermögens eines Betroffenen angesprochen. Das LG Salzburg (21 R 51/07p) hat in § 8 Abs 2 Z 2 des Salz- burger Sozialhilfegesetzes einen Anhaltspunkt für die Bemessung erkannt, wonach das „Schonvermögen“ das Zehn- fache des Richtsatzes für Alleinunterstützte darstellt. Dieses Vermögen, das nach dem Salzburger Sozialhilfegesetz dann € 4.500,-- beträgt, soll dem Betroffenen jedenfalls verbleiben.
Die Sozialhilfegesetze der Österreichischen Bundesländer enthalten jedoch sehr unterschiedliche Regelungen:
So bestimmt etwa das Sozialhilfegesetz für Tirol nur einfachen Richtsatz für Alleinunterstützte im Betrag von € 444,-- monatlich als Freibetrag, der nicht verwertet werden darf, das Sozialhilfegesetz von Niederösterreich dagegen das Zwanzigfache dieses Richtsatzes von insgesamt mehr als € 10.000,--. Demnach ist die Heranziehung der Sozialhilfegesetze der Bundesländer als Orientierungshilfe für die Höhe eines allfälligen „Schonvermögens“ nicht geeignet. So bricht auch Grüblinger (aaO) eine Lanze für die Einzelfalljudikatur. Hier wird man unterscheiden müssen, dass ein Mensch, voll versorgt in einem Heim nur einen relativ geringfügigen Betrag als „Not- groschen“ bereit haben muss, während jener, der in der eigenen Wohnung weiter lebt, sicher über ein höheres „Schonvermögen“ verfügen sollte.
Im vorliegenden Einzelfall hält das Rekursgericht ein „Schonvermögen“ von ca. € 2.000,-- für angemessen. Dies bedeutet aber nicht, dass ein Entschädigungsanspruch des Sachwalters deshalb schon dem Grunde nach nicht entsteht. Die Aufrechterhaltung eines „Schonvermögens“ von rund € 2.000,-- verhindert lediglich die Liquidierung aus dem Vermögen der Pflegebefohlenen zum jetzigen Zeitpunkt (Grüblinger, aaO, 173).
Es war daher dem Rekurs teilweise Folge zu geben, der Entschädigungsanspruch der Sachwalterin zwar antragsgemäß zu bestimmen, ihr Antrag auf Entnahme aus dem Konto der betroffenen Person aber derzeit abzuweisen. Sobald sich die Einkommens- und (oder) Vermögensverhältnisse der Betroffenen entsprechend verbessern, wird die Sach- walterin unter Hinweis auf die rechtskräftig bestimmte Entschädigung die Entnahme aus dem Vermögen der Be- troffenen beim Sachwalterschaftsgericht beantragen können.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf § 59 Abs 1 Z 1 iVm § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG.