JudikaturLG Klagenfurt

1R9/12m – LG Klagenfurt Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2012

Kopf

Das Landesgericht Klagenfurt hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Joham (Vorsitz), Dr. Steflitsch und Dr. Mikulan in der in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Dr. Gerhard Fink ua, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwalt in Wien, wegen € 527,97 sA, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 17. Oktober 2011, 16 C 383/11d-19, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen Betrag von € 527,97 samt 4 % Zinsen seit 28. Februar 2011 zu bezahlen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit € 252,02 (darin € 30,98 Umsatzsteuer und € 64,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Der Lenker eines bei der Beklagten (FN 32002m; ./1) haftpflichtversicherten PKWs verursachte am 5. März 2009 in Spittal an der Drau einen Verkehrsunfall. Sein Unfallsgegner ist bei der Klägerin krankenversichert. Kurz nach dem Unfall suchte der Krankenversicherte wegen subjektiver Beschwerden das Krankenhaus (*****) auf. Es bestand leichter Schwindel mit Übelkeit und schmerzbedingt eine eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule ohne Hartspann. Die Röntgenuntersuchung des Schädels und der Halswirbelsäule ergab keinen besonderen Befund. Der behandelnde Arzt stellte eine Zerrung der Halswirbelsäule fest. Er verordnete eine Schanzkrawatte und nahm den Krankenversicherten bis zum 8. März 2009 stationär auf. Ex post betrachtet ist jedoch mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit eine unfallkausale körperliche Beeinträchtigung („eigentliche Verletzung“) auszuschließen. Üblicherweise erfolgt bei „derartigen Verkehrsunfällen“ eine ambulante Behandlung ohne Schanzkrawatte. Der Krankenversicherte wurde demnach im Krankenhaus „überbehandelt“. Die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsveränderung lag zwischen 12 und 15 km/h. Bei einer derartigen Geschwindigkeitsveränderung wäre eine Verletzung grundsätzlich möglich. Die Klägerin bezahlte für die Behandlung des Krankenversicherten im Krankenhaus € 812,26. Der Beginn des Zinsenlaufes ist mit 28. Februar 2011 unstrittig. Das „Teilungsabkommen österreichischer Krankenver sicherungsträger mit Versicherungsunternehmungen Österreichs“ (kurz: TAdK ), lautet zum 1. Jänner 2002 auszugsweise:

„§ 1

(1) „Ereignet sich durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges ein Schaden und erhebt ein Krankenversicherungsträger aus diesem ihm zu einer Leistung verpflichtenden Ereignis unmittelbar oder abgeleitete Ersatzansprüche gegen eine natürliche oder juristische Person, die bei einem Haftpflichtversicherer gegen die gesetzliche Haftpflicht aus der Verwendung dieses Kraftfahrzeuges versichert ist, so verzichtet der Haftpflichtversicherer auf die Prüfung der Frage, ob die bei ihm versicherte Person ersatzpflichtig ist. Er erstattet dem Krankenversicherungsträger ohne Rücksicht auf die Sach- und Rechtslage 65 vH seiner nach den einschlägigen Bestimmungen zu erbringenden Leistungen. ...

(3) Der Ersatzanspruch des Krankenversicherungsträgers gegen den versicherten Haftpflichtigen geht in voller Höhe auf den Haftpflichtversicherer über.

...

§ 7

Die Haftpflichtversicherer erklären sich bereit, die unter dieses Abkommen fallenden Erstattungsansprüche des Krankenversicherungsträgers innerhalb von 6 Wochen nach ziffernmäßig aufgegliederter Geltendmachung entweder abkommensgemäß zu befriedigen, oder gegen die Höhe der geltend gemachten Erstattungsansprüche Einwendungen beim Krankenversicherungsträger zu erheben. Wenn innerhalb weiterer 6 Wochen zwischen dem Haftpflichtversicherer und dem Krankenversicherungsträger keine Übereinstimmung über die Höhe der geltend gemachten Erstattungsansprüche hergestellt wird, kann das in § 10 vorgesehene Schlichtungsverfahren eingeleitet werden.

...“

Nach den „erläuternden Bemerkungen“ zum TAdK ist Zweck des Abkommens „eine Vereinfachung und Beschleunigung der Abwicklung von Schadenfällen in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, wobei jedoch die Lastenverteilung aufgrund der abkommensgemäßen Erstattung in der Gesamtheit derjenigen entsprechen soll, die sich bei einer Austragung der einzelnen Ersatzansprüche der Krankenversicherungsträger nach der jeweiligen Sach- und Rechtslage ergeben würde. Durch den in § 1 vereinbarten Verzicht auf die Prüfung der Frage, ob die haftpflichtversicherte Person ersatzpflichtig ist, soll erreicht werden, dass der Haftpflichtversicherer bei jedem in dem Anwendungsbereich des Abkommens fallenden Schadenereignis die Leistung des Krankenversicherungsträgers im Ausmaß von 65 vH zu erstatten hat, wobei nicht zu untersuchen ist, ob nach gesetzlichen Vorschriften eine Haftung gegeben wäre. Voraussetzungen für die abkommensgemäße Erstattung ist lediglich die Tatsache, dass sich ein Personenschaden, aus dem der Krankenversicherungsträger

leistungsverpflichtet ist, durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges ereignet hat. Es entfällt insbesondere die Prüfung, ob dem Krankenversicherungsträger abgeleitete oder originäre Ersatzansprüche zustehen, ob ein Verschulden des Schädigers oder des Geschädigten vorliegt und wie hoch dieses einzuschätzen ist. Auch die Frage, ob abgeleitete Ersatzansprüche des Krankenversicherungsträgers im Schadenersatzanspruch des Geschädigten Deckung finden, ist für die abkommensgemäße Erstattung ohne Bedeutung.“

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten, gestützt auf das TAdK, die Bezahlung von 65 % der von ihr getragenen Behandlungskosten samt 4 % Zinsen seit 28. Februar 2011.

Die Beklagte wandte iW und zT nur erkennbar ein, der Krankenversicherte habe bei dem Verkehrsunfall keine Verletzungen erlitten, weshalb das TAdK nicht zur Anwendung komme.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht, ausgehend vom eingangs festgestellten Sachverhalt, das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht führte es iW - eine Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges wurde nie erhoben – aus, dass Voraussetzungen für eine Schadensersatzpflicht das Vorliegen eines Vermögensschadens, Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden seien. Beim TAdK handle es sich um eine privatrechtliche Vereinbarung. Unter Zugrundelegung der Bestimmungen von § 1295 ABGB und § 332 ASVG ergäbe sich, dass der bei der Klägerin eingetretene Schaden (die Kosten der medizinischen Behandlung des Krankenversicherten im Krankenhaus) nicht durch den Versicherungsnehmer der Beklagten Partei verursacht worden sei, da keine auf den Verkehrsunfall zurückführbare objektive Verletzung entstanden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iS einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.

Die Berufung ist iS ihres Hauptantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

A.1. Verletzung im Sinne des § 1325 ABGB („Verletzungen an dem Körper“) ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit. Dass äußerlich sichtbare Verletzungen eingetreten sind, ist nicht erforderlich; schon das (bloße) Verursachen von Schmerzen ist Körperverletzung, mag der Körper auch keine nachteiligen Veränderungen erleiden (RIS-Justiz RS0030792).

2. Durch Teilungsabkommen soll – wie die Berufungswerberin zutreffend ausführt - ein pauschaler Ausgleich der Ansprüche der SV-Träger gegenüber den Haftpflichtversicherern nach dem „Gesetz der großen Zahl“ zwecks Vereinfachung (und Beschleunigung) der Anspruchsregulierung erreicht werden. Der Haftpflichtversicherer ist verpflichtet, bei zumindest möglicher Kausalität dem Sozialversicherungsträger unabhängig von der sonst entscheidenden Frage, ob überhaupt ein Haftpflichtanspruch entstanden ist, eine prozentuelle Quote des aus dem Versicherungsfall entstandenen Leistungsaufwands zu erstatten (Neumayr in Schwimann, ABGB³ VII, § 332 ASVG Rz 114, mwN).

B.1. In dem hier zu beurteilenden LAdK verzichtete die Beklagte auf die Prüfung der Frage, ob die bei ihr haftpflichtversicherte Person ersatzpflichtig ist („pactum de non petendo“; vgl RIS-Justiz RS0009022). Voraussetzung für die abkommensgemäße Erstattung ist lediglich die Tatsache, dass sich ein Schaden , aus dem die Klägerin leistungsverpflichtet ist, durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges ereignet hat.

2. Ein solcher Schaden ist hier an der Person des Krankenversicherten eingetreten:

Der krankenversicherte Lenker suchte unmittelbar nach dem sich durch Verwendung von Kraftfahrzeugen ereigneten Unfall wegen subjektiver, also durch Befunde nicht objektivierbarer Beschwerden das Krankenhaus auf. Fest steht weiters, dass er dort von einem lege artis handelnden Arzt ambulant behandelt worden wäre. Die - vom Krankenversicherten (subjektiv) empfundene und tatsächlich gegebene - Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, nämlich leichter Schwindel mit Übelkeit und schmerzbedingt eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule ohne Hartspann, ist iS der oben zu A.1. dargelegten Grundsätze als Verletzung am Körper und somit als Schaden nach dem TAdK zu beurteilen. 65 % der insoweit von der Klägerin getragenen Behandlungskosten sind damit von der Beklagten jedenfalls zu erstatten.

Die Klägerin beansprucht hier aber auch zu Recht die prozentuelle Quote der ihr durch die ärztliche Fehlbehandlung entstandenen Kosten als Folge einer möglichen Ursache. Ein ärztlicher Kunstfehler bei der Behandlung einer Körperverletzung schließt nämlich die Adäquanz des Geschehensablaufs grundsätzlich nicht aus. Mag eine in der stationären Aufnahme für drei Tage und Verordnung einer Schanzkrawatte liegende ärztliche Fehlbehandlung auch nicht gerade wahrscheinlich sein, so liegt sie dennoch nicht außerhalb der menschlichen Erfahrung und fällt (zunächst) unter die Haftung dessen, der die Körperverletzung zu verantworten hat (vgl RIS-Justiz RS0022618).

Aus diesen Gründen war der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Urteil iS einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Abänderung des Ersturteiles erfordert eine neue Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz. Ein Kostenzuspruch nach § 41 ZPO erfolgt jedoch nicht, weil die Klägerin keine Kosten verzeichnete.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufugsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Gemäß § 23 Abs 9 und 10 des RATG war der Einheitssatz im hier vorliegenden Fall des § 501 ZPO jedoch nur einfach zuzusprechen.

Landesgericht Klagenfurt, Abteilung 1

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