3R162/11z – LG Klagenfurt Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht Klagenfurt hat als Berufungsgericht durch die Richterin HR Dr. Melchart (Vorsitz) sowie die Richter HR Dr. Oberheinrich und Dr. Gerard Kanduth in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. *****, 2. *****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch Dr. Walter Vasoll, Rechtsanwalt in Hermagor, wegen Feststellung und Unterlassung, über die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Hermagor vom 2. September 2011, 1 C 567/10k-15, in nichtöffentlicher Sitzung den
B E S C H L U S S
gefasst:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Ver fahrens kosten.
Text
B e g r ü n d u n g :
Das Vorbringen der Parteien und der Verfahrensgang erster Instanz sind allen Beteiligten bekannt, sodass grundsätzlich darauf verwiesen werden kann.
Dasselbe gilt vom Inhalt des angefochtenen Urteils, mit dem das Erstgericht dem Klagebegehren wie folgt stattgab:
„1. Es wird zwischen den Streitteilen festgestellt, dass der Beklagte als Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** gegenüber den Klägern als Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** nicht berechtigt ist, die in EZ 1336 GB 75105 zu C-LNr ***** eingetragene Dienstbarkeit „Fahrweg auf Grundstück ***** für Grundstücke *****“ insbesondere dadurch außerhalb des diagonalen Wegverlaufes wie im Lageplan skizziert zu gehen oder zu fahren, zu erweitern.
2. Der Beklagte ist gegenüber der klagenden Partei schuldig, es ab sofort bei sonstiger Exekution zu unterlassen, über das Grundstück ***** außerhalb des diagonalen Wegverlaufes wie im Lageplan skizziert zu gehen oder zu fahren und/oder Zaunteile oder sonstige Gegenstände, welche sich außerhalb der skizzierten Dienstbarkeitswegtrasse befinden, zu entfernen.“
Dagegen richtet sich die als Rechtsrüge ausgeführte Berufung des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Kläger streben mit ihrer Berufungsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteils an, bekämpfen einzelne Feststellungen und wenden sich teilweise auch gegen die Rechtsansicht des Erstgerichtes.
Die Berufung ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.) Zur Ersitzung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über den *****:
Unbekämpft steht fest (Seite 4, 7 des Urteils):
Im Jahr 1966/67 wurde auf Wunsch des Vaters der Rechtsvorgängerin der Kläger, *****, der ***** errichtet, weil dieser nicht wollte, dass quer über sein Grundstück gefahren wird. Er ließ den Holzzaun zu diesem Zweck weiter zurück in Richtung Haus versetzen. Zwischen dem Vater der ***** und dem Großvater des Beklagten wurde daraufhin vereinbart, dass zur Bewirtschaftung der Felder bzw. des Waldes nur mehr über den ***** gefahren wird, was in Folge auch so gehandhabt wurde. Der Weg diagonal über das Grundstück ***** wurde nur vereinzelt zum Gehen benutzt.
Bis zur Errichtung von Absperrungen durch den Kläger im Frühjahr 2008 wurde der ***** vom Beklagten und dessen Vater auch weiterhin befahren.
Aus diesen Feststellungen hat das Erstgericht den Tatbestand der Ersitzung einer Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über den ***** zugunsten des Beklagten abgeleitet.
Der beklagte Berufungsgegner wendet in der Rechtsrüge seiner Berufungsbeantwortung gegen diese rechtliche Beur teilung ein, der Beklagte und seine Rechtsvorgänger hätten in der Zeit von 1966/67 bis 2007 eine Dienstbarkeit am ***** nicht ersitzen können, weil ihre Rechts ausübung auf die rechts geschäftlich vereinbarte Ver legung der Dienstbarkeits weg trasse zurückgehe, sodass die Ersitzung einer inhalts gleichen Servitut rechtlich unmöglich sei.
Dazu ist für den vorliegenden Fall auszuführen:
Nach § 1462 ABGB und der Judikatur können alle Sachen, an denen dem Be rechtigten die Gewahrsame rechtsgeschäftlich überlassen wurde, nicht ersessen werden (RIS-Justiz RS0034095). Bei Ausübung eines schuldrechtlichen Gebrauchs rechtes kann die Ersitzung einer inhaltsgleichen Servitut also nicht stattfinden (5 Ob 211/09d). Pfandgläubiger, Entlehner, Verwahrer, Fruchtnießer, Mieter, Bittleiher usw. können daher die von ihnen übernommene Sache niemals ersitzen (RS0034106).
Im vorliegenden Fall hat nun der (dafür beweispflichtige: RIS-Justiz RS0034106) Beklagte in erster Instanz keinen Sach verhalt behauptet, aus dem sich ein solcher Fall der rechts geschäftlichen, die Ersitzung hindernden Überlassung bzw. die Unredlichkeit des Beklagten oder seiner Rechts vorgänger ableiten ließe, sodass sich der erstmals in der Berufungs beantwortung aufgegriffene Aspekt als Neuerung erweist.
In der Entscheidung 5 Ob 211/09d, welche der Berufungs gegner für sich ins Treffen führt, ging es um ein (verlängertes) Pachtverhältnis, sodass daraus für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen ist.
Hier steht fest, dass Rechtsvorgänger der Kläger ***** war und deren Rechtsvorgänger ihr Vater. Dieser hat mit dem Großvater des Beklagten vereinbart, dass „zur Bewirtschaftung der Felder bzw. des Waldes nur mehr über den ***** gefahren wird“.
Darin könnte man einerseits die (sofortige) rechts geschäft liche Einräumung einer Dienstbarkeit erblicken, sodass vor dem Kaufvertrag der Kläger die Dienstbarkeit auf dem ***** schon aus diesem Rechtsgrund bestand und sich daher für die klagenden Berufungsgegner kein Vorteil ergibt. Andererseits bedeutet die Zustimmung zur Benützung des ***** durch die Rechtsvorgänger der Kläger für einen Ersitzungstatbestand die Redlichkeit des Beklagten; im Zusammenhang mit dem Ablauf der Ersitzungszeit wäre damit der Rechtserwerb vollendet.
Dem weiteren Verfahren ist daher jedenfalls der Bestand einer Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über den ***** auf dem Grundstück ***** zugunsten des Beklagten vor dem Kaufvertrag der Kläger zugrunde zu legen.
Insoweit der Berufungsgegner aus dem Dienstbarkeitsvertrag ./A zwischen der Rechtsvorgängerin der Kläger und dem Beklagten eine „schlüssige Rück verlegung“ der Dienstbarkeits weg trasse vom ***** auf den diagonalen Weg über das Grundstück ***** ableiten will, geht er nicht vom fest gestellten Sachverhalt aus. Diesem liegt nämlich ausdrücklich zugrunde, dass sich die Vertragsparteien nicht einigen konnten und eine abschließende Regelung hinsichtlich der Dienstbarkeit des Beklagten nicht getroffen wurde (Seite 5 des Urteils).
2.) Zum Gutglaubenserwerb durch die Kläger:
Auszugehen ist von der vom Erstgericht im Einzelnen zutreffend dargestellten Rechtslage zum Gutglaubenserwerb, wonach eine nicht verbücherte Dienst barkeit gegen den Erwerber der dienenden Liegenschaft nur dann wirksam ist, wenn sie offenkundig war oder der Erwerber sie kannte oder kennen musste (siehe auch RIS-Justiz RS0011676, RS0034821).
2.1. Zweifelhafte Feststellung:
Das Erstgericht stellte fest (Seite 5), dass der Erst kläger das Grundstück im Juni 2007 erstmals besichtigt und ihm der Beklagte im Zuge dessen mitgeteilt habe, er benütze den Weg diagonal über die Liegenschaft und auch den ***** .
Unter Zugrundelegung der Judikatur hat schon diese festgestellte Mitteilung eine Erkundigungspflicht des Klägers über bestehende Rechte ausgelöst:
Wenn ein Dritter dem Kaufinteressenten mitteilt, dass er einen Teil des kaufvertragsgegenständlichen Grundstücks (zum Gehen und Fahren) benützt, dann reicht es nicht, nur den Verkäufer über die tatsächliche Nutzung bzw. Lastenfreiheit des kaufgegenständ lichen Grundstücks zu befragen, um der Erkundigungspflicht rechtlich Genüge zu tun und sich den guten Glauben zu erhalten. Es kann daher eine Vernachlässigung der rechtlich gebotenen Erkundigungspflicht auch dann vorliegen, wenn der Ver käufer die Lastenfreiheit des kaufgegenständlichen Grund stücks mehrfach zugesichert hat.
Aufgrund der Feststellung über die Mitteilung des Beklagten über die Benützung des ***** hätten die Kläger im vorliegenden Fall vielmehr mit dem Beklagten den Inhalt seiner Berechtigung, über den ***** zu fahren, abklären müssen (um ihre Kaufentscheidung nach dem Ergebnis dieser Erkundigung ausrichten zu können).
Das Klagebegehren würde sich also bereits auf Basis der Feststellung, der Beklagte habe dem Erstkläger bei einer Besichtigung im Juni 2007 mitgeteilt, dass er auch den ***** benütze, als nicht berechtigt erweisen, weil sich der Erstkläger in der Folge nur mehr auf die Zusicherung der Verkäuferseite verlassen hat, es werde nur der diagonale Weg benützt.
Die genannte und vom Berufungsgegner bekämpfte Fest stellung ist allerdings mit dem Mangel unzureichender Beweiserhebung und Beweiswürdigung behaftet, weil das Erstgericht im Verfahren und im Urteil auf folgende Umstände nicht eingegangen ist:
Auf Seite 6 zweiter Absatz seiner Entscheidung stellte das Erstgericht fest, der Erstkläger habe die Liegenschaft (nach der auf Seite 5 festgestellten erstmaligen Besichtigung im Juni 2007) im November 2007 im noch einmal besichtigt. Diese Feststellung gründete das Erstgericht auf die Aussage des Erstklägers in ON 12, Seite 5. Nun beschreibt der Erstkläger in seiner Aussage aber nur eine Besichtigung, und zwar im November 2007, wobei zu dieser Zeit der ***** (nach den unbekämpften Feststellungen auf Seite 6 des Urteils) blockiert war, weil der Beklagte dort Rundholz gelagert hatte. Das Erstgericht hat weder die vernommenen Personen in der mündlichen Verhandlung mit den divergierenden Angaben über die Anzahl der Besichtigungen und die jeweils dabei geführten Gespräche konfrontiert, noch in seiner Beweiswürdigung dazu Stellung genommen.
Diesbezüglich erweist sich daher das Verfahren als ergänzungsbedürftig.
2.2. Fehlende Feststellungen:
Zu Recht macht der Beklagte in seiner Berufung geltend, dass Feststellungen zur Offensichtlichkeit der Dienstbarkeit (in der Natur) fehlen:
Der Beklagte hat sich nun in seinem Vorbringen in erster Instanz u.a. darauf berufen, dass „in dem Bereich, in welchem jetzt der Zaun von der klagenden Partei errichtet wurde“ – dies betrifft also den streitgegenständlichen ***** – „immer die entsprechenden Fahrspuren ersichtlich gewesen“ seien (Verhandlung vom 21. März 2011 ON 5 Seite 2). Der Beklagte hat daher die Offenkundigkeit der Dienstbarkeit geltend gemacht, welche den (vom Erstgericht angenommenen) Erwerb in gutem Glauben durch die Kläger ausschließen würde.
Maßgeblicher Zeitpunkt für den guten Glauben des Erstehers bezüglich der Lastenfreiheit des zu erwerbenden Grundstücks ist der Zeitpunkt sowohl des Vertragsabschlusses als auch des Ein verleibungsgesuches (5 Ob 273/y, 7 Ob 160/02h mwN; RS0011676 T5).
Es sind also im vorliegenden Fall aufgrund der Rechtslage und der Prozessbehauptungen eindeutige und zweifelsfreie Feststellungen zur Offenkundigkeit der strittigen Dienst barkeit in der Natur nötig, damit die Rechtsfrage beantwortet werden kann, ob und allenfalls aufgrund welcher Umstände die Kläger Anlass hatten, an der Lastenfreiheit des Grundstücks ***** bezüglich einer auf dem ***** verlaufenden Servitut zu zweifeln.
Die vorgelegten Fotos zeigen ausgeprägte Fahrspuren auf dem ***** und eine deutliche Abgrenzung des entlang des Baches verlaufenden Weges durch einen Zaun. Es wird zu erheben (und festzustellen) sein, wie dieser Bereich zu den maßgeblichen Zeitpunkten ausgestaltet war (insbesondere auch zum Zeitpunkt einer allfälligen Besichtigung im Juni 2007).
Dass – wie festgestellt – bei der Besichtigung im November 2007 „der ***** zum Grundstück des Beklagten hin blockiert war, weil Rundholz abgelagert war“ und deshalb „der ***** in Richtung der Verkaufsliegenschaft hinunter zu begehen nicht möglich war“, besagt noch nicht, dass (auf dem gesamten Weg) keinerlei Fahrspuren vorhanden waren, die der Kläger bei der rechtlich gebotenen Aufmerksamkeit hätte sehen können.
2.3. Festzuhalten ist noch folgender rechtliche Aspekt:
Auch wenn nur ein Miteigentümer bei gehöriger Aufmerk sam keit den wahren, vom Grundbuchstand abweichenden Sachverhalt über eine Dienstbarkeit erkennen hätte können, können sich die übrigen Miteigentümer nicht auf das Grundbuch berufen und hat eine ersessene Dienstbarkeit auch ihnen gegenüber Geltung (RIS-Justiz RS0075145).
Der Kenntnisstand bzw. auch Versäumnisse des Erstklägers sind daher auch der Zweitklägerin zuzurechnen.
3.) Zum Klagebegehren:
Die Kläger machen dem Wortlaut ihres Begehrens nach einen Anspruch auf Feststellung der Nichtberechtigung und Unterlassung der Erweiterung der im Grundbuch eingetragenen (diagonal über das Grundstück ***** verlaufenden) Dienstbarkeit geltend.
Nach dem Inhalt des Vorbringens und der Verfahrens ergebnisse (insbesondere weil der diagonale Dienstbarkeitsweg und die Fläche des ***** räumlich voneinander getrennt sind) streben die Kläger jedoch in Wahrheit die Fest stellung (und die entsprechende Unterlassungs verpflichtung) an, dass dem Beklagten auf der Fläche des ***** keine Dienst barkeit zusteht (Eigentumsfreiheits klage, actio negatoria iSd § 523 zweiter Fall ABGB). In diesem Sinn wird das Klagebegehren zu präzisieren sein.
Wenn ein Urteilsspruch inhaltlich auf einen (Lage-)Plan oder eine Skizze Bezug nimmt, dann ist diese planliche Darstellung der Entscheidung anzuschließen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
Landesgericht Klagenfurt, Abteilung 3