1R186/10p – LG Klagenfurt Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht Klagenfurt hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Joham (Vorsitz), Dr. Mikulan und Mag. Süßenbacher in der Exekutionssache der betreibenden Partei *****, vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer, Dr. Roman Bacher und Dr. Harald Burmann, alle Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die verpflichtete Partei *****, wegen € 72.495,19 s. A., über den Rekurs der betreibenden Partei gegen die Kostenentscheidung des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 12. Mai 2010, 7 E 190/09h 12, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Kostenentscheidung wird dahin abgeändert, dass die Kosten für die Beteiligung an der Befundaufnahme vom 5. März 2010 statt mit € 557,64 mit € 1.371,60 (darin € 228,60 Umsatzsteuer) und die Kosten des Kostenrekurses mit € 200,69 (darin € 33,45 Umsatzsteuer) als weitere Exekutionskosten der betreibenden Partei im Zwangsversteigerungsverfahren gegen die Verpflichtete Michaela Kulnig bestimmt werden.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die betreibende Partei hat sich an der Schätzung der Liegenschaft der Verpflichteten im Zwangsversteigerungsverfahren durch einen Rechtsanwalt beteiligt. Für diese Beteiligung verzeichnete die betreibende Gläubigerin Kosten nach TP 3 A des RATG für zwei Stunden im Gesamtbetrag von € 2.057,22.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Kosten der betreibenden Partei für diese Beteiligung nach TP 7 erster Fall RATG (also für einen Kanzleigehilfen) mit insgesamt € 557,64.
Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs der betreibenden Partei insoweit ihr nicht Kosten nach TP 3 A des RATG für eine Stunde im Gesamtbetrag von € 1.371,60 zuerkannt wurden. Die Rekurswerberin macht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Landesgerichtes Feldkirch und des Landesgerichtes Innsbruck geltend, dass ihr nach TP 3 A III des RATG Kosten in der erwähnten Höhe gebühren.
Der Rekurs ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Mit der EO-Novelle 2005, BGBl I 2005/68, wurde der TP 3 A des RATG der Abschnitt III angefügt, der wie folgt lautete: "In allen Verfahren für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige, sofern die Beiziehung der Parteienvertreter über Auftrag des Gerichtes erfolgt."
Diese Bestimmung erfuhr mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz BRÄG 2008, BGBl I 2008/111, eine Abänderung dahin, dass sie nunmehr lautet:
"Für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige gebührt in allen Verfahren die im Abschnitt II festgesetzte Entlohnung, sofern die Beiziehung der Parteienvertreter über ausdrücklichen Auftrag des Gerichtes erfolgt."
Damit hat der Gesetzgeber die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige unter bestimmten Voraussetzungen nämlich dann, wenn diese Teilnahme ausdrücklich gerichtlich angeordnet wird - aus der allgemeinen Regel der TP 7 für die Besorgung von Geschäften außer-halb der Rechtsanwaltskanzlei herausgehoben. Damit ist zunächst klargestellt, dass die Teilnahme an der Befundaufnahme durch einen Sachverständigen entweder nach TP 7 zweiter Fall RATG (wenn die Beiziehung der Parteienvertreter vom Gericht nicht ausdrücklich angeordnet wurde) oder nach TP 3 A III RATG zu entlohnen ist. Für eine Entlohnung nach TP 7 erster Fall RATG, wie sie dem Erstgericht unter Heranziehung von Rechtsprechung aus dem Zeitraum vor der Novellierung vorschwebt, besteht keine Rechtsgrundlage mehr. Liegen also die Voraussetzungen nach TP 3 A III RATG vor, ist nach dieser Bestimmung als lex specialis vorzugehen. Ein Rückgriff auf die allgemeine Kostennorm der TP 7 zweiter Fall RATG ist in diesem Fall nicht möglich und zwar auch nicht im Exekutionsverfahren, denn das Gesetz verweist im Abschnitt III ausdrücklich darauf, dass diese Bestimmung "in allen Verfahren" zur Anwendung gelangt und ferner auf "die im Abschnitt II festgesetzte Entlohnung", das sind Tagsatzungen im Zivilprozess, im Außerstreitverfahren und im Exekutionsverfahren. Dem Gesetzgeber kann demnach die Befundaufnahme im Zwangsversteigerungsverfahren, die geradezu einen Regelfall darstellt, nicht entgangen sein.
Im Zivilprozess wird die Beiziehung der Parteienvertreter zur Befundaufnahme durch den Sachverständigen im Ermessen des Prozessgerichtes liegen. Sie ist etwa bei Ortsaugenscheinen durch den Sachverständigen (Verkehrsunfälle, Grenzen etc.) üblich, kommt hingegen bei der Befundaufnahme durch ärztliche Sachverständige selten oder nie vor. § 141 Abs 3 EO sieht die Ladung des betreibenden Gläubigers zur Befundaufnahme und Beschreibung der Liegenschaft ausdrücklich vor. Unbestritten ist, dass sich der betreiben-de Gläubiger zu diesem Behufe durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen kann. Das Ermessen des Gerichtes zur Beiziehung/Nichtbeiziehung der Parteien (Parteienvertreter) wird demnach durch § 141 Abs 3 EO eingeschränkt, die Unterlassung der Ladung wäre ein Verfahrensverstoß. Daraus folgt zwingend, dass auch im Zwangsversteigerungsverfahren die Beiziehung der Parteienvertreter über ausdrücklichen Auftrag des Gerichtes erfolgt. Die Entlohnung für diese anwaltliche Tätigkeit richtet sich demnach nach TP 3 A III RATG (so auch Landesgericht Eisenstadt 13 R 58/06m; aA Landesgericht Klagenfurt 2 R 306/09s). Durch die ausdrückliche Anordnung der Ladung im § 141 Abs 3 EO ist die Rechtslage demnach anders als im Falle der Beteiligung an der Pfändung im Fahrnisexekutionsverfahren, die ohne Befundaufnahme durch einen Sachverständigen und grundsätzlich ohne Beteiligung des betreibenden Gläubigers durch den Gerichtsvollzieher allein erfolgt und nur in Ausnahmefällen, nämlich über dessen Antrag, zu seiner Beteiligung führt.
Ob im Einzelfall und unter Bedachtnahme auf § 74 EO die Beteiligung an einer länger dauernden Befundaufnahme im Zwangsversteigerungsverfahren für den gesamten Zeitraum zur Rechtsverwirklichung erforderlich ist, muss hier nicht entschieden werden, denn die Beteiligung an der Befundaufnahme für die Dauer einer Stunde ist jedenfalls zur zweckentsprechenden Rechtsverwirklichung notwendig.
Dem Rekurs war aus den dargestellten Gründen statt-zugeben und die Kostenentscheidung im Sinne des Rekursantrages abzuändern. Für den Zuspruch des verzeichneten Streitgenossenzuschlages besteht zufolge des Alleineigentums der Verpflichteten an der Liegenschaft keine Rechtsgrundlage.