7Bl9/08d – LG Klagenfurt Entscheidung
Kopf
7 Bl 9/08d
Spruch
Das Landesgericht Klagenfurt hat durch den Richter Dr. Pasterk als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Dr. Lutschounig und den Richter Dr. Schofnegger in der Strafsache gegen *****und eine weitere Beschuldigte wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Beschuldigten *****gegen den Beschluss der Untersuchungsrichterin vom 12. Dezember 2007, 8 Ur 390/06a-37, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Text
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Gegen *****und ***** wurden gerichtliche Vorerhebungen und seit dem 12.6.2007 die Voruntersuchung unter anderem wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs der am 16.7.1986 geborenen ***** geführt. ***** wurde am 29.1.2007 gemäß § 165 (§ 162a aF) StPO als Zeugin einvernommen. Beiden Beschuldigten, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertreten waren, wurde Gelegenheit gegeben, sich an der Vernehmung zu beteiligen und Fragen zu stellen. Verfahrenshilfeverteidiger wurden den Beschuldigten nach entsprechenden Anträgen am 22.6. und 11.7.2007 beigegeben. Die Sachverständigen ***** und ***** erstatteten in der Folge medizinische bzw. neuropsychiatrische Expertisen.
Gegen dieses Vorgehen gerichtete Beschwerden beider Beschuldigten entsprach die Ratskammer mit Beschluss vom 15.11.2007 zu 48 Rk 70/07b nur insofern, als der Untersuchungsrichterin die Entscheidung über ihre Anträge auf neuerliche Vernehmung der Zeugin ***** und auf „Nichtigerklärung" der Gutachten des Sachverständigen ***** aufgetragen wurde (ON 36).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte die Untersuchungsrichterin die betreffenden Anträge unter anderem unter Bezugnahme auf das von der Zeugin in Anspruch genommene Entschlagungsrecht ab (ON 37). Die dagegen erhobene Beschwerde des Beschuldigten ***** ist nicht begründet.
Zunächst ist zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die in dieser Sache ergangene Entscheidung der Ratskammer zu verweisen, mit der der in der nunmehrigen Beschwerde wiederholten Rechtsauffassung, die Vernehmung der Zeugin ***** sei nichtig, weil die Beschuldigten anwaltlich nicht vertreten waren, entgegengetreten wurde. Darüber hinaus wurde bereits dargelegt, dass für die Vernichtung des die abgelegte Aussage beinhaltenden Protokolls und darauf aufbauender Expertisen eine gesetzliche Grundlage fehlt.
An der Gültigkeit dieser Beurteilung, die auf völlig gleichgelagerter Basis auch auf die Gutachten des Sachverständigen ***** zutrifft, ändern auch die gemäß § 516 Abs 2 (dritter Satz) StPO seit 1.1.2008 zugrunde zu legenden neuen Verfahrensbestimmungen nichts:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 61 Abs 1 StPO ist eine notwendige Verteidigung im gesamten Verfahren nur vorgesehen, wenn und solange der Beschuldigte in Untersuchungshaft oder gemäß § 173 Abs 4 StPO in Strafhaft angehalten wird oder wenn ein Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 StGB geführt wird (Z 1 und 2). § 61 Abs 2 StPO sieht konform mit Artikel 6 Abs 3 lit. c EMRK vor, dass das Gericht auf Antrag des Beschuldigten, dessen notwendiger Unterhalt durch die Verteidigungskosten gefährdet ist, diesem unter anderem dann einen Verfahrenshilfeverteidiger beizugeben hat, wenn die Sach- oder Rechtslage als schwierig anzusehen ist (Z 4). Ein Vorgehen von Amts wegen ist – wie schon bisher (§ 41 Abs 4 StPO aF) – nur im Falle notwendiger Verteidigung vorgesehen (§ 61 Abs 3 StPO). Über die Möglichkeit, die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers beantragen zu können, wurden die Beschuldigten anlässlich der Ladung zum Vernehmungstermin belehrt (§ 49 StPO). Ein Beweisverbot sieht das Gesetz im Zusammenhang mit der Verwendung von Zeugenaussagen nur im Umfang des § 166 StPO vor, für dessen Anwendung die Voraussetzungen im vorliegenden Fall fehlen; ein Verwertungsverbot in Bezug auf Sachverständigengutachten ist dem Gesetz fremd (§ 126 Abs 4 StPO). Die (physische) Vernichtung von Beweisergebnissen wiederum ist auf Fälle der nicht zulässigen Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung, der Überwachung von Nachrichten und von Personen sowie auf solche Ergebnisse eines automationsunterstützten Datenabgleichs beschränkt (§ 89 Abs 4 StPO). Weil die Parteien Gelegenheit hatten, sich an der kontradiktorischen Einvernahme der Zeugin ***** zu beteiligen, ist sie von der Pflicht zur (weiteren) Aussage befreit (§ 156 Abs 1 Z 2 StPO), weshalb auch der auf ihre neuerliche Vernehmung gerichtete Antrag des Beschuldigten zu Recht abgelehnt wurde.